Berlin Beatet Bestes, Folge 22

Brauchst du was, kriegst du hier

Berlin Beatet Bestes. Folge 22. Bel Ami: Gece Berlin’de (1980).

Mit meinem Blog und mit dieser Kolumne versuche ich immer wieder, ein wenig Leben aus den Schallplatten herauszupressen, um den Aufnahmen wenigstens durch den Kontext eine Bedeutung für die Gegenwart abzugewinnen. Sobald die Musik erklingt, wird sie lebendig, aber an dem Material haftet die Zeit. Ohne neuen Zusammenhang bleibt es doch nur alter Schrott vom Trödel.
Wer kann sich zum Beispiel noch an die Band Bel Ami erinnern? Deren Single »Gece Berlin’de« postete ich vor einem Jahr auf meinem Blog. Peter Schimmelpfennig hat diese Platte produziert. Wie der Zufall es wollte, war Schimmelpfennig vorige Woche zu Gast in unserer Radiosendung »Berlin Beatet Bestes« auf Herbstradio 99,1. Seit September mache ich dort, zusammen mit einem Mann, der, wie ich, Andreas heißt, jeden Dienstag eine Sendung. Andreas macht den Blog »Ostberlin Beatet Besseres«. Den hoch gewachsenen 65jährigen trafen wir vor der Sendung in einer Kneipe. ­Sofort überbrückte er mit seiner Begeisterung für Musik den Altersunterschied zu uns. Ein kurzer Blick auf seine Lebensgeschichte machte ihn zu einem perfekten Gast in unserer Ost-meets-West-Berlin-Sendung.
Schimmelpfennigs herausragendste Leistung war die Vermarktung von DDR-Bands, wie den Puhdys und Karat, in Westdeutschland. Bereits Mitte der sechziger Jahre zog es den Hamburger nach Berlin, um für das schwedische Metronome-Label zu arbeiten. Als Rock-Fan und regelmäßiger Gast des Hamburger Star-Clubs lernte er dort das Pop-Geschäft kennen. So hatte Me­tronome zum Beispiel den Katalog des Atlantic-Labels im Programm, immerhin eines der wichtigsten Jazz- und Soul-Labels der fünfziger und sechziger Jahre. Später gründete Peter Schimmelpfennig seine eigene unabhängige Plattenfirma Pool. Seine bekannteste Entdeckung war der Trommeltänzer George Kranz (»Din Daa Daa«, 1983). Mit Freude entdeckte ich aber auch, dass er 1980 eine Single mit dem jüngst verstorbenen Horst Koch gemacht hatte. Überhaupt schien er mit der gesamten West- und Ostberliner Szene der siebziger und achtziger Jahre bekannt gewesen zu sein.
Als Andreas ihn darum bat, Lutz Walzberg, den Sänger der Band Bel Ami, anzurufen, erschien mir das zunächst aufdringlich. Aber Schimmelpfennig versicherte, er sei immer noch mit Walzberg befreundet, und Minuten später sprachen wir mit ihm über Bel Ami und West-Berlin in den Achtzigern. Auf meine Frage, warum sie auch eine türkische Version ihres Hits »Berlin bei Nacht« veröffentlicht haben, antwortete er, dass sie sich tatsächlich auch an die Türken in Berlin haben wenden wollen, um dann spontan den türkischen Text zu zitieren. Beeindruckend, nach fast 30 Jahren. Der deutsche Text hätte es auch getan:

»Hier ist immer was los, hier im Herzen der City/ Heroin und Koks, heiße Uhren und Gold/Wenn du Stricher brauchst, junge Knaben ohne Bauch, das alles kriegst du hier/Berlin bei Nacht/Berlin bei Nacht.«