Über die Wahlen in Gabu

High Noon in Gabun

Nach manipulierten Wahlen wird Ali Bongo anstelle seines verstorbenen Vaters Präsident. Die französische Regierung ist zufrieden, doch in Gabun wird protestiert.

Es war nicht fünf Minuten vor zwölf, sondern genau 11 Uhr 57. Um diese Zeit gab am Donnerstag der vergangenen Woche die Wahlkommission der afrikanischen Erdölrepublik Gabun das offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 30. August bekannt und erklärte Ali Bongo zum Sieger. Kurz darauf stiegen erste Rauchsäulen in den Himmel der Hauptstadt Libreville auf. Der Protest von Anhängern der Opposition schaffte sich gewaltsam Luft. Eine größere Anzahl von Autoreifen und auch einige Fahrzeuge gingen in Flammen auf.
Es folgten drei Tage heftigen Protests, bevor zu Anfang dieser Woche wieder eine prekäre und angespannte Ruhe einkehrte. Über die zweitgrößte Stadt des Landes, den Ölhafen Port-Gentil, war eine Ausgangssperre verhängt worden. Dort waren am Freitag auch zwei Tote bei der polizeilichen Niederschlagung der Rebellion zu beklagen. In großen Teilen der Stadt fanden intensive Plünderungen statt, aber es kam zu sehr gezielten Attacken. Auf das französische Konsulat etwa, das in Flammen aufging und zerstört wurde, sowie auf Gebäude und mindestens drei Tankstellen des französischen Erdölkonzerns Total.

Frankreich ist seit 50 Jahren die Hauptstütze des autokratischen Regimes in Gabun, Total ist eng mit der Diktatur liiert. Präsidentin der gabu­nischen Filiale des Konzerns ist niemand anders als Pascaline Bongo, Tochter und Finanzexpertin von Omar Bongo. Er hatte seit 1967 und bis zu seinem Tod am 8. Juni dieses Jahres ununterbrochen über das Land geherrscht.
Die an Bodenschätzen reiche und bevölkerungsarme afrikanische Republik hat für Frankreich als »Kronjuwel« ihrer neokolonialen Einflusszone schon immer eine zentrale Rolle gespielt. Ein Teil der Extraprofite, die etwa Total dort einstreicht, unter anderem, weil die Mengen des geförderten Rohöls zu niedrig angegeben und berechnet werden, landet in den Kassen der Familie Bongo. Die Bongos sind offizielle Eigentümer einer Bank, die in Wirklichkeit von Total kontrolliert wird. Es ist ein Arrangement zum beiderseitigen Vorteil. Ein Teil des Profits fließt nach Frankreich zurück an Politiker. Den größeren Parteien liegt die Autokratie am Herzen, denn mit Ausnahme der KP und der Grünen erhielten sie in der Vergangenheit aus Gabun Finanzhilfe.
Es lag also nahe, nach dem Tod des Vaters bei den Wahlen dafür zu sorgen, dass alles so weitergehen kann wie bisher. Vier Tage lang hatte es gedauert, bis die offiziellen Ergebnisse publik wurden, obwohl Gabun nur 1,2 Millionen Einwohner zählt, von denen amtlichen Angaben zufolge 44 Prozent wählten. Dass sich von diesen tatsächlich 41,7 Prozent der Wähler für Omars Sohn Ali Bongo entschieden, glaubt kaum jemand. Eine »Farce, aufgezwungen von Polizeiknüppeln« nannte der Oppositionssprecher Jean Eyeghe Ndong die Wahl.

Ali Bongo, bislang Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber der Armee, gilt stärker noch als sein Vater Omar als Marionette Frankreichs. »Ihr Land hat uns diesen Präsidenten aufgezwungen«, zitiert ein Sonderberichterstatter der Pariser Abendzeitung Le Monde die Stimmung auf den Straßen Librevilles. Seine gesamte Ausbildung hat Ali Bongo, der seine Karriere ohne Interesse für die Politik begann, in Frankreich absolviert. Doch er sei »Afrikaner in der Seele«, beteuerte Ende vergangener Woche einer seiner Berater treuherzig gegenüber Le Monde.
Aber Gabun ist nicht das einzige afrikanische Land, in dem in jüngster Zeit Wahlen manipuliert wurden. Höchstwahrscheinlich hätte Ali Bongo eine freie Wahl verloren. Sicher ist dies im Fall Denis Sassou-Ngessou, des Präsidenten des ebenfalls Erdöl fördernden Nachbarlands Kongo-Brazzaville. Sassou-Ngessou ist der frühere Schwiegervater des verstorbenen Omar Bongo, mit dem er seine Tochter Edith vermählt hatte, wie früher europäische Monarchen ihre Kinder untereinander verheirateten.
Der 66jährige Sassou-Ngessou hatte sich 1997 auf äußerst blutige Weise an die Macht geputscht. Bereits vor den Wahlen am 12. Juli waren die Manipulationen so offensichtlich, dass Miguel Amado, der Repräsentant der EU-Kommission in dem zentralafrikanischen Staat, gar nicht erst Wahlbeobachter entsenden mochte. Etwa 40 Prozent der Stimmkarten seien an nicht existierende »Geisterwähler« vergeben worden, dienten also Anhängern oder Funktionären des Regimes da­zu, mehrfach abzustimmen. Amados Äußerungen wurden von einer Kommission französischer Honoratioren, die ihrerseits vor Ort eilte und den Wahlen einen korrekten Ablauf bescheinigte, als »parteiisch« angegriffen. Zu den prominentesten Mitgliedern dieser Reisegruppe zählten der ehemalige Justizminister Jacques Toubon sowie Jean-François Mancel, ein abgehalfterter Politiker der französischen Konservativen.
Noch immer scheint Frankreich sich nicht von den befreundeten Regimes in seiner postkolonialen Einflusszone lösen zu können oder zu wollen. Barack Obama hingegen wählte einen symbolischen Ort, als er am 11. Juli seine erste Rede als Präsident der USA auf afrikanischem Boden hielt. Er reiste nach Ghana, wo ein halbes Jahr zuvor von in- und ausländischen Beobachtern anerkannte freie Wahlen stattgefunden hatten. Der Kandidat der Regierungspartei, Nanu Akufo-Addo, unterlag mit 49,8 Prozent sehr knapp dem Oppositionspolitiker John Atta-Mills, und die regierende New Patriotic Party überließ dem Wahlsieger widerstandslos das Präsidentenbüro.

Obama verwies in seiner Rede auf das positive Beispiel Ghanas und forderte die Regierungen der afrikanischen Länder dazu auf, sich stärker um die Einhaltung demokratischer Regeln und um good governance zu bemühen. Der Westen, respektive der Norden, habe zwar Afrikas Bewohner kolonisiert und versklavt, aber viele ihrer Probleme seien dennoch hausgemacht, und es seien Afrikaner, die etwa für den Einsatz von Kindersoldaten direkt verantwortlich seien. Obama erhielt Applaus. Während des Kalten Krieges hatten auch die USA Diktaturen unterstützt, seitdem keine Notwendigkeit mehr besteht, gegen tatsächliche oder vermeintliche Kommunisten vorzugehen, wünscht man effizientere Verwalter als die extrem korrupten neokolonialen Regierungen.
Doch lassen sich nicht alle Probleme in afrikanischen Staaten mit Wahlen und good governance lösen. Eric, ein burundischer Jurastudent und Menschenrechtsaktivist, sagt gegenüber der Jungle World: »Langsam beginnt man sich in unserem Land an die Abhaltung von Wahlen zu gewöhnen. Das bedeutet auch, dass die Leute die Vorstellung verinnerlicht haben, dass auch am Tag nach den Wahlen der Bauer immer noch Bauer, und der Student noch immer Student ist.«
Dass die Mehrheit arm bleibt, während sich eine Minderheit bereichert, kommt auch in Demokratien vor. Eine politisches System, in dem mit der Abhaltung von Wahlen keine »überzogenen« Erwartungen auf gesellschaftliche Veränderung verbunden werden, wäre dann auch in der Lage, die wichtigsten Spielregeln der bürgerlichen Demokratie einzuhalten. Dies gilt zunehmend auch für afrikanische Länder. Im Falle Gabuns hingegen scheint die Zeit dafür noch nicht gekommen. Vielleicht wegen des Ölreichtums, der die Oligarchie von der Bevölkerung weitgehend unabhängig macht und die Herrschenden in der ständigen Angst leben lässt, jedes Zugeständnis werde nur weitere Forderungen nach sich ziehen.