Über strenge Vorschriften des DFB für kleine Vereine

Dorfvereine unerwünscht

Der DFB schreckt durch hohe und teure Auflagen Clubs vom Aufstieg in die Regionalliga ab.

Noch mal ein paar Wochen gerettet. Oder doch endgültig? Ende Oktober gab der Goslarer SC 08 Entwarnung. Nach intensiven Verhandlungen habe man mit Hilfe von Sponsoren die nötigen Mittel für den Ausbau des Osterfeldstadions zusammenbekommen, verkündete der zweite Vorsitzende Stephan Leutloff. Der Spielbetrieb kann damit vorerst weitergehen, ein wochenlanges Hin und Her könnte zu Ende gehen.
Begonnen hatte alles am 8. September, als der Stadtrat einen Zuschuss von 500 000 Euro für den Stadionbau in Frage stellte. Goslar kündigte daraufhin seinen Rückzug aus der Regionalliga Nord an, nahm aber wieder Abstand vom Rückzug, als der Verein Regressforderungen anderer Regionalclubs wegen entgangener Einnahmen aus nicht ausgetragenen Spielen befürchten musste. Mitte Oktober strich auch der Haupt­sponsor die zugesagten Mittel fürs Stadion. Währenddessen verlor die Mannschaft ein Spiel nach dem anderen, sie liegt derzeit abgeschlagen auf dem letzten Rang der Tabelle. Die mühsam erzielte Einigung der Goslarer hängt jetzt ein weiteres Mal am Stadtrat – noch immer fehlen 250 000 Euro zum Umbau. Die Mehrheit aus SPD und FDP hat jedoch für die Ratssitzung am 25. November ihre Zustimmung signalisiert.
Dabei liegt das eigentliche Problem des SC nicht im Osterfeldstadion, sondern rund 320 Kilometer entfernt in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise. Dort, in der DFB-Zentrale, wurden vor zwei Jahren die Auflagen für die neu geschaffene Dritte Liga und die darunter liegende Re­gionalliga erarbeitet, die seitdem neben Goslar einer ganzen Reihe von Vereinen vor allem aus kleineren Städten Probleme bereiten. In der Dritten Liga gehört zu den Auflagen etwa ein Stadion für 10 000 Besucher, in der Regionalliga werden Absperrungen zwischen den Zuschauerblöcken, Medienarbeitsplätze mit Internetanschluss und mindestens zwei festangestellte Mitarbeiter in der Geschäftsstelle verlangt. Sogar die Größe der Umkleidekabinen ist vorgeschrieben.
Auch wenn es der DFB nie explizit formuliert hat – die Auflagen für die neuen Ligen deuten darauf hin, dass man das Verschwinden von kleinen Vereinen zumindest billigend in Kauf genommen hat. Die ersten Spielzeiten sind auch ein Test, inwieweit sich der Fußballboom in den unteren Ligen fortsetzen lässt: Sind die Stadien voll, werden die Spiele für TV-Übertragungen und damit höhere Fernsehgelder attraktiver. Traditionsclubs wie Fortuna Düsseldorf oder Eintracht Braunschweig lassen sich da naturgemäß besser vermarkten als der SC Pfullendorf oder Kickers Emden.
Die Ostfriesen, Vorjahressechster in der Dritten Liga, gehören zu den Opfern der Stadionauflagen. Konnten sich die Emdener noch während der vergangenen Saison zeitweilig Hoffnungen auf den Aufstieg in die zweite Liga machen, stiegen sie am Ende freiwillig in die fünftklassige Oberliga Niedersachsen West ab. Der Verein veranschlagte für die Umbauten Kosten von neun Millionen Euro – Geld, das bei laufendem Spielbetrieb nicht aufzubringen war. In der Regionalliga Süd verzichteten Viktoria Aschaffenburg und der TSV Großbardorf auf eine Lizenz für die jetzige Saison, in der Regionalliga Süd der FSV Oggersheim. Und zahlreiche Oberligisten wollten erst gar nicht aufsteigen: In der Hessenliga verzichtete der Ligenerste, der SC Waldgirmes. In Hamburg winkten die ersten vier der Abschlusstabelle ab, als es um die Teilnahme an der Aufstiegsrunde ging. Der Tabellenfünfte, die zweite Mannschaft des FC St. Pauli, sprang ein. Aus der gesamten Bremenliga meldete überhaupt keine Mannschaft.
Der Goslarer SC weicht derzeit auf Geheiß des DFB in das Eintracht-Stadion in Braunschweig aus. Einen ähnlichen Weg wollte der SC Waldgirmes nicht beschreiten. Der Verein aus der Gemeinde Lahnau im Lahn-Dill-Kreis hätte zwar im benachbarten Wetzlar statt im heimischen Stadion spielen können, lehnte aber ab: »Was vor der Theke noch los ist, hätte man dort nicht«, so Vorstand Kai Köger. »Und unsere Gemeinde hat natürlich auch nicht die Mittel, um uns ein neues Stadion zu bauen.«
Die geforderten Umbauten haben eine Dreiteilung unter den Vereinen bewirkt: Für Dorfvereine, deren Gemeinden kaum Geld haben, um einen Stadionausbau vorzunehmen, ist die Regionalliga kaum zu finanzieren. In den Städten geraten die Clubs in Konflikt mit der Verwaltung, die ihnen zumindest einen Teil der Kosten abnehmen soll – lehnt diese ab, ist die Regionalliga oder Dritte Liga perdu und der eigene Anhang verärgert. »Es ist traurig und empörend, was hier passiert, seitens der Stadt Emden, hier ­einen Traditionsverein so hängen zu lassen. Aber unsere Ratsherren und drum herum geben lieber Geld aus für reiche Säcke, bauen und machen und genehmigen alles nur noch für die Reichen. Mit meiner Stimme brauchen die nicht mehr zu rechnen. Es lebe der BSV Kickers Emden«, heißt es etwa im Forum der Ostfriesen-Zeitung.
Daneben gibt es einige Vereine mit finanzkräftigen Sponsoren, die, gerade weil die dritte und vierte Liga finanziell unattraktiv sind, größere Summen in einen Aufstieg investiert haben. Schließlich die zweiten Mannschaften der Bundesligaclubs: In der Regionalliga West sind gleich acht von 18 Mannschaften Reserveteams, im Süden sieben, im Norden immerhin noch sechs – ein weiterer Grund für die Skepsis vieler Vereine gegenüber dem Abenteuer Regionalliga, senken sie doch wegen fehlender Anhänger den Zuschauerschnitt.
Beim DFB scheint man zumindest noch nicht bereit, Abstriche bei den umfangreichen Stadion­auflagen zu machen: »Wir sind überhaupt nicht unglücklich, dass Vereine, die sich sportlich qualifizieren, an der einen oder anderen Stelle nicht in die nächste Liga aufsteigen wollen. Das hat es immer gegeben und wird es immer geben«, sagte der zuständige Direktor, Helmut Sandrock, dem WDR-Magazin Sportinside.
Der FC Memmingen, derzeit Erster der Bayernliga, hat für die nächste Saison allerdings eine Kehrtwende angekündigt. In den vergangenen beiden Spielzeiten hatten die Allgäuer keinen Lizenzantrag für die Regionalliga Süd eingereicht und dies mit den DFB-Auflagen und den hohen Etats der Konkurrenz begründet, mit denen man nicht mithalten könne. Der Durchschnittsetat in der Regionalliga betrug in der vergangenen Saison 1,8 Millionen Euro, der höchste fünf Millionen. »Wenn Spieler und Funktionäre fünfstellige Monatsgehälter in Liga 4 beziehen und ein Verein wie der FC Memmingen mit seinen ehrenamtlichen Strukturen einen Wettbewerb mit diesen Vereinen suchen will, dann muss man erkennen, dass dies die Machbarkeitsgrenze des FCM übersteigt«, hieß es in einer Erklärung.
Armin Buchmann, Präsident der Memminger, begründet den Kurswechsel mit den nunmehr reduzierten Etats der Konkurrenz, räumt aber auch ein, sich angesichts von äußerem Druck auf das Wagnis Regionalliga einzulassen: »Wir haben geschaut, wo wir den größeren Schaden haben: wenn man als Amateurverein in einer Profiliga spielt, oder wenn man zum dritten Mal den Aufstieg verweigert.« Letztgenanntes würde die Sponsoren unruhig machen und sich auch auf die Motivation der Spieler auswirken. Im Stadion müssen jetzt noch Zaunanlagen neu eingezogen und sanitäre Anlagen errichtet werden. Es wäre der erste Aufstieg des FC Memmingen nach 37 Jahren in der Bayernliga.