Über den Verkauf von Opel

Wen erwischt die Motorsäge?

Mein Werk, dein Werk – in der Überakkumulationskrise kennt der Gewerkschafter nur noch einen »Standort«: den eigenen.

Nichts charakterisiert das heutige Gewerkschaftertum besser als das jüngste Gebaren der IG-Metall-Führung, die sich dazu gratulierte, General Motors (GM) zum Verkauf von Opel an das Investorenkonsortium um Magna gedrängt zu haben. Der Frankfurter Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft, Armin Schild, setzte sogleich ungerührt hinzu, der neue Mehrheitseigentümer werde nun zweifellos »sofort die Motorsäge« rausholen. Seit dem Ende des klassischen Reformismus, der wenigstens noch Verbesserungen unter der Fuchtel des Kapitals versprach, nimmt niemand Anstoß daran, wenn sich die Gewerkschaft der erfolgreichen Veranstaltung eines kleinen Kettensägenmassakers rühmt. Ein größeres verhindert zu haben, genügt.
Angesichts der weltweiten Überkapazitäten in der Automobilindustrie lautet die Frage tatsächlich nur noch, wo die Motorsäge in welchem Ausmaß zum Einsatz kommen wird – eine Überwindung der Branchenkrise ohne Werksschließungen und Massenentlassungen ist schlechterdings ausgeschlossen. In diesem Verdrängungswettbewerb hat sich die IG Metall für einen nationalen Pakt mit der Bundesregierung entschieden, um die europäischen GM-Standorte vom amerikanischen Mutterkonzern abzutrennen, wobei der Gewerkschaft die Aufgabe zufiel, die Lohnabhängigen auf ihre Rolle als Fußtruppen im heraufziehenden globalen Wirtschaftskrieg einzuschwören. Als die Konzernzentrale in den USA den Verkauf verzögerte und die Presse mit Schlagzeilen wie »Detroit führt die Bundesregierung vor« (FAZ) Vorkriegsstimmung verbreitete, kündigte die Gewerkschaftsführung Proteste der Arbeiter von Opel am Brandenburger Tor und vor der amerikanischen Botschaft an und ließ auch sonst keine Gelegenheit zur Verbreitung antiamerikanischer Ressentiments aus.
Mit dem Verkauf der europäischen GM-Werke werden die nationalistischen Konflikte noch an Dynamik gewinnen. Klaus Franz, in Personalunion Vorsitzender des deutschen wie des europäischen GM-Betriebsrates, kommt entsprechend ins Straucheln: Er kündigt nun zwar Widerstand gegen die geplante Schließung der Opel-Fabrik in Antwerpen an, hat aber wie die Bundesregierung nur deshalb dem Konsortium um Magna den Vorzug gegeben, weil dessen Sanierungspläne vorsehen, die vier deutschen Werke in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern zu erhalten. Dass die Motorsäge dann andernorts umso ausgiebiger zum Zuge kommen muss, liegt auf der Hand. Der Ton zwischen den betroffenen europäischen Regierungen verschärft sich bereits, und nichts spricht derzeit dafür, dass die Lohnabhängigen willens und in der Lage sind, dieser Nationalisierung grenzüberschreitende Solidarität entgegenzusetzen.
Voraussetzung dafür wäre eine Überzeugung, wie sie von der Bochumer Opel-Betriebsgruppe »Gegenwehr ohne Grenzen« vertreten wird. Die Wahl zwischen »Magna, RHJ oder doch GM« sei »scheißegal«: »Welcher Investor sich aus welchen Gründen bei Opel einkauft, kann uns gleichgültig sein, nicht jedoch, zu welchen Bedingungen wir weiter arbeiten sollen und wollen.« Dank der Kurzarbeit erlebten die Arbeiter zurzeit, »wie viel erträglicher eine Woche Arbeit ist, wenn an nur vier Tagen gearbeitet wird«. Nur eine Verbreitung dieser Perspektive auf die gestiegene Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit könnte verhindern, dass die derzeitige Überakkumulationskrise den proletarischen Nationalismus befördert.