Wo ist Mutti?

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Kann eine unverheiratete, kinderlose Frau Familienministerin werden? Ist sie mit 32 Jahren »dem Job gewachsen«? Das sind nur zwei von vielen idiotischen Fragen, die in der vorigen Woche in den Medien vergnüglich durchgekaut wurden. Ist sie nur aus Proporzgründen (Hessen!) nominiert worden? Lag es an ihrem Äußeren? Die neue Familienministerin Kristina Köhler musste noch größere Unverschämtheiten über sich ergehen lassen. Die Bild-Zeitung tat sich dabei besonders hervor. In einem Interview der Bild am Sonntag wurde sie mit despektierlichen Fragen belästigt wie: »Wer schneidet Ihre Haare?«, »Können Sie kochen?«, »Lieber Taschen oder Schuhe kaufen?« und sogar: »Von Ihrem zwölf Jahre älteren Bruder Stefan bekamen Sie als Kind den Spitznamen ›Hängebauchschweinchen‹. Nennt er Sie immer noch so?«
Damit nicht genug. Die Tatsache, dass Kristina Köhler twittert und ein Profil bei Facebook hat, ließ die Bild-Zeitung delirieren, Köhler sei die »Ministerin Web 2.0«. Am Montag machte Bild online mit einer eigentlich nur ironisch zu verstehenden Geschichte auf, in der es spöttisch hieß, Köhler sei »bekennende Internet-Nutzerin«. Auf Facebook »wollen plötzlich alle mit ihr befreundet sein«. Und weiter: »Bis zu ihrer sensationellen Nominierung als Minis­terin hatte Köhler ›etwa 600‹ so genannte ›Freunde‹ bei Facebook. Jetzt ist die Zahl sprunghaft angestiegen – auf 832.« Also nur gut 200 Freunde mehr. Dass das in Facebook-Relationen nicht besonders viel ist, dürfte auch die Bild-Zeitung wissen.
Wieso wird der Ministerin von der Bild, aber auch von anderen Medien derart viel Häme entgegengebracht? Die erste Frage des Bams-Interviews gibt die Antwort: »Ihre Vorgängerin im Amt, Ursula von der Leyen, ist siebenfache Mutter. Sie sind ledig und kinderlos. Was qualifiziert Sie als Familienministerin?« Die Qualifikation als Familienministerin besteht demnach darin, Familie zu haben, und zwar möglichst viel Familie. Dies zeigt, dass die Respektlosigkeit nicht nur der Person Köhler gilt, sondern auch grundsätzlich einem modernen Familienbild.