Berlin Beatet Bestes.

Judged by the cover

Berlin Beatet Bestes. Folge 5. Billy Vaughn: Humoresque Boogie (1961).

Schallplattensammler halten sich meist für cooler als Briefmarken- und Yu-Gi-Oh-Karten-Sammler. Die sammeln ja nur bunt bedrucktes Papier. Aber auch ich kaufe viele Schallplatten nur wegen des Covers. Wenn die Umschläge schön aussehen, ist die Musik im schlimmsten Fall eine interessante Beigabe. Als Comic-Zeichner sammle ich natürlich im Besonderen gezeichnete Platten­cover.
Billy Vaughn gehört zu den Künstlern, die bis heute mit ­ihren Platten die Trödelkisten verstopfen. Anfang der sechziger Jahre war er einer der erfolgreichsten amerikanischen Orchester-Chefs, der mit weichgespülten Instrumentalnummern einer älteren Generation den Rock’n’Roll schmackhaft machte. Unerträglich langweiliges Zeug also, das ich immer liegen lasse.
Eine Billy-Vaughn-Single ist dann aber doch mal hängen geblieben. »Humoresque Boogie« klang vielversprechend: Hinter Boogie steckt meist Rock’n’Roll. Den Zeichner des Covers, Ole Jensen, konnte ich erst später zuordnen, als ich irgendwann ein Buch von ihm in einem Trödelladen fand. Das Buch »Kopf des Tages, Kopf der Woche« von 1965 ist eine Sammlung von Karikaturen bekannter Persönlichkeiten.
Im Vergleich zu der relativ verbreiteten Beschäftigung auch mit den verschlungensten Seitenarmen der Pop­musikgeschichte, wird der Cartoon- und Karikaturbereich heute von einer Handvoll älterer Männer verwaltet. Und an die vielen populären deutschen Cartoonisten der fünfziger und sechziger Jahre können sich meist nur noch Rentner erinnern. Ole Jensen (1924–1977), der als Schnellzeichner regelmäßig in der Berliner Abendschau auftrat, stammte aus derselben Generation wie die populären Berliner Cartoonisten Hans-Joachim Stenzel und Will Halle. So schrieb dann auch sein Freund Stenzel, Künstlername Zelli, das Vorwort zu diesem Band. Anders als Oskar, der als Schnellzeichner in Hans Rosenthals »Dalli Dalli« berühmt wurde, und natürlich auch Loriot sind diese Berliner Nachkriegszeichner allesamt vergessen. Ihre heiteren Bildchen prägten den Humor der fünziger und sechziger Jahre, bis sie eine kritischere Generation von Zeichnern Anfang der siebziger Jahre ablöste. Der Geschmack hatte sich geändert, und die schlichte Heiterkeit entlarvte sich jetzt als reaktionäre Flucht aus der Realität.
Ole Jensens wuchtiger und dennoch präziser Strich lässt uns seine Figuren, trotz der grotesken Formen, immer noch genau erkennen. Stenzel, aus dem Vorwort: »Die gelungene Porträtkarikatur ist viel mehr als ein Nachbild der Natur. In ihr zeigt sich die Kunst, Seele und Charakter des Betroffenen darzustellen, schonungslos und ehrlich.« Und wie reagierten die Betroffenen auf diese Ehrlichkeit? Jensen: »Tja, eigentlich nicht so fröhlich, wie ich es erwartete.« Die Ehrlichkeit in den Cartoons verlagerte sich in den siebziger Jahren auf politische und soziale Themen. Die handwerkliche Meisterschaft dieser Zeichner kam aus der Mode.
Und wie rockig klingt also der humoreske Boogie? Er ist eine flotte Orchesternummer nach einem Motiv von Anton Dvorak. Das Gitarrensolo dauert zehn Sekunden und fadet danach in die Auslaufrille.

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http://mischalke04.wordpress.com/2007/
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