Umstrittene Werbung beim Super Bowl

Super Bowl, superhetero

Wer sich im US-Fernsehen die Begegnung Saints gegen Colts anschaut, wird neben einem spannenden Spiel auch Werbung von Abtreibungsgegnern sehen. Schwule Reklame ist beim jährlichen Highlight des American Football dagegen nicht erwünscht.

Im Super Bowl XLIV in Miami treffen am Wochenende die New Orleans Saints und die Indianapolis Colts aufeinander. Für die Saints ist es die erste Super-Bowl-Teilnahme in ihrer über 40jährigen Geschichte, die Colts haben zuletzt 2006 einen Super Bowl – ihren zweiten – gewinnen können. Auch wenn beide Teams zusammen nur zwei Auftritte beim Super Bowl aufweisen, handelt es sich dennoch um ein Spiel der Favoriten, denn beide Mannschaften haben die reguläre Saison vor den Playoffs als beste ihrer jeweiligen Conference abgeschlossen.
Es wird also wohl ein interessantes Spiel werden, zumal sich die beiden Finalgegner recht ähnlich. Ihre Stärken liegen eindeutig in der Offensive, mit der sie ihre Ligagegner in der vergangenen Saison dominierten. Die Defensivabteilungen beider Teams gehörten dagegen zu den schwächeren in der National Football League (NFL). Herausragende Spieler sind die beiden Quarterbacks, bei den Colts Peyton Manning, bei den Saints Drew Brees. Beide Teams setzen damit auf den Angriff mit Pässen.
Die große Geschichte aber ist natürlich die eindrucksvolle Wiederauferstehung der vorher wenig erfolgreichen Saints nach dem Hurricane Katrina. Nach der Naturkatastrophe im August 2005 konnte das Team rund ein Jahr lang kein einziges Heimspiel im zerstörten New Orleans austragen. Der Superdome war dermaßen beschädigt, dass sogar eine spätere Rückkehr fraglich war. San Antonio, Los Angeles und sogar Toronto waren als neue Heimat der Saints im Gespräch. Doch Tom Benson, der Besitzer der Saints, konnte umgestimmt werden, und das Team blieb in New Orleans. 2006 kam dann der Neubeginn. Man kehrte in den zwischenzeitlich dann doch renovierten Superdome zurück, verpflichtete den Quarterback Drew Brees und mit Sean Peyton einen neuen Head Coach. Zum ersten Mal in der Geschichte waren in dieser Saison sogar alle 70 001 Plätze des Superdome mit Saisonkarten ausverkauft.
Sean Peyton hatte vorher noch nie als Head Coach gearbeitet, dennoch war seine Verpflichtung eine riesige Sensation, da er gleichzeitig ein Angebot der Green Bay Packers hatte. Dass er nicht die renommierten Packers, ­sondern mit den Saints das zweitschlechteste Team der Vorsaison übernahm – sie hatten im Katrina-Jahr nur drei Spiele gewinnen können –, verwunderte viele Experten. »Chancen, wirklich etwas zu verändern, bekommt man nicht oft, wenn man Glück hat, ein Mal im Leben. Ich wollte meine Chance nicht verpassen«, sagte Sean Payton vorige Woche zu seiner damaligen Entscheidung.
Die favorisierten Indianapolis Colts machen weniger Schlagzeilen, obwohl auch ihr Head Coach neu ist: Jim Caldwell hatte vor dieser Saison von dem erfolgreichen Tony Dungy übernommen, der seine Karriere als Coach beendete. Indianapolis begann die Saison mit 14 Siegen, danach stand die Mannschaft schon als bestes Team der American Football Conference (AFC) ­innerhalb der laufenden Saison fest und schenkte die verbleibenden zwei Spiele gegen die New York Jets und die Buffalo Bills praktisch her, indem sie ihre Stars schon frühzeitig aus dem Spiel nahm und die Spiele mit ihren Ersatzleuten zu Ende brachte. Dies führte vor allem deshalb zu kontroversen Diskussionen, weil dadurch die Möglichkeit zu einer perfekten Saison verschenkt wurde. Zuletzt waren die New England Patriots damit gescheitert, dies zu erreichen, sie verloren mit dem Super Bowl im Jahr 2007 zwar nur ein einziges, dafür aber das wichtigste Spiel des Jahres. So bleiben die Miami Dolphins das einzige Team, das jemals, und zwar im Jahr 1972, eine ausschließlich aus Siegen bestehende perfect season geschafft hat.
Ein weiteres wichtiges Super-Bowl-Thema ist wie immer die Werbung. Wegen der Wirtschaftskrise kostet die Ausstrahlung eines 30-sekündigen Fernseh-Spots nur noch 2,5 bis 2,8 Millionen Dollar. Das sind fast 20 Prozent weniger als voriges Jahr, als das durchschittliche Werbefilmchen noch drei Millionen Dollar kostete. Auch die Zahl der potentiellen Kunden, aus denen man auswählen kann, ist für den Sender CBS nicht mehr so groß: Zum ersten Mal seit 23 Jahren wird Pepsi keinen Spot zeigen, keiner der amerikanischen Automobilhersteller wird während des Super Bowl werben, eine Woche vor dem großen Ereignis waren noch nicht alle Spots verkauft.
Erstmals wurde von CBS dagegen ein Spot akzeptiert, der eine politische Intention hat. In dem Reklamefilmchen der Organisation »Focus on the Family« treten Tim Tebow und seine Mutter Pam auf. Pam erzählt, wie sie im siebten Monat der Schwangerschaft krank wurde und Ärzte ihr daraufhin zu einer Abtreibung rieten, da ihr eine Totgeburt mit schweren gesundheit­lichen Gefahren für sie selbst drohe. Sie lehnte aus religiösen Gründen ab, Tim wurde geboren. Heute ist Tim Tebow Quarterback der Florida Gators und einer der bekanntesten Collegespieler aller Zeiten. Er gewann 2007 die Heisman Trophy für den besten Collegespieler und war mit seinem Team zwei Mal National Champion.
»Wir haben unsere Prüfkriterien geändert, weil die bisherigen weder der öffentlichen Meinung noch Industrienormen Rechnung trugen«, sagte Dana McClintock, CBS-Sprecherin, zu dem mittlerweile als »Tebow-Spot« bekannt gewordenen Werbefilm. Der ist auch deshalb schwer umstritten, weil eine andere Reklame rundweg abgelehnt wurde. »Playing for the Same Team«, der Spot für eine Internet-Dating-Seite für Schwule, ManCrunch.com, zeigte zwei Männer, die auf der Couch sitzend den Super Bowl anschauen. Und nach einem gemeinsamen Griff in die Chipsschüssel in eine wilde Knutscherei verfallen. Es handele sich um eine neue Firma und man sei sich nicht sicher, ob sie kreditwürdig genug sei, hieß es seitens CBS zur Begründung der Ablehnung – eine Sicht der Dinge, die von ManCrunch.com entschieden zurückgewiesen wird. Man habe dem Fernsehsender das Ergebnis einer Bonitätsprüfung vorgelegt, aus dem ganz klar hervorgehe, dass man die Werbung ohne Probleme bezahlen könne, erklärte ein Sprecher.
Und auch das zweite, etwas später vorgebrachte Argument von CBS gegen die Gay-Dating-Reklame scheint nur wenig stichhaltig zu sein. Man habe sich in diesem Jahr eine technische Qualitätsprüfung vorbehalten, hatte der Sender mitgeteilt, und die von ManCrunch.com vorgelegte Produktion habe die erwarteten hohen Standards nicht erfüllt. Das könne nun gleich gar nicht sein, ist man sich nicht nur beim schwulen Internet-Portal sicher, und verweist auf die Anti-Abtreibungsschmonzette, die von geradezu unterirdischer Qualität sei.
ManCrunch.com hat unterdessen Bürgerrechtsgruppen aufgefordert, sich einer Petition gegen CBS anzuschließen. Es könne nicht angehen, dass im Jahr 2010 derartig offene Diskriminierungen von Schwulen toleriert würden, während gleichzeitig ein anderer, ebenfalls von vielen nicht geteilter Lebensstil mittels eines Spots protegiert werden dürfe, erklärte die Firma. Und kündigte an, sich dem Protest zahlreicher US-Frauengruppen gegen den Anti-Abtreibungsspot anzuschließen.
CBS wird sich jedoch nicht mehr umstimmen lassen, da sind sich Medien-Experten sicher. Es dürfte allerdings durch die Ablehnung kaum ein materieller Schaden für ManCrunch.com entstehen: Der mittlerweile auf Youtube und in zahlreichen Blogs zu sehende inkriminierte Spot dürfte im Internet mehr Zuschauer finden als während des Super Bowl.