Das Leben ist nur ein Vorfilm

Autobiografische Comic-Erzählungen schießen seit einiger Zeit wie Pilze aus dem Boden. Meist sind es melancholisch angehauchte, oft aber auch krasse Geschichten, die von Tabu-Themen handeln. Es gibt Bildgeschichten, die von der Krebserkrankung der Mutter erzählen oder das Älterwerden, das schwule Coming-out oder auch das Eltern-Kind-Verhältnis schildern. Die Graphic Novel »Immy and the City«, getextet und gezeichnet von der 1976 geborenen Mimi Welldirty, die sich als Studiomusikerin, Fotografin und Werbetexterin in Köln verdingt, handelt von der Verzweiflung der 30jährigen Immy, die nach einem zwölfstündigen Arbeitstag und einem Mikrowellenessen vor dem Fernseher allein ins Bett geht und trotz Oropax nicht einschlafen kann. Das Leben ist zu einem Vorfilm geworden, der nicht enden will. Im Traum erscheint ihr manchmal der tote Freund, den sie noch immer liebt und der sich umgebracht hat. Man muss den kindlichen Tonfall und die Verletzlichkeit, die sich in der Schilderung extremer Lebensumstände offenbart, natürlich grundsätzlich mögen. Mimi Welldirtys anrührende Bilderzählung über die alles verschlingende Einsamkeit einer Großstadtbewohnerin zeigt aber wieder einmal, dass sich im Comic leichter über manche Dinge sprechen lässt als im Roman. Vielleicht hat die Graphic Novel die Funktion übernommen, die die Lyrik mal hatte.

Mimi Welldirty: Immy and the City. Arche-Literatur-Verlag, Zürich/Hamburg 2010, 124 Seiten, 14,90 Euro