Rechtsextremisten im Europa-Parlament ohne Fraktion

Teufel ohne Freunde

Rechtsextreme bemühen sich vergeblich, im Europa-Parlament eine Fraktion zu bilden. Für einen antisemitischen Skandal sorgt derweil ein polnischer Abgeordneter aus einer konservativen Fraktion.

»Mein Freund ist Ausländer«, schreibt die NPD-Zeitung Deutsche Stimme – gemeint sind allerdings nur Engländer, und von diesen auch nur bestimmte. In seiner aktuellen Ausgabe berichtet das rechtsextreme Blatt über die Aktivitäten der British National Party (BNP) und sorgt sich nach den Europa-Wahlen vom Juni um die nähere Zukunft der BNP: »Seit der Wahl ließen die Gegner unserer Völker nun ihrer Wut und Empörung über den BNP-Wahlsieg freien Lauf. (…) Auch gibt es jetzt Versuche, die BNP zu kriminalisieren, indem behauptet wird, die BNP sei eine illegale Organisation, weil nur einheimische Bürger BNP-Mitglied werden können, und so weiter, und so fort.«
Die britische Zeitung Sunday Herald hingegen sieht die Hauptsorge der BNP derzeit darin, dass es ihren Abgeordneten in Strasbourg und Brüssel bislang nicht gelungen ist, Anschluss an eine Parlamentariergruppe in Fraktionsstärke zu finden. »Die Teufel der BNP finden sich ohne Freunde in Europa wieder«, schrieb die Zeitung kürzlich. Die rechtsextreme Partei, die 1982 gegründet wurde, konnte im Juni mit 6,2 Prozent der britischen Stimmen erstmals ins Europa-Parlament – und überhaupt in ein überregionales Parlament – einziehen. Europaweit machte die BNP schnell von sich reden. Ihr Vorsitzender Nick Griffin forderte in einem Interview mit der BBC Anfang Juli, die Europäische Union solle »einige dieser Boote versenken«, mit denen afrikanische Migranten oft auf riskante Weise versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen.

Die Deutsche Stimme führt ihrerseits zu den Bündnisbemühungen der britischen BNP aus: »Kurz nach der Wahl trafen sich die frischgebackenen BNP-Abgeordneten Nick Griffin und Andrew Brons mit anderen Patrioten, um eine Allianz ins Leben zu rufen. Dabei haben sich die BNP, der Front National (Frankreich), der Vlaams Belang (Flandern), Ataka (Bulgarien), Jobbik (Ungarn) sowie die österreichische FPÖ darauf verständigt, bei ihrer parlamentarischen Arbeit zu kooperieren. Momentan gibt es allerdings nicht genug Abgeordnete in dieser Gruppe, um eine reguläre Fraktion bilden zu können.« Dafür sind ab dieser Legislaturperiode 25 Abgeordnete erforderlich.
Deswegen gehören derzeit die beiden BNP-Parlamentarier genauso zu den fraktionslosen Abgeordneten wie etwa die drei des französischen Front National (FN), die beiden Vertreter der österreichischen FPÖ oder die drei Abgeordneten der ungarischen Jobbik.
Während der 81jährige Jean-Marie Le Pen, der seit 1984 im Europa-Parlament sitzt und dort der dienstälteste Rechtsextreme und zweitälteste Abgeordnete überhaupt ist, die Isolation eher gewöhnt sein dürfte, wären die FPÖ-Abgeordneten nur zu gern Teil einer Rechtsfraktion. Doch weder die Fraktion der »Konservativen und Reformer« noch die andere mit dem Namen »Europa der Freiheit und Demokratie« will bislang mit den Österreichern etwas zu tun haben. Im Herbst will der FPÖ-Vertreter Andreas Mölzer jedoch, so wird er von der österreichischen Zeitung Die Presse zitiert, »einen neuen Anlauf nehmen«.
Die »Europäischen Konservativen und Reformer« (ECR) wurden auf Betreiben der britischen Tories gegründet. Der Fraktion gehören neben den Briten u.a. die ehemalige polnische Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) der Gebrüder Kaczynski, die tschechische »Bürgerplattform« ODS von Präsident Vaclav Klaus, die protestantisch-fundamentalistische Christen Unie aus den Niederlanden sowie die belgisch-flämische, rechts­populistische Liste Dedecker (LDD) an.

Bei den ECR hat es unterdessen bereits heftigen Ärger gegeben. Ursprünglich hatten die britischen Konservativen erwartet, mit ihren 25 Abgeord­neten die insgesamt 55 Mitglieder umfassende Fraktion kontrollieren und anführen zu können. Doch dann ging der Fraktionsvorsitz an einen Vertreter der polnischen PiS, die im Europa-Parlament 15 Sitze hält.
Der neue Vorsitzende der ECR-Fraktion ist Michal Tomasz Kaminski. Er steht derzeit im Mittelpunkt eines Skandals. Kaminski gehörte in jüngerer Vergangenheit noch der rechtsextremen, an­tisemitischen und homophoben Partei »Nationale Wiedergeburt Polens« (NOP) an. Diese behauptet von sich, bereits unter der pro-sowjetischen Diktatur in den Jahren von 1981 bis 1989 in der Illegalität existiert zu haben. Seit 1992 ist sie als Partei registriert. Derzeit versteht sich die NOP als nationalrevolutionär und gehört – zusammen mit anderen Parteien wie der deutschen NPD und der italienischen Forza Nuova – dem Zusammenschluss »Europäische Nationale Front« (ENF) an. Dieser wurde 2004 gegründet. Kaminski hatte unter anderem in einem Interview gesagt, »die Juden« hätten »Polen viel Leid unter der sowjetischen Besatzung und unter dem Kommunismus zugefügt«.
Der Rabbiner der Zentralsynagoge von London, Barry Rubin, hat inzwischen die britischen Konservativen dazu aufgefordert, alle Verbindungen zu Kaminski abzubrechen. Auch der britische Tory-Politiker Edward McMillan-Scott, der jüngst zum Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gewählt wurde, hat scharfe Kritik an dem polnischen Politiker geübt – und ist zum Dank dafür aus seiner früheren Partei ausgeschlossen worden. Neben den britischen Konservativen hat ihn auch die ECR-Fraktion hinausgeworfen.
Die zweite Rechtsfraktion ist die 30 Abgeordnete umfassende Gruppe »Europa der Freiheit und Demokratie«. Ihren Vorsitz hat der britische Europa-Parlamentarier Nigel Farage von der United Kingdom Independence Party (UKIP) inne, die bei der Wahl im Juni über 17 Prozent der britischen Stimmen erhielt. Der Fraktion gehören jedoch nicht einfach nur rechtskonservative »Euroskeptiker« an. Mitglieder sind auch die Abgeordneten der rassistischen Lega Nord aus Italien. Die Dänische Volkspartei (DFP), die für ihren vor ­allem auf muslimische Einwanderer zielenden Rassismus bekannt ist und seit Herbst 2001 die konservativ-liberale Regierung Dänemarks toleriert, ist mit zwei Abgeordneten ebenfalls Teil der Fraktion. Und auch die Überraschungssieger der Wahlen gehören zu »Europa der Freiheit und Demokratie«: Die »Wahren Finnen« (Perussuomalaiset, PS) erhielten im Juni beinahe zehn Prozent der Stimmen in ihrem Land. Im Europa-Parlament sitzt nun ein »wahrer Finne«.