In Limassol sonnt sich die Bundeswehr

Keine Kreuzfahrt mit der Zobel

Zypern ist eine der am stärksten militarisierten Regionen der Welt. Mittlerweile sind auch Soldaten der Bundeswehr auf Zypern stationiert, die von hier aus am Unifil-Einsatz vor der libanesischen Küste teilnehmen. Die Jungle World versuchte ­einen Truppenbesuch.

Flottillenadmiral Jürgen Mannhardt wünscht mehr Aufmerksamkeit. »Wie bei allen Einsätzen der Bundeswehr wird den Soldaten auch hier vieles abverlangt«, sagt der Kommandeur der Maritime Task Force Unifil der Aktuell, dem PR-Organ der Bundeswehr. »Von daher meine ich, dass auch diesem ersten maritimen Einsatz der UN durch die Öffentlichkeit mehr Beachtung geschenkt werden sollte.« Als sich endlich jemand für die deutschen Marinesoldaten interessiert, die in Zypern stationiert sind und von hier aus mit ihren Schiffen vor der libanesischen Küste hin- und herfahren, war dies nur die Jungle World.
Für die Zypern-Ausgabe hatten wir vor, den im Hafen von Limassol lagernden Bundeswehrsoldaten einen Besuch abzustatten, um ihre Aufgabe, Waffenlieferungen an die Hizbollah zu unterbinden, umfassend zu würdigen. Wir riefen also bei der Pressestelle der Marine in Potsdam an, und erst klang es so, als sei das einzige Hindernis für einen Besuch der Jungle World an Bord irgendeines dieser nach Tieren benannten Schiffe eine Genehmigung vom Bundesverteidigungsministerium. Doch diese wurde nicht erteilt.

Die erste Begründung hierfür, die uns ein freundlicher Soldat der Potsdamer Pressestelle gab, lautete, dass die UN die Zuständigkeit für die Akkreditierung von Journalisten auf Unifil-Schiffen beanspruche, denn irgendwann hätten »israelische Journalisten« versucht, sich »einzuschleichen«. Und gab mit dieser interessanten Begründung schon einen Hinweis, wie es um die Beziehungen zwischen Israel und der Unifil steht.
Eigentlich soll die Unifil Waffenlieferungen an die Hizbollah verhindern – auf dem Landweg wie auf dem Seeweg, für dessen Überwachung seit 2006 die deutsche Marine zuständig ist. Mit der Unterbindung des Waffenschmuggels ist die Unifil allerdings nicht besonders erfolgreich, und das ist sehr zurückhaltend formuliert. Als im September wieder einmal zwei Raketen aus dem Libanon in Israel einschlugen, berichtete eine libanesische Zeitung, die Unifil sei schon Tage zuvor über den drohenden Raketenangriff informiert gewesen, habe aber nicht adäquat reagiert.
Auf dem Forum »WaffenHQ.de«, auf dem sich Bundeswehrsoldaten und andere Waffennarren anonym meist über schlechte Ausrüstung und falsche Munition beklagen, sodass man sich schon fragt, wie es um die Online-Kompetenz des Militärischen Abschirmdienstes steht, schreibt ein Nutzer, der offenbar im Range eines Leutnants steht: »Waffenschmuggel verhindern? Dass ich nicht lache. Waffen schmuggelt einzig und alleine der Iran in den Libanon, und das bekanntlich über Syrien, ergo über den Landweg! Was soll also ein Einsatzverband im Mittelmeer?«
Dass die Waffen der Hizbollah nicht über das Meer kommen, weiß eigentlich jeder, und deshalb ist es kaum verwunderlich, dass die Pressestelle der deutschen Marinekräfte lieber einen anderen Aspekt des Mandats betont: die Ausbildung der libanesischen Armee. »Das mag jetzt manchen überraschen, der Deutschland vorschnell immer nur an der Seite Israels sieht«, heißt es dazu etwa auf einem Blog deutscher Marinesoldaten, fast so, als sei die Ausbildung der libanesischen Armee der legitime Part des Einsatzes – und nicht der Schutz Israels.
Als die Jungle World nun versuchte, sich bei der übergeordneten Unifil-Pressestelle zu akkreditieren, um deutsche Marinesoldaten bei ihrem Einsatz zu begleiten, hieß es seitens der Unifil, dass wir auch eine Akkreditierung des Libanon bräuchten, denn auf Pa­trouille kreuze man in libanesischem Hoheitsgewässer. Die Unifil sei schließlich »nur auf Einladung des Libanon im Land«. Damit hatte die Pressestelle nun das Grundproblem des Unifil-Einsatzes angesprochen, das ein mutmaßlicher Bundeswehrleutnant im Forum »Waffen-HQ« so formuliert: »Man wird sich seitens der Uno (Bundeswehr mit eingeschlossen) nicht trauen, die Samthandschuhe auszuziehen, wenn es erforderlich wäre. Um eine Konfliktpartei nicht zu verprellen, wird man schön Fünf gerade sein lassen. Man wird begrenzt kalkuliertes Risiko eingehen, weil man seitens der Uno sehr genau weiß, dass man im Prinzip am kürzeren Hebel sitzt. Das ganze Mandat ist letztlich eine Farce.«

Als wir nun erste Schritte zur Akkreditierung bei der Unifil und dem Libanon einleiteten, um uns ein differenzierteres Bild der Motivation von Bundeswehrsoldaten im Unifil-Einsatz zu machen, als die Foren vermitteln, teilte uns der Herr aus dem Potsdamer Marine-Pressestelle schließlich hinter vorgehaltener Hand mit, die Genehmigung des Verteidigungsministeriums sei nicht erteilt worden, weil die politische Ausrichtung unserer Zeitung missfalle. Für dieses Verdienst in Sachen Ehrlichkeit und Transparenz hätte der Soldat wohl zumindest den selten verliehenen Orden »Staatsbürger in Uniform« verdient. Als wir in Zypern spontan am Hafen in Limassol aufkreuzten, um zumindest aus der Ferne einen Blick auf das Lager des Einsatzkontingents zu werfen, konnten wir uns aber vergewissern: Der demokratische Wandel in der Bundeswehr hält sich in Grenzen. Die an Ort und Stelle angetroffenen Soldaten verhielten sich so zackig wie eh und je, und noch nicht mal eine kleine Hafenbesichtung wollte man uns gönnen.
Und dafür hat das deutsche Unifil-Kontingent ja auch gute Gründe. Wenn man ein wenig in den Foren surft, in denen sich Bundeswehrsoldaten austauschen, dann weiß man, warum es besser ist, wenn sich kein kritischer Journalist ins Notizbuch schreibt, was deutsche Soldaten so denken. »In Geschichte hab ich zwar ab und zu mal geschlafen«, schreibt etwa ein Foren-Nutzer über den Unifil-Einsatz, »aber die Gegend da unten war eigentlich noch nie deutsch oder gefährdet die Sicherheit und Souveränität Deutschlands. Wir haben da gar nichts zu suchen!«
Vor allem aber ist der deutschen Unifil-Marine keine mediale Aufmerksamkeit zu wünschen, denn sonst läge wohl nichts näher als Schlagzeilen über Müßiggang auf Staatskosten, den wir den Soldaten natürlich gerne gönnen. Der Forennutzer »v. Manstein«, der offenbar den NS-Kriegsverbrecher Erich von Manstein verehrt, gibt vielleicht recht realistisch an, was den Bundeswehr­soldaten im Unifil-Einsatz alles »abverlangt« wird: »Die einzige Gefahr für deutschen Soldaten sehe ich darin, dass mangels sinnvoller Beschäftigung und Abwechselung besoffene Matrosen rückwärts über die Reling fallen und ersaufen.«