Über die Verwaltung der Armut unter Schwarz-Gelb

Frohes neues Agenda-Jahr!

Schwarz-Gelb versteht es, die Armut ­modern zu verwalten.

Erinnert sich jemand? 2010 ist das Jahr der Agenda – der Agenda, die vor sieben Jahren der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder in einer Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede ankündigte. Das Ziel der »Agenda 2010« war es, Deutschland »fit« zu machen für die globale Standortkonkurrenz, u.a. durch die Einführung der Hartz-Gesetze.
Jetzt ist das Jahr 2010 angebrochen, und wer als braver Lohnabhängiger ein Langzeitgedächtnis hätte, könnte schon ins Grübeln kommen: Was nutzt eigentlich das ganze Schuften und der eiserne Glauben an den Erfolg der Nation, wenn bei der nächsten Krise der Job sowieso weg ist und der Staat das meiste Geld denen hinterherwirft, die die Krise ausgelöst haben? Allerdings zeichnet sich der brave Lohnabhängige dadurch aus, dass er kein Langzeitgedächtnis hat (hätte er eins, wäre er nicht brav). In diesen Tagen sieht vieles anders aus als damals. Kein Bulldoggen-Kanzler beschwört mehr die Angstlust auf harte Zeiten. Vielmehr regiert die Spaßkoalition: FDP, CDU und CSU, das sind die Parteien der Ehebrecher und Schwulen, in denen haufenweise Jungpolitiker in wichtige Ämter gehievt werden, die lieber ins AC/DC-Konzert gehen als an die Front. Merkel hat die Konservativen und den »Wirtschaftsflügel« ihrer Partei abserviert, unter ihr wartet eine Reihe führender Politiker nur darauf, ein Regierungsbündnis mit den Grünen zu beschließen. Zwar kündigt Finanzminister Wolfgang Schäuble vorsorglich für 2011 strikte Sparmaßnahmen an, ohne diese genauer zu bestimmen. Dennoch wäre es unpassend, wenn ausgerechnet diese Politiker 2010 das Jahr der sozialen Härte ausrufen würden.
Dabei sieht es alles andere als rosig aus. In den Schlüsselindustrien stehen Massenentlassungen bevor, der Ausbildungsmarkt in der Metall- und der Elektroindustrie droht zu kollabieren, der sogenannte Mittelstand leidet unter der »Kreditklemme«, auf den Finanzmärkten bläht sich die nächste Blase auf, die Kommunen sind demnächst pleite – auf höhere Gebühren für Kitas, den ÖPNV und die Müllabfuhr kann man sich schon gefasst machen. So sieht es also aus in einem Land, das die Krise hinter sich hat und unmittelbar vor dem Aufschwung steht. Oder, um es mit der Kanzlerin zu sagen: »Manches wird gerade im neuen Jahr erst noch schwieriger, bevor es wieder besser werden kann.«
Es deutet sich eine Arbeitsteilung an: Die bevorstehenden Zumutungen für die Abhängigen aller Art werden an die Bürokratie – die Stadtkämmerer, die Arbeitsagenturen und Tarifkommissionen – delegiert. Der Staat, personifiziert in der Regierungskoalition, zieht es vor zu moderieren, auf globaler Ebene zu agieren (Klimapolitik, Afghanistan-Einsatz), sich modern und verjüngt zu geben. Das Kalkül ist, dass die absehbare Wut der Subalternen, von der im vergangenen Jahr noch wenig zu spüren war, sich wenigstens vorläufig nicht gegen die große Politik wendet. Vielleicht verpufft sie sogar größtenteils, wenn sich die Kanzlerin als Schlichterin in den einen oder anderen wirtschaftlichen Konflikt einschaltet. Als hätten sie es sich aus dem Lehrbuch der Kritik der politischen Ökonomie abgeschaut, demonstrieren Merkel & Co., dass kapitalistische Armutsverwaltung am besten geht, wenn man einen aufgeklärt-modernen Regierungsstil praktiziert und sich an die demokratischen Spielregeln hält.
Und wenn alles schiefgeht? Dann stehen die Sozialdemokraten – von der SPD wie von der Linkspartei – bereit, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Die frische rot-rote Koalition in Brandenburg verfolgt bereits umfangreiche Sparpläne. Da können die neualten Sozis schon mal üben.