Immer wieder Steinbach. Revisionismus revisited

Deutschlandhaus noch deutscher

Während weiterhin nicht geklärt ist, ob Erika Steinbach in den Stiftungsrat des Vertriebenenzen­trums berufen wird, hat der einzige polnische Vertreter im wissenschaftlichen Beirat seinen Rücktritt erklärt. Mit gutem Grund: Das Vertriebenenzentrum ist ein deutsch-revisionistisches Projekt.

»Wir müssen sehr, sehr Obacht geben, dass uns nicht ausländische Kräfte vorschreiben, wie wir in Deutschland unsere Demokratie gestalten«, warnte am Freitag voriger Woche der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer den Koalitionspartner FDP. Seit der Regierungsübernahme streiten die Union und die FDP darüber, ob der Bundesverband der Vertriebenen (BdV) seine Präsidentin Erika Steinbach in den Beirat der Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« entsenden darf. Während der Generalsekretär der CDU, Hermann Gröhe, sagt, dass Erika Steinbach »das volle Vertrauen der CDU Deutschlands« genieße, möchte Außenminister Guido Westerwelle mit Blick auf die deutsch-polnischen Beziehungen die Berufung verhindern – Steinbach, 1943 als Tochter eines deutschen Unteroffiziers im besetzten Polen geboren, ist nach Umfragen die unbeliebteste Deutsche in Polen.
Nun stört eine weitere Personalie die Arbeit der Stiftung: Mit Tomasz Szarota ist der einzige Pole im wissenschaftlichen Beraterkreis zurückgetreten. Szarota beschäftigt sich als Historiker vor allem mit der deutschen Besetzung Polens während des Zweiten Weltkriegs. Sein Vater wurde 1939 von deutschen Besatzungstruppen erschossen.
Aus Sicht der Union und der übrigen Deutschnationalen im Lande sollte der Rücktritt Szarotas eigentlich ein gutes Zeichen sein, hat sich damit doch eine jener »ausländischen Kräfte« aus der Stiftung zurückgezogen, die zugleich die Deutungshoheit über die eigene Geschichte infrage stellen könnten. Sinn und Zweck der Stiftung ist eine deutschgefärbte Geschichtsschreibung.
Die Stiftung soll nach dem Konzept der Bundesregierung ein »sichtbares Zeichen« erarbeiten, um »Erinnerung und Gedenken an das Jahrhundert der Vertreibungen und das damit verbundene tiefe menschliche Leid wach zu halten«. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung einer Dauerausstellung für das geplante Vertriebenenzen­trum im »Deutschlandhaus« in Berlin-Kreuzberg. Dabei werden nicht nur die deutschen Vertriebenen aus den ehemals besetzten Gebieten mit den Opfern des Nationalsozialismus gleichgesetzt, wodurch auch die deutsche Schuld relativiert wird. Die Erfahrungen der deutschstämmigen Vertriebenen werden sogar im Vordergrund stehen, und dem deutschen Opfermythos wird ein besonders großes Denkmal gesetzt, denn die Ausstellung soll auf der Ausstellung »Flucht, Vertreibung und Integration« im Bonner Haus der Geschichte beruhen, die sich mit Flucht und Vertreibung allein von Deutschstämmigen infolge des Zweiten Weltkrieges beschäftigt. Um trotz allem den Schein universeller Geschichtsschreibung zu wahren, hatte man in den neunköpfigen Beraterkreis der Stiftung neben Szarota eine Historikerin aus Tschechien und einen Historiker aus Ungarn berufen. Dieser Schein ist jetzt dahin, nachdem Szarota seinen Rücktritt damit begründet hat, kein »Feigenblatt« für dieses deutsche Vorhaben sein zu wollen. Er wolle kein Zentrum, das zeige, wie das deutsche Volk im Krieg gelitten hat.
Demgegenüber ist der Disput in der schwarz-gelben Koalition um die Berufung Erika Steinbachs nur ein erinnerungspolitisches Schein­gefecht. Zum einen geht es Westerwelle wohl kaum um eine aufgeklärte Geschichtspolitik, sondern als liberalem Außenminister um gute – wirtschaftliche – Beziehungen zu Polen. Zum anderen reduziert der koalitionsinterne Streit die Debatte auf eine Personalie und verschleiert das wirkliche Problem: den politischen Einfluss des BdV insgesamt und die Schaffung eines revisionistischen Vertriebenen­zen­trums mitten in Berlin.