Die Hamas und der Holocaust

Hamas gegen Holocaust

Die Befürchtung, dass in den Schulen des Gaza-Streifens künftig der Holocaust erwähnt werden könnte, treibt die Hamas zu Protesten.

Das Entsetzen war so groß, dass so ziemlich jeder, der bei der Hamas Rang und Namen hat, sich äußern wollte. Ende August waren Pläne der UNRWA, der UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge, bekannt geworden, die 200 000 Kinder in den 600 Schulen im Gaza-Streifen erstmals über den Holocaust zu informieren. Dies sei »gegen unsere Kultur, unsere Prinzipien, unsere Traditionen und Werte, unser Erbe und unsere Religion«, fasste Jamila al-Shanti nach einem Abgeordnetentreffen die Ansicht der islamistischen Parlamentarier zusammen. »Wir weigern uns, unsere Kinder diese von den Zionisten erfundene Lüge studieren zu lassen«, schrieb das Volkskomitee für Flüchtlinge der Hamas. Der Geistliche Yunis al-Astal meint, die »Vermarktung dieser Lüge« in den Schulen Gazas sei ein »Kriegsverbrechen«.
Seit nunmehr fast 60 Jahren unterrichtet die UNRWA mit dem Mandat der »internationalen Gemeinschaft« palästinensische Kinder und verschweigt dabei konsequent den Holocaust. In den Angaben des Gaza Field Office über die künftige »Menschenrechtsbildung« wird nun der Holocaust zum »historischen Kontext« gezählt, der zur Deklaration der Menschenrechte führte. Dieses Stichwort genügte, um die Jihadisten aufzuschrecken, obwohl von dem historischen Kontext, der den Holocaust mit der Gründung des Staates Israel verbindet, nicht die Rede ist.

Ob die palästinensischen Kinder nun wenigstens einige elementare historische Fakten erfahren werden, bleibt fraglich. Die Generalbauftragte Karen Abu Zayd sagte dem Simon-Wiesenthal-Center zufolge, der Holocaust sei »kein Menschenrechtsthema«. Die UNRWA dementierte diese Aussage, bestätigte sie jedoch indirekt: »Wir lehnen die Politisierung des Holocaust ab«, heißt es in der am Freitag voriger Woche veröffentlichten Erklärung. Man werde weiterhin ein »positives Curriculum« der »Menschenrechtswerte« lehren.
Unter »Politisierung« versteht man offenbar alles, was auch nur als Andeutung verstanden werden könnte, die Entstehung des israelischen Staates habe etwas mit Antisemitismus und Judenverfolgung zu tun. Ohnehin ist die Frage, wie die »hingebungsvollen und respektierten Lehrer«, in deren Gewerkschaftsvorstand alle elf Sitze von Mitgliedern des Islamischen Blocks der Hamas eingenommen werden, mit unbequemen Richtlinien der UNRWA umgehen werden.

Dass die UNRWA einen Service bietet, der über die notdürftige Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten hinausgeht, wäre an sich vorbildlich für die Flüchtlingspolitik. Doch hat diese Organisation maßgeblich dazu beigetragen, den Flüchtlingsstatus der Palästinenser zu verewigen. 860 000 Flüchtlinge wurden nach dem Krieg des Jahres 1948 anerkannt, derzeit sind es 4,6 Millionen. Denn der Flüchtlingsstatus ist erblich, allerdings nur patrilinear. So kann ein Palästinenser, der eine nichtpalästinensische Frau heiratet, die Nation vergrößern, wenn eine Palästinenserin einen Nichtpalästinenser heiratet, verlieren die Kinder den Flüchtlingsstatus.
Gemeinsam mit den arabischen Staaten und palästinensischen Gruppen konserviert die UNRWA so das Patriarchat, vor allem aber das »Flüchtlingsproblem«. Die meisten Flüchtlingslager in den palästinensischen Gebieten, in Syrien und dem Libanon sind von den ärmeren Vierteln arabischer Großstädte nicht zu unterscheiden. Ihren Bewohnern jedoch wird jegliche Integrationschance verwehrt, weil sie ein Druckmittel gegen Israel darstellen. Das Bemühen um »community support« bedeutet in der Praxis, in den Schulen nichts zu lehren, was den Antisemitismus und Militarismus in Frage stellen könnte, der die ideologische Existenzgrundlage der Hamas, aber auch vieler nationalistischer Gruppen ist.
Da möchte man fast empfehlen, der UNRWA das palästinensische Bildungssystem zu entziehen. Doch in den neuen Schulbüchern der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas’ wird der Holocaust ebenfalls verschwiegen, und die besten Chancen, der nächste Generalsekretär der Une­sco zu werden, hat der ägyptische Erziehungsminister Farouk Hosni, der im Parlament versprach, er werde persönlich jedes israelische Buch verbrennen, das sich in einer ägyptischen Bibliothek finde.