Ein Denkmal für Opfer der NS-Militärjustiz in Köln

Text in Ketten

In Köln wird am Antikriegstag ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz eingeweiht. Die Zustimmung dazu ist bemerkens­wert groß.

Die Idee entstand am 27. Januar 2006. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten zum Holocaust-Gedenktag in der Kölner Antoniterkirche standen damals die Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz, insbesondere die Deserteure. Anschließend »entstand der Wunsch, eine Gedenkstätte für die Menschen einzurichten, die sich – auf welche Weise auch immer – dem mörderischen Krieg der Wehrmacht entzogen und dabei oft ihr Leben riskiert oder gar verloren hatten«, sagt Malle Bensch-Humbach. Sie ist Beisitzerin im Vorstand des Vereins El-De-Haus; das Gebäude, nach dem der Verein benannt ist, diente zwischen 1935 und 1945 der Gestapo als Zentrale und Gefängnis. Heute beherbergt es das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, die größte lokale Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland.

Gemeinsam mit dem Kölner Friedensforum trieb der Verein die Idee eines Denkmals für Deserteure voran, die Fraktion »Die Linke« brachte im September 2006 im Stadtrat einen entsprechenden Antrag ein. Mit Unterstützung der SPD, der Grünen sowie des Kölner Bürger-Bündnisses und gegen die Stimmen der CDU, der FDP sowie der ex­trem rechten Bürgerbewegung Pro Köln wurde er nach hitziger Diskussion angenommen. Der Rat stellte zunächst 50 000 Euro zur Verfügung und erhöhte den Betrag im vergangenen Jahr schließ­lich auf 130 000 Euro, um einen Künstlerwettbewerb um den passenden Entwurf für das Denkmal zu ermöglichen – eine Entscheidung, ge­gen die diesmal nur noch Pro Köln votierte. Wei­tere Mittel warben die Initiatoren durch einen Spendenaufruf ein. »Unser Ziel waren 10 000 Eu­ro, aber es ging deutlich mehr ein«, berichtet Bensch-Humbach.
Eine Projektgruppe des NS-Dokumentationszen­trums forschte währenddessen intensiv zu den Schicksalen der Kölner Deserteure. Sie hat bislang unter anderem herausgefunden, dass im Kölner Gefängnis Klingelpütz 50 Todesurteile durch Enthauptung vollstreckt wurden; weitere 21 Deserteure wurden in Köln-Dünnwald und Frechen-Bachem erschossen. Im ganzen Reich verurteilte die NS-Militärjustiz rund 30 000 Deserteure zum Tode, nachweislich wurden etwa 20 000 von ihnen hingerichtet. Hinzu kommt eine kaum zu schätzende Zahl von Personen, die als »Wehrkraftzerset­zer« und »Kriegsverräter« beschuldigt und in Konzentrationslagern ermordet wurden.

Diesen Frauen und Männern wird nun in Köln ein Denkmal gesetzt. Dass eine Kommune in Deutsch­land ein solches Vorhaben förmlich beschlossen und zu seiner Gestaltung einen Künstlerwettbewerb ausgerufen hat, ist neu. Die übrigen Denkmäler, die in der Bundesrepublik zur Erinnerung an die Deserteure errichtet wurden – Recherchen des Kölner NS-Dokumentationszen­trums zufolge sind es derzeit 16 –, stehen mit einer Ausnahme auf privatem Grund. »In Köln gibt es seit vielen Jahren ein breites und parteiübergreifendes Bünd­nis für eine Gedenkkultur«, erklärt Malle Bensch-Humbach. »Unsere vielfältigen und hartnäckigen Aktivitäten haben zunehmend auch die Unterstützung der Stadt gefunden.«
Ende April gab eine Jury den Sieger des internationalen Wettbewerbs bekannt, an dem 14 Künstler teilgenommen hatten. Sie entschied sich einstimmig für die Pergola, die der Schweizer Ruedi Baur, Leiter des Instituts für Designforschung in Zürich, gemeinsam mit seinem Partner Denis Coueignoux entworfen hat. Bei dem Modell handelt es sich um einen Kettentext, der aus in Aluminium gegossenen Buchstaben besteht. Diese Buchstaben sind wie große Backformen gestaltet und in verschiedenen Farben lackiert. Sie hängen in einer Trägerstruktur aus Stahl; insgesamt ist das Kunstwerk acht Meter lang, mehr als drei Meter hoch und vier Meter breit. »Hommage den Soldaten, die sich weigerten zu schießen auf die Menschen, die sich weigerten zu diskriminieren den Menschen, der Solidarität und Zivilcourage zeigte, als die Mehrheit schwieg und folgte«, lautet ein Auszug aus dem Kettentext. »Die Zivilcourage beginnt ganz klein und kann zu heroischen Akten führen«, schrieben Baur und Coueignoux in ihrer Erläuterung. »Das eine greift in das andere und verwebt sich zu einem neuen Horizont.«

Am 1. September, dem Antikriegstag, wird das Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz eingeweiht. Es wird auf dem Appellhofplatz stehen, unmittelbar neben dem Kölner Gericht, in dem die meisten Todesurteile gefällt wurden, und in direkter Nachbarschaft zum El-De-Haus. Nach der Einweihung, bei der unter anderem die Kölner Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes und der Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann sprechen werden, gibt es ein »Bürgerfest mit Musik, Texten und Kölsch«. Der Kreis derjenigen, die dazu einladen, ist ungewöhnlich groß; er erstreckt sich von der DKP über die Ratsfraktion der SPD und kirchliche Gruppen bis zum FDP-Kreisverband. Die Christdemokraten fehlen allerdings. »Es ist halt Kommunalwahlkampf«, sagt Malle Bensch-Humbach dazu. »Offenbar glaubt man bei der CDU, mit einem offenen Bekenntnis zum Denkmal Wähler zu verprellen.«