Über den Sieg der »Minarett-Initiative« in der Schweiz

Das Bauverbot

In der Schweiz wurde der Bau von ­Minaretten per Volksentscheid verboten.

Eigentlich ging es bei der so genannten Minarett-Initiative um die Einführung einer Bauvorschrift in die Bundesverfassung. »Der Bau von Minaretten ist verboten«, formulierte kurz und prägnant der Verfassungszusatz, für den am Wochenende 57 Prozent der Schweizer Wählerinnen und Wähler in einem Volksentscheid stimmten. Ihnen ging es aber nicht um Traufhöhen und Städtebild. Denn die Initiatoren machten aus der Entscheidung über den Bau von höchstens einer Handvoll Türme an muslimischen Gebetshäusern einen Kulturkampf um die Rettung des von muslim­ischen Barbaren bedrohten christlichen Abendlandes. Minarette wurden dabei zu Symbolen einer vermeintlich voranschreitenden Islamisierung der Gesellschaft erklärt und zu Synonymen von gewaltbereitem Fundamentalismus, Sharia, Kopftuch, Zwangsehe und Genitalverstümmelung. Dass eine überwältigende Mehrheit der Muslime in der Schweiz säkular lebt und verschleierte Frauen von der arabischen Halbinsel vor allem in den Genfer Luxushotels und Juwelierläden anzutreffen sind, spielte in diesem Kontext keine Rolle. Genauso wenig wie das Grundrecht auf freie Religionsausübung, welches auch den Bau von Kultusräumen beinhaltet.
Das Ergebnis der Volksabstimmung kam unerwartet. Ein großer Teil der Medien und der politischen Parteien sowie auch der Kirchen hatte sich in den vergangenen Wochen gegen die Initiative ausgesprochen. Noch wenige Tage vor dem Volksentscheid galt für Meinungsforschungsinstitute dessen Ablehnung als sicher. Doch offenbar trauten sich die von ihnen befragten Bürgerinnen und Bürger nicht, ihre Meinung am Telefon ehrlich zu sagen. Bei der anonymen Stimmabgabe fielen die Hemmungen, und so konnte dem rassistischen Ressentiment freier Lauf gelassen werden, ohne sich rechtfertigen zu müssen.
Die Zustimmungsrate zur Initiative zeigt: Das von Rechtspopulisten propagierte Bild des »Kulturkampfs« ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ein Beispiel dafür ist die feministische Beststellerautorin Julia Onken, die öffentlich für die Volksinitiative warb. In einer E-Mail an mehrere tausend Frauen begründete sie ihre Zustimmung damit, Moscheen seien »Männerhäuser« und Minarette seien männliche »Machtsymbole«. Diese vulgärfeministische Rhetorik – die auch für Kirchtürme gelten könnte – zeigt, wie auch unter dem feministischen Label xenophobe Haltungen gegen »die Muslime« neue Legitimation bekommen.
Da verwundert es nicht, dass sogar klerikal-fundamentalistische Gruppierungen wie die Eidgenössisch-Demokratische Union das Banner der »Befreiung« muslimischer Frauen schwingen, wenn es um Minarette im eigenen Land geht.