München bewirbt sich für die Olympischen Winterspiele 2018

Blankoscheck für Olympia

München bewirbt sich um die Olympischen Winterspiele 2018. Die wichtigste Frage wurde dabei nicht einmal ansatzweise geklärt: Wie wird das Ereignis finanziert?

Für Ludwig Hartmann ist die Lage derzeit etwas kompliziert. Unten, auf kommunaler Ebene, haben die Grünen im Münchner Stadtrat der Bewerbung der bayerischen Landeshauptstadt um die Olympischen Winterspiele 2018 zugestimmt. Oben, auf Bundesebene, hat sich die grüne Parteivorsitzende Claudia Roth für die Spiele ausgesprochen und ins Kuratorium der Bewerbungsgesellschaft berufen lassen. Der frühere grüne Landesminister Michael Vesper betreibt inzwischen als Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Lobbyarbeit für die Spiele. Dann gibt es noch den sportpolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, Winfried Hermann, der sich noch nicht endgültig bezüglich einer Unterstützung festgelegt hat, und die Mitglieder des Münchner Stadtverbands, der als olympiaskeptisch gilt, aber einen endgültigen Beschluss bislang ebenfalls vermieden hat. Nur auf der bayerischen Landes- und Fraktionsebene haben sich die Grünen gegen die Münchner Spiele ausgesprochen, zumindest gegen deren jetziges Konzept. Hartmann, mit 31 Jahren der jüngste Abgeordnete der Grünen im Bayerischen Landtag, befürchtet negative ökologische und wirtschaftliche Effekte für die Region. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) wolle der Stadt die Spiele als sein »Abschiedsgeschenk« hinterlassen, sagt er ironisch.
Am 16. Oktober, einen Tag nach dem offiziellen Bewerbungsschluss für die Winterspiele 2018, soll die Kampagne für München mit einer so genannten Kick-Off-Veranstaltung erst richtig beginnen. Wie wenig die in Skandalen versackten Bewerbungen um die Sommerspiele von Berlin und Leipzig dem Einfluss der deutschen Leistungssportlobby geschadet haben, zeigte sich im Juli im Sportausschuss des Bundestages. Der Block der Olympiabefürworter von SPD, CDU/CSU und FDP stimmte für die Unterstützung der Münchner Winterspiele: Die Ausrichtung sei eine »nationale Aufgabe«, heißt es im Beschluss, staatliche Subventionen sollen gezahlt werden. Die Grünen sind dagegen gespalten, wie schon vor 20 Jahren bei der Berliner Bewerbung, die Linkspartei ist sich diesmal ebenfalls uneinig. Beide Parteien enthielten sich im Sportausschuss der Stimme.
Bis jetzt haben lediglich drei Städte ihre Bewerbung für 2018 angekündigt, neben München auch Annecy (Frankreich) und Pyeongchang. Die Südkoreaner gelten als leicht favorisiert, waren das aber auch schon bei ihrer Bewerbung für die Spiele 2014, wo sie dennoch dem russischen Bewerber Sotschi unterlagen. Bislang haben die Münchner Olympiaplaner jedenfalls aus ihrer Sicht vieles richtig gemacht, um gegen Pyeongchang bestehen zu können. Dazu gehört auch, dass sie die Proteste des Naturschutzbundes und der Landesgrünen gegen das Standortkonzept ignoriert haben. Der jetzige Plan sieht München als Austragungsort der Eiswettbewerbe vor, in und um Garmisch-Partenkirchen sollen die Skiveranstaltungen über die Bühne gehen, Bob und Rodeln in Schönau bei Berchtesgaden. Weil in Garmisch noch keine Anlagen für die Nordischen Wettbewerbe und Biathlon stehen, wohl aber in Oberstdorf und Ruhpolding, hatten der Bund Naturschutz und die Landesgrünen den Verzicht auf die Neubauten zugunsten der vorhandenen Anlagen gefordert.
Die Olympiaplaner lehnten ab mit dem Verweis auf frühere Spiele, die wegen zahlreicher dezentraler Standorte in die Kritik geraten waren. Der Bund Naturschutz stieg daraufhin aus der Umweltkommission für die Spiele aus – ein Verlust, den die Olympiabefürworter bislang verschmerzen können, weil es ihnen gelungen ist, andere potenzielle Kritiker durch die Berufung in das Kuratorium der Bewerbungsgesellschaft zu integrieren. Neben Claudia Roth finden sich dort auch die Intendanten vom Bayerischen Rundfunk und dem ZDF, die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch (»Die Olympischen Spiele stehen für Toleranz und Völkerverständigung«), und DGB-Chef Michael Sommer (»Großereignisse wie die Olympischen Spiele motivieren ein Land auf ganz besondere Weise und geben neue Impulse für Wirtschaft und Arbeitsplätze.«)
Dass sich Roth und Sommer bereits zum jetzigen Zeitpunkt für die Werbekampagne einspannen lassen, bedeutet eine Art Blankoscheck für die Olympiaplaner. Die wichtigste Frage der Spiele, die Finanzierung, wurde bislang nicht einmal ansatzweise geklärt. Bei den meisten Olympiastädten der vergangenen Jahre haben die Kosten den eingeplanten Etat oft in Milliardenhöhe übertroffen und mussten von der öffentlichen Hand getragen werden. In München gibt es dagegen bislang nicht einmal einen Finanzplan, den man anschließend überschreiten könnte.
Bereits der Etat für die Bewerbungsgesellschaft zeigt erhebliche Deckungslücken. Bis zum Juli 2011, wenn das IOC über die Vergabe der Spiele entscheidet, soll die Gesellschaft 30 Millionen Euro ausgeben dürfen. Deren mittlerweile ausgeschiedener Geschäftsführer Wilfrid Spronk hatte 2008 zwar angekündigt, dies mit privaten Sponsoren finanzieren zu wollen, gefunden wurde aber bislang nur einer: die BMW AG, die drei bis fünf Millionen Euro zuschießen will. Weitere Förderer sind die Flughafengesellschaft München, die Münchner Stadtwerke und die Messegesellschaft. Da sich alle drei aber in öffentlicher Hand befinden, handelt es sich bei den Zahlungen um eine indirekte Subventionierung aus öffentlichen Geldern. Die Flughafen­gesellschaft etwa schießt jährlich eine Million Euro zu.
Olympiakritiker verweisen auf andere sportliche Großveranstaltungen in Bayern, die ökonomisch kein Erfolg waren. Oberstdorf ist heute nahezu pleite – nicht nur, aber auch wegen der Nordischen Ski-WM 2005, für die man sich eine 23 Millionen Euro teure Anlage samt Stadion leistete. Der erhoffte Touristenboom blieb aus, zeitweise sanken die Übernachtungszahlen sogar. Auch in Garmisch steht die Gemeinde bereits jetzt vor großen Problemen. Insgesamt 60 Millionen Euro wurden in den vergangenen Jahren in den Wintersport gesteckt, unter anderem für die Renovierung der Skisprunganlage und die Ausrichtung der Ski-WM 2011. Garmisch ist mit rund 40 Millionen Euro verschuldet, Immobilien in Wert von 20 Millionen Euro mussten verkauft werden. Für Olympia 2018 sind weitere Investitionen notwendig. Die örtliche SPD-Fraktionsvorsitzende, Sigrid Meierhofer, kritisiert, dass notwendige Investitionen in den Sommertourismus, Schulen oder den Breitensport deshalb unterbleiben. Als Garmisch über die Olympia-Bewerbung entschied, stimmte sie dennoch mit Ja – der Druck im Gemeinderat sei einfach zu stark gewesen: »Die Stimmung war: Wer nicht für die Olympischen Spiele ist, macht den Ort kaputt.«
So müssen die bayerischen Olympiagegner am 2. Oktober, wenn das IOC über die Vergabe der Sommerspiele 2016 entscheidet, darauf hoffen, dass der frühere IOC-Präsident und Franco-Unterstützer Juan Antonio Samaranch erfolgreich hinter den Kulissen gearbeitet hat. Sollte sich das von ihm unterstützte Madrid gegen die Mitbewerber Chicago, Rio de Janeiro und Tokio durchsetzen, dürfte die Münchner Bewerbung für 2018 Makulatur sein. Nach London (Sommer 2012) und Sotschi wäre Madrid der dritte europäische Veranstalter in Folge – eine vierte erfolgreiche Bewerbung vom selben Kontinent gilt angesichts des IOC-Proporzes als nahezu unmöglich.