Absurder Ablauf

Jeder kennt den Song der Carpenters: »On the day that you were born / The angels got together / And decided to create a dream come true.« Der Song meint, ein schönes Wesen könne wohl nur bei einer Zusammenkunft guter Geister geschaffen worden sein. Nun stelle man sich vor, keine Engel, sondern Eleanor Antin, André Breton, Jean Dubuffet, George Maciunas, Gustav Metzger, Yoko Ono und ähnliche Künstler kämen wie die Hexen aus »Macbeth« zusammen und rührten verschwörerisch im brodelnden Kessel. Wer würde dabei herauskommen? Ich glaube, ein militanter Gewerkschafter.
Doch, doch, ein militanter Gewerkschafter. In diese Figur scheint die gesamte parodistische Phantasie der vergangenen 100 Jahre geflossen zu sein. Nur zwei Beispiele, die in der letzten Zeit unser Herz erfrischt haben: »Boss-Napping« und »Blitz-Meute«. »Boss-Napping« heißt, einen Manager das tun lassen, was er angeblich am liebsten tut: arbeiten. Der Mann wird in seinem Büro so lange festgehalten, bis selbst ihm auffällt, dass die Leute, die arbeiten, bis sie umfallen, nicht »Leistungsträger«, sondern Arbeiter heißen. Kurz, er wird an jene äußerste Grenze seines Getues geführt, an der auch für ihn die Proletarisierung beginnt. Das Verfahren ist in Frankreich einige Male mit Erfolg für die Kollegen praktiziert worden. Es steht nicht in den Lehrbüchern des politischen Kampfes, sondern erscheint wie eine Szene aus »El ángel exterminador«.
Noch mehr gilt das für den flash mob, allerdings nicht in der ursprünglichen Spielart, die ein von den instructions des Fluxus inspirierter Studentenulk ist. Über Internet werden Leute aufgerufen, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort etwas Bestimmtes zu tun, z.B. sich hinzuwerfen, als wären sie gerade den Strahlentod gestorben. Nebbich. Wirklich lustig wird es erst, wenn aus dem flash mob das wird, was die FAZ als »pubertär« und als »Blitz-Meute« beschimpft hat: 40 Gewerkschafter aus dem Einzelhandel beladen als hyperaktive Konsumenten in einem Supermarkt Einkaufswagen und lassen sie in den Gängen stehen, um neue zu füllen. Eine kommt mit einem Riesenberg von Billigzeug an die Kasse, lässt ihn von einer Leidensgenossin über den Scanner ziehen, stellt allerdings, als die Rechnung auf 371,78 Euro lautet, bedauernd fest, dass sie ihre Geldbörse vergessen hat. Der Supermarkt kollabiert.
»Boss-Napping« und »Blitz-Meute« sind keine Abwandlungen des Streiks, sie setzen nicht auf eine Unterbrechung des Ablaufs, sie verlängern und beschleunigen ihn. Hier ist eine Lehre der Avantgarde vom Surrealismus bis zur feministischen Konzeptkunst begriffen worden: Nichts ist absurder als die Normalität.