Lässliche Sünden

Es gibt Steuersünder, und es gibt Sozialbetrüger. Eigentlich könnte man ja auch von Sozialsündern und von Steuerbetrügern sprechen. Doch der Steuerbetrug gilt als lässliche Sünde, wer sie rechtzeitig beichtet, also bevor der Fahnder an die Tür klopft, »wird insoweit straffrei«, bestimmt Paragraph 371 der Abgabenordnung. Anders verhält es sich mit der Sozialsünde, hier gibt es weder Ablass noch Vergebung, und den Datenschutz kann man bereits vergessen, wenn man seinen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellt.
Nun hat ein Unbekannter der Bundesregierung eine CD mit den Daten zahlreicher Steuerbetrüger angeboten. Er möchte 2,5 Millionen Euro dafür haben. Auf einmal tauchen Hüter des Rechtsstaats und des Datenschutzes auf, von denen bislang wenig zu hören war, wenn es um den Einsatz von V-Männern oder Informanten ging, von Menschen also, die Straftaten begehen und vom Staat bezahlt werden. Der Staat »darf nicht ohne Not Geschäfte mit Kriminellen machen«, meint etwa die Börsen-Zeitung. Man wüsste gerne, welche Not ein Geschäft mit Kriminellen dann doch rechfertigen würde, und warum die Überschrift »der Staat als Dealer« lautet, obwohl es »User« heißen müsste. Reicht das Gehalt bei der Börsenzeitung nicht für die am Aktienmarkt übliche Kokain-Ration? Wenn Thomas Darnstädt sich bei Spiegel online über »Selbstgerechte Rechtsbeuger« ereifert, meint er damit die Politiker, die die CD kaufen wollen. »Der Ankauf gestohlener Ware um des eigenen Vorteils willen ist Hehlerei«, schreibt Darnstädt. Doch gestohlen hat der Anbieter ja nicht die CD, vielmehr hat er sich die darauf befindlichen Daten illegal beschafft. Folglich kann Paragraph 259 StGB hier nicht zur Anwendung kommen. So viel zur Rechtsbelehrung. Warten wir nun ab, wann die Hüter des Rechtsstaats entdecken, dass bei den Berichten über den »Leistungsmissbrauch« von Hartz-IV-Empfängern, die einen Anstieg der eingeleiteten Straf- und Bußgeldverfahren beklagen, die Unschuldsvermutung vergessen wurde.