Der französische Komiker Dieudonné besuchte den Iran

Ein Komiker bei Ahmadinejad

Der Komiker Dieudonné wurde im Oktober von einem französischen Gericht wegen »antisemitisch motivierter Beleidigung« zu einer Geldstrafe verurteilt. Einen Monat später reiste er in den Iran, um Mahmoud Ahmadinejad zu treffen.

Der Provokateur hat’s schwör: Wer sich die Provokation einmal zum Hauptberuf erkoren hat und es damit ernst meint, muss immer neue Grenzen überschreiten und ständig andere Tabus brechen, um noch wahrgenommen zu werden. Auch um den Preis, entweder bisweilen offene Türen einzurennen und – lautstark, aber langweilig – gegen angebliche Tabus zu verstoßen, wo gar keine Tabus bestehen. Oder aber systematisch eine Haltung einzunehmen, die sich derart demons­trativ gegen einen gesellschaftlichen Konsens wendet, dass das Ganze in einer wahnhaft verzerrten Wirklichkeitswahrnehmung oder in Verschwörungstheorien endet.
Der frühere französische Komiker Dieudonné M’bala M’bala, der unter seinem Vor- und Künstlernamen bekannt ist, tritt seit einigen Jahren vor allem als Politaktivist in eigener Sache in Erscheinung. Jüngst versuchte er es mit einer neuen »Überraschung«: Ende November verkündete er auf einer Pressekonferenz, er habe kurz zuvor eine Reise nach Teheran unternommen und dabei persönlich den Präsidenten der Islamischen Republik Iran, Mahmoud Ahmadinejad, getroffen.

Das öffentliche Auftreten des ehemaligen Antirassisten Dieudonné wird von seinen rechtsextremen Beratern gelenkt. Zu ihnen zählt Alain Soral, der sich selbst als »früheren Marxisten« bezeichnet und von 2006 bis Anfang dieses Jahres dem Front National (FN) angehörte. Soral war tatsächlich vor 1993 eher links und stand der damals noch realsozialistisch geprägten KP nahe. Ähnlich wie Marc George, der ebenfalls ein enger Berater Dieudonnés ist und in den frühen neunziger Jahren zeitweilig dem FN angehörte, näherte Soral sich der Partei in einer Phase an, als bei der Wählerschaft der etablierten Linksparteien Enttäuschung vorherrschte. Es war das Ende der Ära von Präsident François Mitterrand. Aus Verbitterung über dessen Sozial- und Wirtschaftspolitik liefen viele Wähler zum FN über. So manche Intellektuelle waren verwirrt, als die rechtsextreme Partei Anfang 1991 zum damaligen Golfkrieg – in den Frankreich Truppen entsandte – plakatieren ließ: »Mitterrand, der Krieg. Le Pen, der Frieden.« Jean-Marie Le Pen hatte damals eine für breite Kreise überraschende Position eingenommen und für Saddam Hussein Partei ergriffen.
Alain Soral bot dem FN vor nunmehr etwa drei Jahren an, seine Bemühungen um die Erschließung neuer Wählerschichten strategisch auf eine dritte Gruppe auszudehnen: die französischen Staatsbürger migrantischer Herkunft. Die »Cheftochter« und zur Modernisierung der Partei angetretene Marine Le Pen, die ihren Vater vermutlich schon im kommenden Jahr als Vorsitzende beerben wird, begrüßte dieses Angebot zunächst. Sie glaubte, es handele sich um eine Strategie der »Entdiabolisierung«, die den FN in der Öffentlichkeit als weniger rassistisch erscheinen lassen würde.

Als sich herausstellte, dass Soral vor allem die ideologisch reaktionärsten oder rückständigsten der eingewanderten Franzosen durch krude Verschwörungstheorien und antisemitische Sprüche anzulocken versuchte, revidierte Marine Le Pen ihre Meinung. Seitdem stehen sich innerhalb des FN zwei Positionen gegenüber. Marine Le Pen setzt eher auf einen Philosemitismus und versucht, indem sie sich argumentativ auf den 11. September 2001 bezieht, einen Diskurs über den »Schock der Kulturen« und die Unvereinbarkeit des Islam mit dem Abendland zu führen. Die »rot-braunen« oder nationalrevolutionären Fraktionen der Partei hingegen versuchen, sich den Immigranten als »Freunde des Islam, dem eine Nichtvermischung der Kulturen nur gut tut«, anzubieten. Bislang übrigens mit nur sehr geringem Erfolg bei den Einwanderern.
Innerhalb des FN sind diese Fraktionen überwiegend marginalisiert, obwohl deren Vertreter weiterhin um ihre Plätze kämpfen. Bei den nächsten Regionalparlamentswahlen im März wird ein Verfechter dieser Linie, der Nationalbolschewist Christian Bouchet, die Liste des FN im Bezirk um Nantes anführen. Mehrheitlich ist die Partei diesen Freundschaftsbekundungen in Richtung Islam jedoch feindlich gesinnt, spätestens seit dem Schweizer Referendum sind in ihren Reihen andere Töne vorherrschend.
Aus der relativen Marginalisierung solcher Positionen bei einer Mehrheit des FN resultierte das eigenständige Antreten der »Antizionis­tischen Liste« bei der Wahl des Europa-Parlaments im Juni. Unter Dieudonnés Führung versammelten sich notorisch Rechtsextreme und Demagogen wie Soral, pro-iranische muslimische Fundamentalisten wie Yahia Gouasmi, Auschwitz-Leugnerinnen mit ehemals pseudo-linksradikalem Hintergrund wie Ginette Skandrani und Maria Poumier.

Dieudonné reiste nun zusammen mit Yahia Gouasmi in den Iran. Gouasmi, der ein schiitisches Sektenzentrum im nordfranzösischen Dunkerque leitet, hatte sich schon früher auf dem Azadi-Platz in Teheran am Rande eines Aufmarschs von Regimeanhängern filmen lassen.
Glaubt man dem, was Dieudonné auf der Pressekonferenz bei seiner Rückkehr Ende November zum Besten gab, so diskutierten die Herren mit Ahmadinejad »über verschiedene Themen, darunter den Zionismus«. Die Protestdemon­strationen im Iran bezeichnete Dieudonné als »zionistische Propaganda«. Er berichtete, die beiden Besucher hätten bei der französischen Botschaft in Teheran ersucht, zu der dort unter Hausarrest stehenden und zuvor von der iranischen Justiz inhaftierten Französin Clotilde Reiss vorgelassen zu werden, jedoch ohne Erfolg. Dieudonné behauptet, er habe die gegen sie erhobenen Spionagevorwürfe untersuchen wollen. Er fügte hinzu: »Wenn sie für den Zionismus arbeitet, dann hat sie ihren Platz in einem iranischen Gefängnis.«
Auf der Pressekonferenz, die Dieudonné in seinem eigenen Theater abhielt, präsentierte er dem anwesenden Publikum einen weiteren »Überraschungscoup«. Auf seiner Reise in den Iran will Dieudonné Geld erhalten haben, um zwei Filme zu drehen –- einen über die Sklaverei und einen über Frankreichs Kolonialkrieg in ­Algerien, »um den Schwarzen ein anderes Bild von der Geschichte zu vermitteln«. Dieudonné behauptete, es handele sich um stattliche Mittel, um »den kulturellen Kampf gegen den Zionismus zu führen«. Nähere Angaben über die konkrete Summe oder den Namen des Spenders verweigerte er jedoch. Viele Beobachter halten diese Angaben für Prahlerei.