Dresden war ein Erfolg für die Polizei

Dresden war ganz und gar nicht nazifrei

Den Antifas ist es in Dresden nicht gelungen, die Nazi-Kundgebung zu verhindern. Außerdem haben sie dazu beigetragen, dass die Stadt Dresden ihren »Sieg über den Extremismus« feiern kann.

Das Ziel der Antifa war klar formuliert: die Verhinderung des größten Nazi-Aufmarsches in Europa am 13. Februar in Dresden. Dass kurz zuvor der Staat aktiv wurde und die antifaschischtische Kampagne mit Hausdurchsuchungen und der Lahmlegung von Internet-Seiten schikanierte, hat der Mobilisierung nicht geschadet. Nach monatelanger Vorbereitung durch verschiedene Gruppen und Bündnisse machten sich schließlich mehr gut gefüllte Busse auf den Weg nach Dresden als jemals zuvor.
Schon bevor die Nazis und die antifaschistischen GegendemonstrantInnen in Dresden ankamen, war dort ein Großaufgebot der Polizei aufmarschiert. Mit dabei waren bayerische Unterstützungssonderkommandos, routinierte Berliner Einsatzhunderschaften und frisch aufgerüstete sächsische SEK. Mitgebracht hatten sie neben Panther-Helikoptern auch allerlei »Riot control«-Equipment, etwa Wasserwerfer, Räumpanzer und Pepperball-Geschosse. Doch für den Großteil der Busse, egal ob mit AntifaschistInnen oder mit Nazis besetzt, gab es keine Vorkontrollen. Die Polizei riegelte schlicht den Auftaktkundgebungsplatz der Nazis ab, dort sollten sich die meisten Nazis im Laufe des Tages sammeln und dann einfach stehengelassen werden. Einfach stehen- oder sitzengelassen wurden auch die Antifa-Blockaden. Rund um den Platz versammelten sich im Laufe des Tages mehrere tausend Antifaschist­Innen. Die Polizei hatte nicht vor, die Nazis marschieren zu lassen. Ebenso wenig hatte sie vor, die Blockaden zu räumen.
Doch beim Weg zu den Blockadepunkten wurden immer wieder Menschen von Nazis attackiert und zum Teil verletzt. Auch das autonome Zentrum »Conni« wurde von Nazis mit Steinen angegriffen.

Die Polizei verlegte den Aufmarsch der Nazis in den einzigen links-alternativen Stadtteil Dresdens. Das begründete sie mit dem Konzept der angeb­lichen Raumtrennung von Nazis und deren GegnerInnen durch die Elbe, nur um dann den Nazis einen Platz hinter den Gegendemonstranten anzubieten, was auch 6 500 Nazis annahmen. Unter anderem marschierte eine Gruppe von 1 500 Nazis vom Stadtteil Wilder Mann bis zur Neustadt – und das fast ohne Polizeibegleitung. Die Teilnehmer ignorierten den Aufruf diverser rechter Medien, keine Krawallbilder zu produzieren, und griffen in Gruppen mehrfach Antifas an. Dabei war es für alle Beteiligten kaum zu erkennen, ob man es mit Freund oder Feind zu tun hatte: Vermummung und schwarze North-Face-Kapuzenjacken auf allen Seiten. Große Gruppen, kleine Gruppen, es wurde geknipst und gefilmt, den Feind wollte man so wenigstens im Nachhinein identifizieren. Dabei wurden nicht nur AntifaschistInnen Opfer von Nazis, auch einige Rechte bekamen etwas von der von ihnen herbeigesehnten Gewalt zu spüren. Wer da aber Antifaschist und zugleich Pazifist ist oder die körperliche Auseinandersetzung nicht führen wollte oder konnte, der blieb auf der Strecke. Dass die Polizei die Trennung eben nicht durchsetzen würde, war mit der Einladung des nationalsozialistischen Mobs in die Neustadt bereits klar. Dass es den AntifaschistInnen nicht gelang, sich an Ort und Stelle ausreichend zu schützen, lag deshalb in der eigenen Selbstüberschätzung und der gleichzeitigen Unterschätzung der Aggressivität der Nazis.

Der Staat reibt sich derweil die Hände. Als sich die Nazis noch völlig ungestört am bürgerlichen Gedenkritual beteiligten, schaute die Stadt einfach darüber hinweg. Man vermied lästige Pro­bleme durch demonstrative Ingoranz nach dem Motto: »Wenn wir sie nicht sehen – dann sieht sie auch niemand anderes.« Nach der antifaschistischen Intervention, geht das nicht mehr. Nun feiert die Stadt Dresden ihr »würdiges« Gedenkspektakel gleichzeitig als Sieg über den Extremismus. Während sich also der »Pöbel« auf der einen Elbseite schlug, strahlten auf der anderen die Demokraten und reichten sich gegen Gewalt und Extremismus zu Konzertmusik die Hände. Anschließend applaudierte sich das Bürgertum selbst, mit zurechtgelogenen 15 000 Teilnehmern hatte man die Nase vorn, dicht gefolgt von der antifaschistischen Mobilisierung mit angeblich 10 000 SitzblockiererInnen. Schlusslicht bildeten die 6 500 Nazis vor dem Bahnhof Neustadt plus ihre unzähligen Kameraden, die sich durch Dresden und das Umland prügelten. Trotzdem war es damit der größte Naziaufmarsch Europas.

Die Hilfsorganisation für Opfer rechter Gewalt, »Amal«, hätte am Samstag wieder viele neue Klienten bekommen, wäre sie nicht schon Ende 2007 abgewickelt worden. Jetzt müssen nur noch die neuen Programme von Kristina Schröder (CDU), vormals Köhler, gegen Linksextremismus greifen. Denn es reicht nicht, mehr Menschen auf die Straßen zu bringen als die Nazis. Es gilt vor allem, sich und andere gegen ihre Angriffe zu verteidigen und zu schützen. Im Übrigen sind Vergleiche mit Köln unangebracht. Denn dort wurde das Nazitreffen verhindert. In Dresden hingegen gilt es schon als Erfolg, dass sich Tausende Nazis »nur« auf einem Platz versammeln konnten.