Die deutsche Solarindustrie und die chinesische Konkurrenz

Gut, gelb, günstig

Die von der Krise erfasste deutsche Solarindustrie fordert staatlichen Schutz gegen die chinesische Konkurrenz.

Die Krise trifft nun auch die Solarbranche, die in den vergangenen Jahren – nicht zuletzt dank großzügiger Subventionen – gerade in Deutschland beachtliche Zuwächse verzeichnet hat. Weil die Nachfrage vor allem in Spanien zurückging, dem bis dahin wichtigsten Exportmarkt, brachen die Preise und damit die Umsätze ein.
Viele Solarfirmen machten im Laufe des ersten Halbjahres 2009 Verluste. Während andere Branchen allerdings mit realen Rückgängen zu kämpfen haben, wächst die Solarindustrie trotz der krisenhaften Entwicklung auf der ganzen Welt und in Deutschland weiter, der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) rechnet in diesem Jahr immerhin noch mit einem Wachstum von zehn Prozent. Im vorigen Jahr konnten nach Angaben des BSW deutsche Photovoltaikhersteller ihre Produktion noch um rund 65 Prozent steigern. Ihr Umsatz wuchs von sechs auf zehn Milliarden Euro, rund die Hälfte davon wird im Ausland gemacht.

In Deutschland wurden 2008 rund 150 000 Solar­stromanlagen neu installiert. Um reale Gewinne zu erwirtschaften, scheint dies jedoch nicht auszureichen, denn die Preise für Solarmodule liegen derzeit um fast 40 Prozent niedriger als vor der Krise. Viele Unternehmen haben offenbar Schwierigkeiten, trotz weiterhin steigender Nachfrage. Die zum Bosch-Konzern gehörende Ersol-Gruppe etwa musste ihre Produktion um knapp 50 Prozent reduzieren und Verluste hinnehmen. Das Berliner Unternehmen Solon machte in den ersten sechs Monaten bei einem Umsatz von 119 Millionen Euro einen Verlust von 110 Millionen Euro. Und Q-Cells musste seit Januar einen Verlust von 697 Millionen Euro hinnehmen, will nun 500 von 2 600 Mitarbeitern entlassen und manche Maschinen stilllegen.
Der Berliner Unternehmensberater Tobias Knier sieht vor allem eine strukturell bedingte Wachstumskrise: »Die Märkte sind nicht so stark gewachsen wie eigentlich angenommen. Wir kommen jetzt in eine Phase, in der ziemlich viel Blut fließt.« Erst danach werde es wieder aufwärts gehen. Wie viele andere Branchen waren die Solarfirmen auf die Finanzkrise nicht vorbereitet. Angesichts solcher Aussagen stellt sich allerdings die Frage, was die Unternehmen in ihrer Goldgräberstimmung der vergangenen Jahre eigentlich noch alles erwartet haben. Gerade weil die Nachfrage so stark wuchs, vermehrten sich die Produktionsstätten rasant – in Deutschland, aber auch in China, Malaysia und den USA. »Jetzt kämpfen alle mit den Überkapazitäten«, sagt Knier.

Die Krise der Solarunternehmen steht, wie das Magazin der Süddeutschen Zeitung vorige Woche unter dem knalligen Titel »Jetzt« anmerkte, in einem eklatanten Missverhältnis zur derzeit rasanten Entwicklung der Solartechnologie: »Nahezu im Monatstakt trudeln Rekorde ein. Mal ringen Forscher den Solarzellen mehr Strom ab als je zuvor, mal fallen Produktionskosten auf neue Tiefstmarken. Und alle paar Monate wird die magische Zahl der Solarindustrie nach unten korrigiert: die so genannte ›Netzparität‹.« Das ist der Zeitpunkt, ab dem der bisher teurere Sonnenstrom genauso viel kostet wie der konventionell produzierte Strom. »Ursprünglich für Mitte des nächsten Jahrzehnts angepeilt, könnte diese Marke in sonnenreichen Ländern wie Italien oder Spanien schon 2010 oder 2011 erreicht sein.«
Der Branchenverband befürchtet, deutsche Solarfirmen könnten ihre internationale Vorrang­stellung gegenüber der Konkurrenz aus China ein­büßen. Der Anteil chinesischer Unternehmen auf dem globalen Markt erhöhte sich im vergangenen Jahr von 15 auf 28 Prozent, der deutsche stagnierte derweil bei 20 Prozent. Sieben der zehn größten Unternehmen, die Solarzellen herstellen, kommen mittlerweile aus Asien. Und bei der Produktion von Solarmodulen sind nur noch zwei deutsche Firmen in der Liste der zehn umsatz­stärks­ten Konzerne.
Das Manager-Magazin stellte fest, dass inzwischen 65 Prozent der weltweit hergestellten Solarzellen aus Asien stammen, wobei neben China auch Japan, Taiwan und Indien in den vergangenen Jahren ihre Produktionskapazitäten deutlich erhöht hätten. BSW-Sprecher Carsten Körnig sprach die Vermutung aus, dass die chinesischen Firmen wie ihre europäischen Rivalen infolge der Wirtschaftskrise auf hohen Lagerbeständen sitzen und diese zu Preisen loszuwerden versuchen, die noch unter den Herstellungskosten liegen. Der Vorstandsvorsitzende der Hamburger Solarfirma Conergy, Dieter Ammer, warnte vor »ei­ner Art von Dumping«, mit dem chinesische Firmen versuchten, ihren Anteil auf dem Weltmarkt zu erhöhen.
Auch der Vorstandsvorsitzende von Solarworld, Frank Asbeck, fürchtet die chinesische Konkurrenz, die vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) profitiere und darüber hinaus vom chinesischen Staat im Kampf um den europäischen Markt unterstützt werde. So böten die chinesischen Hersteller häufig zinslose Darlehen von staatlichen Banken beim Kauf chinesischer Module an. Zurückgezahlt werde mit den Vergütungen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). »Wir brauchen eine Europa-Klausel im EEG, um unseren Markt zu schützen«, sagte Asbeck der Welt. Nur Mo­dule aus europäischer Produktion sollten seiner Meinung nach gefördert werden. Mit Schutzzöllen nach dem Motto »Buy European« soll also die Solarindustrie vor der außereuropäischen Konkurrenz geschützt werden. Auch sollen nur hier produzierende Unternehmen vom EEG profitieren, fordert die deutsche Solarlobby, bisher erhalten alle hierzulande tätigen Unternehmen Subventionen, auch wenn ihre Produkte in China oder Malaysia hergestellt werden.
Dass die deutschen Solarunternehmen hauptsächlich wegen chinesischer Dumpingpreise und verdeckter Subventionen der chinesischen Re­gierung Verluste hinnehmen müssen, könnte allerdings auch eine aus strategischen Gründen angeführte Verschwörungstheorie sein. »Die asiatischen Fabriken sind zum Teil viel moderner als die europäischen. Das spart Kosten«, meint dazu Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Dass Solarstrom immer billiger wird, ist unabwendbar, selbst wenn das umstrittene Großprojekt eines deutschen Konsortiums, riesige Solarstrom­anlagen in der Sahara zu errichten, nicht realisiert werden sollte. Dass die deutschen Unternehmen nun unter den Faktoren leiden, die ihnen jahrelang zu riesigen Umsatzzuwächsen verhalfen – expandierende Märkte plus staatliche Förderungen –, hat eine gewisse Logik, die natürlich vor allem den Apologeten der freien Marktwirtschaft gefällt, so auch der Wirtschaftswoche. Deren Autorin Katharina Sekareva bewertete die Forderung der deutschen Solarunternehmen nach Schutzzöllen als dreisten Versuch, im Bundestagswahlkampf ihre protektionistischen Interessen durchzusetzen. Sie hofft, »dass die Regierung sich auf die Schutzzoll-Idee nicht einlässt. Das würde vor allem den Verbrauchern schaden, die sich eine möglichst günstige Solaranlage aufs Dach montieren wollen. Es schadet auch dem Umweltschutz – denn für das Klima ist es egal, aus welchem Land die emissionslosen Anlagen stammen. Und einer Branche die Arbeit abzunehmen, sich an die Marktbedingungen anzupassen, gefährdet letztlich ihre Zukunftsfähigkeit.«

Hier finden wir die Linie vorgezeichnet, der eine Regierung aus der Union und der FDP nach der Bundestagswahl folgen dürfte: Subventionen mög­lichst schnell abbauen und die vermeintlich so heilsamen Marktkräfte walten lassen. Dass der Um­weltexperte der SPD, Hermann Scheer, die Forderung nach Schutzzöllen für europäische Solarunternehmen unterstützt, dürfte der Branche wenig nützen. Verstärkt durch die Krise wird sie vermutlich erleben, was bisher noch jede neue Industrie im Kapitalismus nach einer ersten Expansions- und Goldgräberphase erlebte: eine beschleunigte Kapitalkonzentration durch das Ein­gehen oder die Übernahme kleiner und mittlerer Unternehmen durch die großen Konzerne.
Die Zeit der Kreativen und Quereinsteiger, die sich in dieser bis vor wenigen Jahren noch kaum beachteten Branche eine goldene Nase verdienen konnten, dürfte endgültig zu Ende gehen.