Blau statt Orange

Viktor Janukowitsch wollte seinen Triumph feiern: »Ich denke, dass Julia Timoschenko sich auf den Rücktritt vorbereiten sollte. Sie versteht das gut.« Bei der Stichwahl zur Präsidentschaft in der Ukraine hatte Janukowitsch am Sonntag 48,76 der Stimmen gewonnen, seine Konkurrentin Timoschenko unterlag mit 45,66 Prozent. Doch an einen Rücktritt denkt Timoschenko, die derzeit Premierministerin ist, offenbar nicht, vielmehr will sie ukrainischen und russischen Medienberichten zufolge wegen Manipulationen das Ergebnis anfechten und eine dritte Wahlrunde erzwingen.
Janukowitsch genießt im Hinblick auf die Ehrlichkeit bei Wahlen keinen guten Ruf, die Manipulationen vor fünf Jahren lösten die »orangene Revolution« aus. Als deren Repräsentantin gilt Timoschenko, doch sind viele Ukrainer enttäuscht, weil die erwarteten Reformen ausblieben. Überdies gibt es kaum noch programmatische Unterschiede. Der Wahlkampf hatte daher auch eine persönliche Note. Der 59jährige Janukowitsch hat nicht nur die Figur eines Türstehers, er saß in seiner Jugend auch wegen Körperverletzung und Diebstahl im Gefängnis. Janukowitsch behauptet, er sei unschuldig gewesen. Doch auch wer ihm das nicht glaubt, kann die Verurteilungen nach vier Jahrzehnten als unerheblich betrachten. Mehr Sorgen bereitet den Ukrainern offenbar die wirtschaftliche Misere. Zwar präsentierte Janukowitsch kein Programm gegen die Krise, er versprach jedoch, den Mindestlohn und die Renten zu erhöhen sowie die Familie stärker zu unterstützen. Ähnliche Maßnahmen hatte Timoschenko ebenfalls versprochen. Auch im Hinblick auf die Außenpolitik sind die Differenzen geringer geworden. Zwar gilt Janukowitsch, dessen Wahlkampffarbe Blau war, als prorussisch, doch hätte auch Timoschenko Rücksicht darauf nehmen müssen, dass Russland der wichtigste Handelspartner der Ukraine und die beherrschende militärische Macht in der Region ist. Überdies lehnt Janukowitsch einen Beitritt der Ukraine zur Nato ab, befürwortet aber die EU-Integration. Das politische Establishment Europas scheint keine Angst vor seiner Präsidentschaft zu haben. João Barroso Soares, der Leiter des Wahlbeobachterteams der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, forderte, die ukrainischen Politiker sollten »auf das Urteil des Volkes hören« und einen »friedlichen Machtwechsel« sicherstellen.