Über rechtsextreme Gegenbewegungen zum französischen Front National

Für ein »weißes« Europa in Orange

Der Front National, Frankreichs rechtsex­treme Vorzeigepartei, steckt in der Krise. Nicht nur finanziell, sondern auch politisch. Das rechtsextreme Spektrum des Landes vertieft auf Tagungen seine Kontakte zu den rechtspopulistischen Parteien Europas. Der Front National fehlt dabei häufig auf den Gästelisten.

»Wir stehen der Lega Nord näher als dem Front National«, denn der staatsfixierte Nationalismus sei überholt und das weiße Europa müsse zusammen stehen. Diese Worte verkündete Fabrice Robert, Chef der französischen rechtsradikalen Aktivistenorganisation Bloc Identitaire, am Wochenende in Orange von der Rednertribüne. Dort löste er Richard Roudier ab, den Vorsitzenden des »Hilfskomitees für die europäischen Gefangenen«, das sich um die Betreuung von Häftlingen kümmert, die für rassistisch motivierte Straftaten einsitzen. Die Strömung der so genannten identitären Nationalisten (Les Identitaires) versammelte ihre Anhänger auf einem europaweiten »Konvent« in Orange – mit ausdrücklicher Rückendeckung aus dem Rathaus. In der südfranzösischen Stadt mit 30 000 Einwohnern regiert seit 1995 der rechtsextreme Bürgermeister Jacques Bompard. Er hatte schon im Gründungsjahr 1972 dem Front National (FN) angehört, den er jedoch vor vier Jahren verließ.

Die Identitären, deren wichtigste Organisation in Frankreich der Bloc Identitaire ist – der am Wochenende seine Umwandlung in eine politische Partei ankündigte –, bilden eine aktivistische Strömung im europäischen Neofaschismus. Im Zentrum ihrer Ideologie steht die »Überlegenheit der weißen Rasse«. An der Tagung in Orange nahmen 620 Aktivisten teil, als Redner traten dort auch rechtspopulistische Parteipolitiker aus dem europäischen Ausland auf, die in ihren jeweiligen Ländern über eine große Anhängerschaft verfügen. Andreas Mölzer, Europa-Parlamentarier der österreichischen FPÖ, und sein Abgeordnetenkollege Franck Vanhecke, früherer Parteichef des belgisch-flämischen Vlaams Belang, hatten ihren Auftritt. Ferner war die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) mit von der Partie, deren rechte Ränder reichen nah an das neonazistische Spektrum. Auf der Bühne in Orange vertrat sie Dominique Baettig, einer von zwei Abgeordneten der SVP für den eidgenössischen Kanton Jura. Er reiste jedoch schon vor Abschluss der Veranstaltung ab, mit der Begründung, es habe dort »zu viele verbale Ausrutscher und Provokationen gegeben«.
Aus den Reihen des Front National hatte man kurz vor der Tagung in Orange eine ideologische Gegenoffensive gestartet. Ende September gab der FN auf der ihm nahe stehenden Homepage Nations Presse Info bekannt, dass auch der Franzose Yves-Marie Laulan als Redner in Orange auftrete. Der Publizist Laulan ist für seine extrem einwanderungsfeindlichen Positionen bekannt, nimmt aber daneben auch radikal wirtschaftsliberale sowie – in der Außenpolitik – eher pro-amerikanische Positionen ein. Im Sechs-Tage-Krieg diente er freiwillig in der israelischen Armee. Der FN greift ihn deswegen an. Einige Tage zuvor wurde auf dieser Homepage auch die schweizerische SVP attackiert: Diese kämpfe zwar zu Recht gegen muslimische Einwanderung in ihrem Land. Aber sie vertrete auch die Positionen der »national-zionistischen Netzwerke in Europa« und betreibe keine »Opposition gegen den (wirtschaftlichen) Globalismus«.

Der französische Front National, Hauptpartei der extremen Rechten des Landes, steckt tief in der Krise: politisch, finanziell und strategisch. Aller Voraussicht nach wird sich der FN davon zumindest so lange nicht erholen können, bis die Nachfolgeregelung für den 81 Jahre alten Jean-Marie Le Pen an der Parteispitze definitiv gefunden und der Alte abgewickelt ist. Gleichzeitig machen Teile des rechtsextremen Spektrums in Frankreich sich offenkundig selbständig – und knüpfen intensive grenzübergreifende Kontakte auf europäischer Ebene. Vorgeworfen wird dem FN insbesondere, dass er »den Kampf gegen den Islam« und die muslimische Einwanderung längst aufgegeben habe. Tatsächlich konzentriert sich der harte Kern der Parteiführung derzeit eher auf die antiwestlich klingenden Akzente seines nationalistischen Diskurses, etwa gegen den »Atlantizismus«, die Unterordnung der Nationen unter die USA oder den Souveränitätsverlust durch die »Globalisierung«. Die früher, insbesondere in den achtziger Jahren, dominierenden »abendlän­disch«-postkolonialen Aspekte seiner Gesellschaftsvision werden im näheren Umfeld von Jean-Marie Le Pen heute eher vernachlässigt oder anderen Fraktionen überlassen. Der Hauptgrund dafür liegt wohl darin, dass Le Pen senior – weitaus stärker als seine Tochter Marine Le Pen – fest davon überzeugt ist, die pro-wirtschaftsliberalen und pro-amerikanischen Fraktionen der Rechten seien für ihn im Augenblick ohnehin verloren: Sie würden, bis weit an den rechten Rand, durch Nicolas Sarkozy angezogen.

Eine Gegenfront dazu wird von mehreren Seiten aufgebaut. Sowohl der Club de l’Horloge, ein Think-Tank der intellektuellen Rechten – der auf seiner »Jahresakademie« im vergangenen Dezember Vertreter von FPÖ, Vlaams Belang und Lega Nord zum Thema »Populismus als Lösung« referieren ließ, aber nicht den französischen FN einlud –, als auch die aktivistisch auftretenden Identitären ziehen derzeit diese Parteien der Nachbarländer gegenüber ihren Landsleuten um Jean-Marie Le Pen erkennbar vor. Auch die FN-Abspaltung Nouvelle Droite Républicaine (NDR) unter Jean-François Touzé – der noch im November 2007 gegen Le Pen um den Parteivorsitz des FN kandidierte – gehört in diesen Bereich. Sie tritt in außenpolitischen Fragen betont pro-amerikanisch und pro-israelisch auf, hält Kontakte zu Leitartiklern in konservativen Zeitungen, wirbt auf der ihr nahe stehenden Homepage Rebelles.info mit dem Emblem der Nato für sich und bezeichnet ihre Orientierung selbst als »occidentaliste« (Neologismus, etwa: abendländisch). Die NDR hält aber auch das Andenken an die glorreichen Kämpfer der französischen Kolonialarmeen hoch, feiert auf ihrer Homepage den chilenischen General Augusto Pinochet als Vorbild – und lobte die aktuellen Agitprop-Aktionen der Identitären, gegen die Beleuchtung des Pariser Eiffelturms in den Farben der türkischen Nationalflagge und gegen einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Die Redaktion ihrer Homepage nahm am Wochenende an der Tagung der Identitären in Orange teil. Diese wiederum verurteilten auf der Tribüne »Antisemitismus und Antizionismus«, was dem »okzidentalischen« Teil der Rechtsextremen entgegenkommt.