»Pilotprojekte« gegen Linksextremismus und Islamismus

Ausstieg in Fahrtrichtung links

Das Bundesfamilienministerium will »Pilot­projekte gegen Linksextremismus und Islamismus« ins Leben rufen.

Wo viel geredet wird, muss auch gehandelt werden. Nach dem Angriff auf die Lerchenwache im Hamburger Schanzenviertel im Dezember schenkt der Staatsschutz des LKA derzeit der gesamten autonomen Szene der Stadt seine Aufmerksamkeit. Die Staatsschutz-Operation »Koukoulofori« ist nach Informationen der Hamburger Taz angelaufen, die Generalbundesanwältin Monika Harms hat den Fall an sich gezogen. Bei der Attacke waren zwei Streifenwagen in Flammen aufgegangen, die Eingangstür war mit einem Fahrradschloss versperrt, brennende Müllcontainer waren vor die Garage geschoben und Fenster mit Steinen beworfen worden. In der Garage hielt sich ein Polizist auf, der ebenfalls mit Steinen beworfen wurde.
Wie aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der »Linken« hervorgeht, richten sich die Ermittlungen »gegen eine noch nicht feststehende Anzahl unbekannter Personen wegen des Verdachts des versuchten Mordes und der versuchten besonders schweren Brandstiftung«. Damit stehe »nahezu das gesamte Terrorismus-Fahndungsprogramm zur Verfügung«, erfuhr die Taz von einem Insider. Bisher konzentrieren sich die Ermittler offenbar darauf, über Handy-Ortungen per »stiller SMS« die Aufenthaltsorte von Personen zu rekonstruieren und Verbindungsdaten sicherzustellen. Die Aktion, deretwegen offenbar eine terroristische Gefährdung der BRD konstruiert wird, war gut geplant, hat aber mit Tötungsabsichten oder Terror nichts zu tun – umso mehr mit symbolischer Gewalt gegen eine Polizeiwache, die wegen zahlreicher Misshandlungen von Einwanderern und Linken berüchtigt ist.

Einen Grillanzünder auf dem Reifen beim Motorraum und ein Feuerzeug – mehr braucht es nicht, um ein Auto anzuzünden, war voriges Jahr etwa im Spiegel zu lesen. Die gestiegene Zahl abgebrann­ter Autos ist der Anlass für viele Medien, über eine Zunahme »vermutlich linksextremistischer Anschläge in Berlin und Hamburg« zu berichten. Mehr als 500 ausgebrannte Autos wurden in beiden Städten gezählt – mit einem leichten Vorsprung für Berlin.
Die Innenministerkonferenz debattierte nach den Auseinandersetzungen am 1. Mai in Berlin und Hamburg bereits erregt über eine angeblich wachsende Gewalt von links gegenüber Polizisten. In den Landesparlamenten von Hamburg und Berlin gab es Anfragen und aktuelle Stunden – über die korrekte Wahl der Mittel bei der Bekäm­pfung der militanten radikalen Linken hat man sich echauffiert, als ob diese eine reale Gefahr für den Parlamentarismus darstelle.

Die Innensenatoren von Hamburg und Berlin, Chris­toph Ahlhaus (CDU) und Ehrhart Körting (SPD), haben eine enge Zusammenarbeit vereinbart. Gegen den Linksextremismus müsse eingeschritten werden, bevor er »außer Kontrolle gerät«, sagte der Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bun­des­tag, Hans-Peter Friedrich. Ende des Jah­res war die Rede von einem »drastischen Anstieg linksex­tremer Straftaten und besonders von Gewalttaten«. Die Zahl der Gewalttaten sei um beinahe 50 Pro­zent gestiegen. Herausgehoben wurden An­griffe auf Polizeibeamte: Von Januar bis September wurden 315 Körperverletzungen und mehrere ver­meint­liche Tötungsversuche registriert, im gesam­ten Jahr 2008 waren es 215 Körper­verletzungen.
Aus den »Einzeldelikten von hoher Gewaltintensität wie dem Brandanschlag auf eine Polizeiwache in Hamburg Anfang Dezember sowie der immer höheren Zahl von Brandanschlägen ergibt sich das Bild eines eskalierenden linksextremistischen Gewaltpotentials, das sich terroristischen Vorgehensweisen annähert«, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Union, Jörg Rotter, im Dezember. Er forderte, mit »Präven­tionskampagnen und Aussteigerprogrammen gegen den Linksextremismus ebenso tätig zu wer­den, wie es bereits im Bereich des Rechts­ex­tre­mis­mus geschieht«.
Die neue Bundesfamilienministerin, Kristina Köhler (CDU), scheint ihre Bestimmung gefunden zu haben: »Wir haben uns im Koalitionsvertrag geeinigt, künftig die Programme gegen den Rechts- und Linksextremismus und ebenso gegen den islamischen Extremismus auszurichten«, sagte sie der Welt im Dezember. »Das werde ich umsetzen.« Vor wenigen Tagen meldete die Financial Times Deutschland, Köhler wolle zwei Millionen Euro zur »Bekämpfung linker und islamistischer« Gewalt bereitstellen.
Vorige Woche ging Köhler in der Sitzung des Haushaltsausschusses noch weiter. Nach den Angaben von Oppositionspolitikern plant die Ministerin Gespräche mit dem Bundesinnenministerium und dem Verfassungsschutz über eine Regelüberprüfung aller Initiativen gegen Nazis. »In der Beratung hat Ministerin Köhler sich eine Regelüberprüfung durch den Verfassungsschutz jeglicher Initiativen, die staatliche Fördergelder bekommen, ausdrücklich vorbehalten«, sagte Sven-Christian Kindler (Grüne).
Köhlers Ministerium bestreitet das. »Bundes­mi­nisterin Köhler hat nicht von einer Regelfall-Prüfung aller sich gegen Rechtsextremismus ein­set­zen­den Initiativen durch den Verfassungsschutz gesprochen«, sagte Pressesprecher Marc Kinnert der Jungle World. »Vielmehr wurde durch unser Haus erläutert, dass selbstverständlich mit öffent­lichen Geldern sorgfältig umgegangen wird und daher gegebenenfalls geprüft werden muss, welche Initiativen, und nicht nur solche gegen Rechts­extremismus, für eine Förderung in Frage kommen.« Also doch Einzelfallprüfungen statt einer Re­gelanfrage? Sebastian Edathy, in der SPD-Bun­des­tagsfraktion der Sprecher für Rechtsextremismus und Gewalt, findet Köhlers Aussagen irritierend: Es sei ohnehin üblich, dass Projekte und Ini­tiativen im Falle einer staatlichen Förderung oder Auszeichnung vom Verfassungsschutz des Bundes und der Länder überprüft würden. »In der Ankün­digung von Frau Köhler klingt mit an, dass bei den Förderprogrammen bisher massiv Linksextremisten gefördert worden seien. Das stimmt aber nicht«, sagt Edathy.
Zustimmung erhielt Köhler selbstredend aus den Unionsparteien und von der Polizei. So sagte der CSU-Landesgruppenchef Friedrich dem Hamburger Abendblatt: »Vor dem Hintergrund dessen, was in Hamburg und Berlin passiert, ist es höchste Zeit, den Linksextremismus zivilgesellschaftlich ernst zu nehmen.« Der Nürnberger CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser paraphrasierte gar eine beliebte Floskel gegen rechts: »Wir dürfen auf dem linken Auge nicht blind sein.«

Frank Jansen, der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, sagte: »Wenn man die Brandserien in Berlin und Hamburg sieht, dann ist es nur vernünftig, in beide Richtungen politischer Extreme identische Möglichkeiten für Aussteigewillige anzubieten.« Ihm schweben »Aussteigertelefone« für unzufriedene Linke vor. Der Berliner Innensenator gibt sich aufgeschlossen. »Ich schließe kein Instrument aus. Alles, was Ex­tremisten vom Weg abbringt, sollte man überprüfen«, sagte Körting dem Hamburger Abendblatt. Ein Hauch von Sachkenntnis schimmerte dann aber doch durch, als er hinzufügte, es erscheine im »fraglich«, ob mit Aussteigerprogrammen für militante Linke »nennenswert Potential abgezogen werden kann«. Seine Strategie scheint die Isolierung militanter Linker zu sein: mit »Manpower in die linksextremistische Szene zu kommen und eine klare Trennung der Kriminellen- von der Sympathisantenszene zu erreichen«.
Sicher ist ein Trend zu härteren Urteilen festzustellen. Gab es früher in der Regel Bewährungs­strafen für Autoanzünder, wurde zuletzt in Berlin ein 34jähriger, der einen VW Golf angezündet haben soll, zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Und das Innenministerium hat angekündigt, das Strafmaß für Angriffe auf Polizisten mit Steinen oder Brandsätzen von zwei auf fünf Jahre zu erhöhen.