Die neurechte Gruppe »Konservativ Subversive Aktion«

Zu heiß im Kopf

An Aktionen nach dem Vorbild der Kommunikationsguerilla versucht sich Götz Kubitscheks »Konservativ Subversive Aktion«. Die neurechte Zeitschrift Sezession bemüht sich um den entsprechenden intellektuellen Rahmen.

Die vor allem in den sechziger Jahren aktive »Situationistische Internationale« (S.I.) gilt nicht nur als Erfinderin der Kommunikationsguerilla, sondern auch als eine Gruppe, die sich stark vom Rest der linksradikalen Szene abkapselte. Diesen Ruf begründete sie mit unzähligen Spaltungen und Ausschlüssen von Mitgliedern. Zumindest einer der ersten Rauswürfe aber bestach durch Weitsicht. Aus der Münchner Gruppe »Spur«, deren »1961 von gewissen Deutschen ausgebrüteten ›Nationalsituationismus‹« die S.I. kritisierte, entstand nach ihrem Rauswurf die »Subversive Aktion«, in der dann neben Rudi Dutschke auch heutige Theoretiker der NPD und der Neuen Rechten wie Bernd Rabehl und Günter Maschke aktiv waren.

»Nicht von schlechten Eltern«, lautet Rabehls Urteil über seine aktionistischen Nachfolger heutzutage – junge Männer aus der Neuen Rechten, die seit Mai 2008 als »Konservativ Subversive Aktion« (KSA) mit Aktionen nach dem Vorbild der Kommunikationsguerilla und Störungen von Veranstaltungen mit Günter Grass, Egon Krenz oder Daniel Cohn-Bendit aufzufallen versuchen.
Auch sein Ziel und das seiner Mitstreiter sei es damals gewesen, »mit gezielten Provokationen die reaktionäre Natur staatlicher Akteure und Institutionen herauszukitzeln«, um zu zeigen, »wer hinter ihnen stand (damals: die amerikanische Besatzungsmacht)«. Man habe die »Phrasen als solche entlarven« wollen, schreibt Rabehl in seinem Netzjournal. »Solche Aktionen sind heute wieder nötig, vielleicht mehr noch als damals. Kubitschek und seine Mitstreiter haben nun, pars pro toto, eine, wenn auch kleine, so doch ge­lungene subversive Provokation abgeliefert. Chapeau!« Der Erfinder der KSA, Götz Kubitschek, ehemals Redakteur der Jungen Freiheit, heute Verleger und Redakteur der Zeitschrift Sezession, habe trotz anfänglicher Flops nicht nachgelassen, lobt Rabehl. »In Chemnitz hatte er den richtigen ›Drive‹ gefunden.«

In Chemnitz werden seit Jahren Mitglieder für die Neue Rechte angeworben und geschult. Einer von ihnen ist der 22jährige Maler Benjamin Jahn Zschocke, der auch schon in der Sezession vorgestellt wurde und im vergangenen Jahr mit einem Auftragsbild für eine Berufsschule für Wirbel sorgte. Zschocke war Mitarbeiter der Fraktion Pro Chemnitz im Stadtrat, Mitglied der rechten Schülerburschenschaft Theodor Körner und schreibt in der neurechten Schülerzeitung Blaue Narzisse. Er hatte auf seinem Auftragsbild »Chemnitz – Stadt der Moderne« existierende und während des Zweiten Weltkriegs zerstörte Gebäude zu einem Stadtpanorama zusammengestellt, eine Kirche versah er mit einem Keltenkreuz.
Nachdem der rechte Hintergrund Zschockes bekannt geworden war, verdeckte die Schulleitung das Bild, und die Stadtverwaltung kündigte die Übermalung an. Für die Rechten war das »Ikonoklasmus«. Am 17. April vorigen Jahres drangen Kubitschek und andere in die Schule ein und verbarrikadierten das Wandbild. Sie verstellten es notdürftig mit Stühlen und Schulbänken. Die Polizei kam und nahm sie fest. Ein Video der Aktion landete prompt auf dem Portal Youtube. Einige Tage später folgte eine zweite Aktion: Mitglieder der KSA störten die Sitzung des Chemnitzer Stadtrats. Mit einem FDJ-Hemd bekleidet stürmte der Blogger Marco Kanne in den Ratssaal und verlas eine Dankesrede für die Entfernung des Bildes an die Bürgermeisterin, die er mit »Genossin FDJ-Sekretärin« ansprach.
»Wir sind schon der Meinung, dass die KSA bereits Bilder geschaffen hat, hinter denen sich eine Szene sammeln kann«, sagt Kubitschek in einem Video bei Youtube, das auch Einblicke in seine dunkle Lesestube mit Buchtiteln wie »Widerstand: Lage – Traum – Tat« und »Die letzten Tage von Europa« bietet. Unter der Leselampe erklärt er das »Konzept der Konservativ Subversiven Aktion«. Mit der KSA solle ein »anderer Typ« angesprochen werden als jener, der Vorträge besucht oder Bücher und Zeitschriften liest. Kubitschek zitiert Ernst Jünger: »Unsere Hoffnung ruht in den jungen Leuten, die an Temperaturerhöhung leiden.« Kubitschek, der auf einem Rittergut im Sachsen-Anhaltinischen Albersroda lebt, will sich sowohl als Meisterdenker als auch als Aktionist betätigen, bisher aber scheinen die Aktionen hauptsächlich von Neurechten aus dem Umfeld der Sezession, der Blauen Narzisse und der Jungen Freiheit getragen zu sein.

»Eine metapolitische Zeitschrift von rechts« nennt Kubitschek die Sezession. Die Zeitschrift des von ihm und Karlheinz Weißmann gegründeten
»Instituts für Staatspolitik« erscheint mittlerweile zweimonatlich und widmete sich bereits den rechten und konservativen Lieblingsdenkern Alain de Benoist, Botho Strauß und Hans Jürgen Syberberg. Felix Menzel, ebenfalls Chemnitzer und wie Benjamin Jahn Zschocke ehemaliges Mitglied der Schülerburschenschaft Theodor Körner, gehört zu den Autoren der Zeitschrift und zu Kubitscheks Mitstreitern. Für eine Präsentation des ersten Buchs von Felix Menzel, das Kubitschek in seinem Verlag Edition Antaios publiziert hat, wurde in der Chemnitzer TU ein Raum reserviert und zu einer Veranstaltung eingeladen. Im Pub­likum saßen sowohl Neurechte als auch Personen aus dem Umfeld des »Freien Netzes«, ein Zeichen dafür, dass es den Neurechten in Chemnitz gelingt, auch die Naziszene einzubinden.
So war etwa bei der Lesung wie bei der Verbarrikadierungsaktion der Chemnitzer Politikstudent Benedikt Kaiser dabei, der seit Neuestem für die Sezession schreibt. Gemeinsam mit Kubitschek verfasste er für die aktuelle Ausgabe eine Chronik und einen Kommentar zum Thema »Gewalt gegen Deutsche« im Jahr 2009. Bis vor kurzem war Kaiser noch als autonomer Nationalist beim »Freien Netz« aktiv, befestigte Aufkleber in Chemnitz und wurde in Berlin auf der Demons­tration »Für die Schaffung eines nationalen Jugendzentrums« gesichtet. In der Universität war Kommilitonen sein Button »Querfront rockt« an der Federtasche aufgefallen. Nach Recherchen von Chemnitzer Antifas war Kaiser schon in seiner Herkunftsstadt Hof in der Kameradschaftsszene aktiv, in Chemnitz bewege er sich im Umfeld des Chemnitzer FC. Leute aus der rechten Fanszene sollen ebenso zu seinen Freunden gehören wie langjährige Mitglieder der regionalen Naziszene.
Seine Bachelor-Arbeit an der TU Chemnitz plant Kaiser über den französischen Nazi-Kollaborateur Pierre Drieu la Rochelle zu schreiben, den schon das ehemalige Mitglied der »Subversiven Aktion«, Günter Maschke, 1980 in der FAZ in einem Text mit dem Titel »Die schöne Geste des Untergangs« würdigte. Auch in der Sezession wurde im Oktober 2007 auf den französischen Schriftsteller, der sich in seiner Jugend im Milieu surrealistischer Künstler bewegte, dann zum Faschisten wurde und 1945 Selbstmord beging, Bezug genommen. Jener Text mit der Überschrift »Fanal und Irrlicht« von Autor Martin Lichtmesz ist zudem ein anschauliches Beispiel dafür, wie die Neurechten versuchen, an die so genannte Popliteratenszene der neunziger Jahre anzuknüpfen – und dort reichlich Berührungspunkte finden. Im Zusammenhang mit Leben und Selbstmord des österreichischen »Exzentrikers« Christian Böhm Ermolli, seinerzeit Mitglied der FPÖ, tauchen Drieu, der Merve-Autor Markus Konradin Leiner alias QRT (nach Lichtmesz »auch bekannt als ›Fascho-Kurt‹«) und die Autoren Christian Kracht und Alexander von Schönburg auf. Letztgenannter habe sich angesichts von »Langeweile« und »Wohlstandsverwahrlosung« einen neuen »Herbst 1914« gewünscht, zitiert Lichtmesz aus dem Buch »Tristesse Royale« des »Popliterarischen Quintetts«. Wie Kubitschek romantisiert Lichtmesz die Jugend mit »Temperaturerhöhung«.