Deutschland im Krieg. 100 Tage schwarz-gelbe Außenpolitik

Ade, guter Soldat

Deutschland führt selbstverständlich Krieg und belebt die transatlantische Freundschaft wieder. 100 Tage schwarz-gelbe Außenpolitik.

Der Start der neuen Bundesregierung ist holprig. Sie gerät in Bedrängnis, weil die FDP ihre auf Nutznießung erpichten Klienten überhastet bedienen will, aber noch mehr wegen der Verletzung eines ehernen Kriegsgesetzes: Die Propaganda darf nicht durch die Wahrheit in Mitleidenschaft gezogen werden!
Das Heimatbewusstsein lebte bisher gut mit dem Bild vom deutschen Soldaten als Freund und Helfer, lehnte den Einsatz in Afghanistan aber ab, weil ihm Land und Leute einerlei sind. Dann erfuhr es, dass deutsche Soldaten auf die »Vernichtung« von Taliban aus sind und dabei zivile Opfer in Kauf nehmen. Wieder reagierte es unaufgeregt, weil es das schon lange vermutete. Dass die Opposition dem Bewusstsein nun eine vor Empörung aufgelöste Pose im Stile des Ausdruckstanzes vorführt, ist ihr gutes Recht. Davon lebt die Demokratie.

Allerdings kommt Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nicht ohne Schrammen durch das Gestrüpp der Loyalitäten – gegenüber Soldaten, der Partei, dem Parlament, der Öffentlichkeit. »Besteht er die Prüfung, ist er für alle Ämter qualifiziert!« (FAZ) Auch für das Amt des Kanzlers. Er hat nämlich etwas, das anderen fehlt. Die Mischung aus Schloss-Romantik und jungmännisch-nassforschem Gebaren hat ihn so beliebt gemacht, dass die Truppe und Reinhold Beckmann für ihn durchs Feuer gehen und die Bevölkerung ihm nichts übel nimmt. Vielleicht muss er abdanken, vielleicht kommt er auch groß raus. Denn in Deutschland ist die Zeit des Bundeswehrverbandes angebrochen. Täglich verlangt mindestens ein Offizier Klarheit im Sinne der Gutten­berg’schen Kriegsdefinition. Warum soll Deutschen verwehrt sein, was die anderen haben: ein völkerrechtlich einwandfreies robustes Mandat, das bei vorbeugender Tötung Rechtssicherheit gibt?
Guttenberg, der das Massaker erst »angemessen« fand und dann nicht informiert worden sein wollte, hat wohl gelogen. Aber die größte Lüge ist die seit 2001 verbreitete Mär von der deutschen Entwicklungshilfe in Afghanistan. Obwohl genauso gut Albert Schweitzer das historische Verhältnis der Weißen zu Afrika versinnbildlichen könnte, findet der Glaube, dass Deutschland das Gute will, immer wieder Anhänger. Roger Willemsen zum Beispiel beklagte bei »Anne Will«, dass der Krieg seine Afghanistan-Hilfe behindert, aber Deutschland sei ja leider nur »Befehlsempfänger der USA«. Ein haarsträubendes Vorurteil! Deutsche Außenpolitik folgt nationalen Großmacht­interessen. Selbst wenn sie Gesamtinteressen dient, geschieht das nur, weil deutsches Kapital Nutzen aus weltweitem Wachstum zieht. Ihre Aufgabe besteht darin, dem eigenen Kapital gute Investitionsbedingungen zu verschaffen, ihm Märkte zu öffnen und seine Transportwege zu sichern, damit ihm so viel Wertmasse wie möglich aus der übrigen Welt zufließt. Das wollte Konrad Adenauer den verquasten Deutschen schon 1955 im Rundfunk beibringen: »Außenpolitik hat mit Barmherzigkeit und Mitleid gar nichts zu tun. (Sie) muss egoistisch sein, muss kalt sein, nur dann hat sie auch Bestand.« Ob sie diesem Anspruch heute gerecht wird und wohin sie steuert, soll anhand einiger Auffälligkeiten der vergangenen Wochen geklärt werden.

Auffallend ist zunächst einmal, dass der Verteidigungsminister die Außenpolitik definiert. Das liegt nicht an seinen Talenten, sondern an der steigenden Kriegsquote und der neuen transatlantischen Ausrichtung. Gerhard Schröders Achse »Paris-Berlin-Moskau«, die ein Gegengewicht zum US-Imperium und zu den asiatischen Mächten bilden sollte, ruht erst einmal. Anhänger des Antiamerikanismus mögen sich wehmütig daran erinnern, wie Schröder, Chirac und Putin in Kaliningrad einträchtig am letzten deutschen Befehlsstand verweilten. Sie dürfen sich damit trösten, dass die »strategische Partnerschaft« mit Russland nicht unter den Tisch fallen wird, solange Deutschland Russlands Maschinenlieferant ist und sein Gas von dort erhält.
Bei seinem Antrittsbesuch in Washington machte Guttenberg – er ist Mitglied der »Transatlantik-Brücke«, die Freunden der USA »eine Stimme geben will« – der außenpolitischen Lobby seine Aufwartung. Und wie er das tat! Er hüpfte wie der Entertainer eines drittklassigen Hotels in Las Vegas auf die Bühne und rief den Diplomaten und Generälen zu: »It’s great to be back!« Yeah! Die Wirtschaftspolitik habe ihn kurz abgelenkt, »doch jetzt bin ich von General Motors wieder zu Generälen und echten Motoren zurückgekehrt!« Er meint Panzer, wurde Älteren zugeraunt. Deutsche Kriege? »Was heute eine Ausnahmesituation ist, muss Selbstverständlichkeit werden.« Was soll der Abzug amerikanischer Nuklearwaffen aus Deutschland im Koalitionsvertrag? Ach, der Westerwelle! Einige Minister hätten »noch damit zu kämpfen, dass sie endlich an die Macht gekommen sind«. Da mussten die Generäle über den Praktikanten im Außenamt lachen. Keine Bange! Wenn Deutschland die Waffen entfernt, würde Polen sie stationieren, und das sei »kein Schritt, der Russland glücklicher machen würde«. So etwas kann der Praktikant noch nicht wissen.

Die pro-transatlantische Wendung ist die Reaktion auf geopolitische Verschiebungen. Die Krise werde die Welt »so stark verändern wie der Fall der Mauer«, sagt Wolfgang Schäuble, »die Gewichte zwischen Amerika, Asien und Europa verschieben sich dramatisch«. Die Wirtschaft sowohl Chinas als auch Indiens wächst um zehn Prozent, auch Brasilien steigt auf, exportiert neben Sojabohnen auch Flugzeuge und Autos (Deutschland sitzt in allen Schlüsselpositionen) und ist Gläubigerland – die Devisen übersteigen die Auslandsschulden. China verfügt sogar über 2,2 Billionen Dollar Währungsreserven, darunter 800 Milliarden in Schuldscheinen der USA. Der Besuch von Barack Obama in Peking glich einer Inthronisierung Chinas zur Weltmacht und der Proklamation einer multipolaren Welt. Die USA brauchen China als Käufer ihrer Staatsanleihen, und China braucht die USA als Markt für sein exportabhängiges Wirtschaftswunder.
Der Kapitalismus geriet in die Krise, weil »vor allem die Nachfrage der Unternehmen nach Investitionen kollabiert« war, sagt der Wirtschafts­nobelpreisträger Edmund S. Phelps (USA). Es handelt sich demnach um eine Krise der Profitabilität des Realkapitals. Schwellenländer, deren nach­holende Industrialisierung einen höheren Mehrwert abwirft, bewältigen die Krise robuster als die alten Wirtschaftsmächte, die ihren Mangel an Mehrwert mit Finanzschrott auffüllten. Zwei Jahrzehnte war es schick, die Finanzmärkte für nutzlose Kapitalimporte zu öffnen. Heute schotten sich immer mehr Staaten gegen die neue Liquiditätsschwemme ab. Malaysia friert Konten von Ausländern ein. Brasilien und Taiwan belegen Finanzanlagen mit Steuern, andere verbieten Ausländern das Parken von Termingeldern.
Neben dem hoch verschuldeten Japan, das jetzt die Auslandsgewinne japanischer Konzerne von Steuern befreit, wenn sie ins Land zurückfließen, zählt die EU zu den großen Verlierern. Ihre Ökonomie bricht um vier bis zehn Prozent ein, die Mitgliedsstaaten sind verschuldet. Nach den Banken müssen nun Staaten gerettet werden. Dass Dubai mit seinem modernen Turmbau zu Babel vor dem Konkurs steht, ist eine beunruhigende Kuriosität, die Bedrohung geht aber von EU-Staaten aus. Wann ist Griechenland pleite? Werden ­Irland, Spanien, Portugal und Italien folgen? Wie lange hält der Euro das aus? Während die USA fast ein Drittel der Weltwirtschaft repräsentieren, fällt die EU politisch in den Zustand der »Kleinstaaterei« zurück. »Wenn Deutschland heute den Griechen hilft, muss es morgen für Italien, Spanien oder andere zahlen. Bevor das passiert, sollte Griechenland den Euro-Raum verlassen.« (FAZ)
Wenn Frankreich sich um Russland bemüht, weil es beim »exklusiven deutsch-russischen Tandem« (Le Monde) nicht abseits stehen will, und Sarkozy – kaum war sein Landsmann Michel Barnier Binnen- und Finanzmarktkommissar – von einer »großen Niederlage für Großbritannien« und dem »Triumph französischer Ideen« prahlt, weiß man: So spricht kein Machtblock, sondern ein durch nationale Zentrifugalkräfte ausgefranstes Gebilde. Wenn also Asien mächtig wird, mit Europa nichts zu gewinnen ist, die USA und China sich zur Bewältigung der Krise einander annähern, kann es für Deutschland sinnvoll sein, sich den USA zuzuwenden, statt mit dem Euro baden zu gehen. Zumal gemeinsame Aufgaben zu bewältigen sind.

Zu den eher kleinen Gemeinschaftsaufgaben zählt die Bekämpfung der Piraterie. Der Kapitalismus schafft hier Wachstum, dort untergräbt er die Lebensquellen. Die Disparitäten ziehen außenpolitische Folgen nach sich. Gegen die Fluchtbewegung bietet die EU ihre Spezialarmee Frontex auf, die Flüchtlingsschiffe auf hoher See zur Rückkehr »bewegt« oder zum Untergang. Gegen Piraten kurven Fregatten unter europäischem und amerikanischem Oberbefehl am Horn von Afrika herum. Die Piraterie muss eingedämmt werden, weil sie die Reproduktion bedroht. Bei aller Virtualität wandern 500 Millionen Container voller Waren und große Mengen Erdöl und Ergas ständig über die Weltmeere.
Neu ist die staatliche Wegelagerei, die Deutschland nur insofern betrifft, als die verarmte Ukraine dann und wann die Gasleitung anzapft. Diese Sache wird bilateral gelöst. Die geplante Nord-Stream-Pipeline wird Gas aus Russland durch die Ostsee nach Deutschland pumpen und Deutschland zu einer zentralen Rolle bei der Versorgung Europas verhelfen. Beteiligt sind Gazprom, Eon und BASF, Vorsitzender des Aktionärsausschusses ist Gerhard Schröder. Durch diese Umgehungsstraße verlieren die Ukraine und Polen den Wegezoll, gleichzeitig wächst Polens Abhängigkeit von Russland (100 Prozent Energie) und Deutschland (wichtigster Handelspartner). Da mag Westerwelle Polen nicht auch noch Erika Steinbach (CDU) zumuten. Zum Zwecke der Diversifizierung sind die RWE an der »Nabucco«-Pipeline beteiligt, die eines Tages Erdgas aus dem Kaspischen Raum an Russland vorbei nach Westeuropa transportieren soll. Berater der RWE ist Joschka Fischer.

Außenpolitik muss nicht immer kalt sein, bisweilen genügt eine abgefeimte Diplomatie. Etwa in der Iran-Politik, in der Deutschland Dissonanzen mit den USA nicht scheut. Deutschland ist Hauptlieferant des Iran, u.a. mit Hightech-Material (statistisch liegen die Emirate vorn, aber das täuscht, weil sie Umschlagplatz für Boykottwaren aus aller Welt sind). Irans Präsident Mah­moud Ahmadinejad wird nicht empfangen, man rügt ihn sogar, sendet aber auch Signale der Freundschaft aus.
Folgendes begab sich in einem Zeitraum von zwei, drei Wochen: Zwei deutsche Frachter mit mehreren zehntausend Raketen, Granaten und Mörsergeschossen aus dem Iran für die Hizbollah und die Hamas werden von israelischen Fregatten aufgebracht. Die Unifil-Flotte, die unter der Führung eines deutschen Generals die Küste kontrollieren soll, hatte nichts bemerkt. Die FAZ schreibt: »Fragt sich nur, wie oft seit Beginn ihres Einsatzes 2006 sie die Augen schloss.« Irans Führer kündigt zehn neue Uran-Anreicherungsanlagen an und droht, falls man sie hindere, mit Raketen auf Tel Aviv. Westerwelle wirft Israel einen Bruch des Völkerrechts vor. Ruprecht Polenz (CDU) vom Auswärtigen Ausschuss fordert ihn auf, er solle bei der Kritik an Israel »keine falsche Zurückhaltung« üben, dazu warnt er Israel vor »politischem Selbstmord«. Der Kommandeur der Hamas-Brigaden, Abu Khaled, lädt zur Pressekonferenz und sagt: »In den letzten Wochen sind vielleicht zehn Raketen nach Israel geflogen, so viele haben wir früher in einer Stunde abgefeuert … Jeder Palästinenser, der uns einen israelischen Soldaten bringt, bekommt eine Million jordanische Dinar.« (Israels Selbstmord?) Rainer Brüderle erwähnt in China mit keinem Wort, dass dort Hunderttausende verschwinden, gefoltert und getötet werden. Die Frage lautet: Warum reißt die neue, eher transatlantischere Koalition in Israel die Klappe so weit auf, während sie in China den devoten Klinkenputzer spielt? Es muss nicht Möllemanns Schatten sein, manchmal entscheidet die Exportquote ­darüber, ob Präsidenten mit militärischen Ehren empfangen oder verhaftet werden.

Der gute Soldat kam den Deutschen abhanden, da setzen sie flugs auf die »Klima-Kanzlerin«. Die Moderatorin im Frühstückfernsehen schwärmt, sie habe »das Wohl der ganzen Welt« im Auge, Bild fragt: »Kann Merkel in drei Minuten die Welt retten?« Für Franz Josef Wagner ist sie sogar »der Friedensengel«. Der Witz: Merkel widersetzt sich stoisch solchen Projektionen. Sie lehnt »Vorleistungen« ab, weil »weder ein Land noch ein Kontinent das Klima retten kann«. Insoweit verspottet sie die pädagogische Tageslosung, nach der ein Einzelner mit Sparbirnen die Welt retten könnte. Aber ungeheuerlich ist der Begriff »Vorleistung«. Seit 1860 sind die Kohlendioxid-Emissionen der Industriestaaten um das 80fache auf 26,4 Milliarden Tonnen im Jahr gestiegen. Die Folgen haben Länder zu tragen, die zur Erderwärmung nichts beitrugen. Nach Sklaverei, Kolonialisierung und Rohstoffkriegen kommen jetzt Verwüstungen und Überschwemmungen auf sie zu. Deutschland ist bereit, bis 2012 für 76 Entwicklungsländer 1,2 Milliarden Euro bereitzustellen. Der ganze europäische Beitrag decke nicht die Kosten der Särge, sagt der Sprecher der Entwicklungsländer.
»Vorleistungen« sind Kosten, die nationale Produkte verteuern, während strenge Auflagen für alle den deutschen Technologie-Export anregen. Der Klimaschutz regelt sich allein nach Geschäfts- und Entwicklungsinteressen. Seit 15 Jahren werden Prozentsätze beliebig in die Welt gesetzt. Je weiter weg, desto größer die Summen: Ab 2020 werden mindestens 100 Milliarden eingesetzt. Die Währung ist egal, es handelt sich eh nur um Spielgeld. Ich darf sogar an der Börse Schadstoffe kaufen, um sie später an einen Fabrikanten, der mehr in die Luft blasen will, als er darf, mit Gewinn zu verkaufen. Der letzte Kurs für eine Tonne Dreck pegelte zwischen 13 und 14 Euro.
Solange in Deutschland auf 1 000 Einwohner 500 Autos kommen und in China 17, bleibt die Wirtschaftskrise der wirkungsvollste Klimaschutz. Zheng Guogang vom chinesischen Wetteramt sagt, dringlicher als die »Verhinderung des Klimawandels« sei die Anpassung an »die neuen Umstände«. In Shanghai werden Mauern hochgezogen, in Abu Dhabi entsteht mit »Masdar City« die erste emissionsfreie Stadt. Der Kapitalismus verhält sich gleichgültig gegenüber dem Leben und dem Produkt. Er stellt, wenn es sein muss, schwimmende Städte und Reihen-Kühlhäuser her. Was für die einen die nächste Moderne, ist für die anderen der Tod, denn die Klima-Moderne zeichnet sich in ihrer ersten Epoche durch hohe Investitionen zu Lasten des Weltkonsums aus. Wenn »das Meer Bangladesch schluckt«, sei das unerheblich, meint Kenneth Green vom American Enterprise Institute, denn »die Menschen dort haben ohnehin wenig«, man könne sie kostengünstig umsiedeln. 156 Millionen Menschen!? Das wird ohne Moses nicht funktionieren.

Die große transatlantische Gemeinschaftsaufgabe ist die Raumordnung in und um Afghanistan. Von Deutschland werden zwei Bataillone zusätzlich erwartet, eins für die Vernichtung von Taliban, eins zur Sicherung der Nachschubwege aus Usbekistan. Die Region ist heute instabiler als 2001. Pakistan hat die Kontrolle über seine Grenzen verloren, die Taliban standen vor einem Jahr 130 Kilometer vor Islamabad. Eine Schreckensvision tat sich auf: Die Atombombe in den Händen der Taliban, daneben die Atommacht Indien und der atomar rüstende Iran, im Norden die tadschikische Nordallianz und die usbekischen Warlords – im Hintergrund Russland und China! Bei einem Machtvakuum muss mit Stellvertreterkriegen von China bis zum Nahen Osten gerechnet werden. Bei der Vergabe des Friedensnobelpreises sagte der Laudator, nie sei der Aufstieg einer neuen Großmacht – China war gemeint – ohne großen Krieg verlaufen; er glaube, dass allein Obama ihn noch verhindern könne.
Obama legt das erste plausible Konzept vor: Mit Karzai ist kein Staat zu machen, deshalb wird der Krieg regionalisiert. Der Krieg kann nicht gewonnen werden, deshalb sollen die Taliban geschwächt werden, um eine bessere Verhandlungsposition gegenüber eben diesen Taliban zu erreichen. Im Bündnis mit Stammesfürsten und Warlords wird um jede Provinz gekämpft; und ihnen wird die Regionalgewalt übertragen – wie im Irak Kurden und sunnitischen Stämmen. Man wolle die Krieger durch die Anhebung des Solds auf Taliban-Niveau (das Doppelte) »ermuntern, die Seite zu wechseln«, sagt der britische Außenminister, und durch Exekutionen »die Kosten einer Taliban-Gefolgschaft erhöhen«. Man wird also das tun, was Oberst Klein getan hat. Die Großoffensive begann am 18. Dezember mit französischen Fremdenlegionären, die in das von Taliban beherrschte Usbin-Tal östlich von Kabul eindrangen.
Natürlich sollen Bauern wieder einmal etwas anderes anbauen als Mohn. Rosen wollte der Weltmarkt nicht, nun soll es Safran sein, was Spanien, das 80 Prozent des Paellagewürzes produziert, verdrießt. Als Lockangebot für neue Bündnispartner wird der Westen Frauen und Schulmädchen offiziell der Sharia aussetzen, so wie seit 100 Jahren in Saudi-Arabien. Deshalb sollen wir uns endlich von der Vorstellung verabschieden, dass »wir ein Afghanistan nach westlichem Vorbild schaffen« können (Guttenberg), und »kooperationswilligen Taliban die Rückkehr in die Gesellschaft anbieten« (Westerwelle). Für die Betroffenen ist das zum Verzweifeln, aber Außenpolitik hat mit Barmherzigkeit nichts zu tun, sie muss kalt sein, nur dann hat sie auch Bestand.