Über den Koalitionsbruch in Schleswig-Holstein

Land unter den Meeren

Neuwahlen werden nichts an der Pleite von Schleswig-Holstein ändern.

Als Heide Simonis (SPD) einst gefühlte 100 Mal erfolglos versuchte, sich wieder zur Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins wählen zu lassen, dachte man, das ohnehin nicht sehr hoch gelegene Bundesland könne nicht noch weiter sinken. Doch dann kam Peter Harry Carstensen (CDU), und Simonis schied auch noch aus dem Amt der Präsidentin von Unicef Deutschland und einem Fernseh-Tanzturnier ruhmlos aus.
Die Große Koalition zerlegte sich schon wegen der Kosten für die Beförderung von Schülern und der Kürzung von Beamtengehältern um ein Haar. Kein Wunder, dass die ohnehin nicht innige Freundschaft schließlich am Geld zerbrach.
Angeblich soll ein Streit über die Bonuszahlungen von fast drei Millionen Euro für den Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, der Grund dafür gewesen sein, dass die CDU die Koalition aufkündigte. Das verwundert ein wenig, hatte man doch schon Anfang des Jahres bewiesen, dass die Bank trotz finanzieller Schwierigkeiten wie jede andere funktioniert. Damals verkündete man, 70 Millionen Euro an stille Einleger auszuschütten, um diese bei Laune zu halten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Verluste des Geldinstituts in Milliardenhöhe bereits bekannt. Immerhin, möchte man sagen.
»Ich hatte es mit Politikern zu tun, die sich scheuten, Zahlen zur Kenntnis zu nehmen und sich damit auseinanderzusetzen«, sagte Werner Marnette (CDU) im April im Gespräch mit Spiegel online. Der schärfste Kritiker der Landesregierung war – natürlich – bis dahin selber Minister gewesen, für Wirtschaft. Schon zu Beginn des Jahres 2008 sei »für jeden interessierten Laien erkennbar« gewesen, dass da »etwas aus dem Ruder« lief, sagte er. Schleswig-Holstein und Hamburg waren jedoch mit der Bilanz ihrer Bank für 2007 so zufrieden, dass sie deren Eigenkapital einvernehmlich um zwei Milliarden Euro aufstockten. Noch Mitte September 2008 glaubte Finanzminister Rainer Wiegard (CDU), dass die Landesbank »auf ziemlich exzellente Weise« die Finanzkrise manage.
Umgehend folgten die ersten Wertberichtigungen, dann der Antrag auf Garantien im Wert von 30 Milliarden Euro bei der Finanzmarktstabilisierungsanstalt. Als Ole von Beust (CDU) und Carstensen im Februar beschlossen, der maroden Bank drei Milliarden Euro und eine Sicherheitsgarantie über zehn Milliarden zu geben, war von der Pleite des Bundeslandes die Rede.
Marnette gibt den gierigen Landespolitikern die Schuld daran, dass die Bank zu ihren umfangreichen, äußerst windigen Geschäften auf den Cayman Islands, auf Jersey und anderswo getrieben wurde. Man hantierte etwa mit Derivaten in einem Umfang, der die Haushalte von Schleswig-Holstein und Hamburg zusammengenommen um mehr als das Dreißigfache überstieg. Der Anteil an risikoreichen Geschäften betrug im Jahr 2007 über 63 Prozent (Deutsche Bank: 15,6 Prozent), was nicht einmal ein Geheimnis war.
Kurz: Man hat sich gnadenlos übernommen und streitet nun darüber, wer schuld an der Misere ist. Wahrhaftig kein leichtes Unterfangen. Einfacher war es zu erraten, dass Carstensen es anstreben würde, die rätselhaft guten Umfragewerte für sich zu nutzen und notfalls auch mithilfe einer Vertrauensfrage die Landtagswahlen im September stattfinden zu lassen. Wenn Schleswig-Holstein dann noch zwischen Nord- und Ostsee herauslugt.