Komi E. im Gespräch über die politische Lage in Togo

»43 Jahre Diktatur sind zu viel«

Komi E. ist Mitglied der führenden demokratischen Oppositonspartei Togos, Union der Kräfte für einen Wandel (UFC). 2003 musste er wegen seines politischen Engagements aus Togo flüchten. Seitdem lebt er als Asylbewerber in Deutschland. Auch hierzulande fürchtet Komi E. Gewaltakte der togolesischen Regierung, ebenso aber Repressalien gegen seine Familie in Togo. Dort begannen am Donnerstag voriger Woche die Präsidentschaftswahlen. Die Wahl galt als Test für die Chancen Togos auf eine demokratische Entwicklung. Kritiker, darunter Mitglieder der UFC, sprachen von Manipulationen. Ein Teil der Bevölkerung erkennt das Wahlergebnis nicht an.

Sie haben sich in Togo in der Oppositionspartei UFC engagiert, bevor sie nach Deutschland kamen. Was haben Sie dort konkret gemacht?

In der Partei war ich für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Ich habe also Menschen über Treffen von uns informiert und über Aktionen gegen die Regierung. Wegen meiner politischen Tätigkeit in der UFC, der sogenannten radikalen Opposition, ist mein Leben in Gefahr. Deshalb bin ich als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Ich habe viele grausame Sachen erlebt, viel Blut gesehen. Viele Freunde von mir, die Aktivisten waren, sind erschossen worden. Deshalb habe ich einen Asylantrag gestellt.

Sind Sie heute immer noch politisch aktiv?

Ich bin immer noch in der UFC politisch aktiv. Weil das nicht ungefährlich ist, muss ich auch hier sehr vorsichtig sein. Ich kämpfe außerdem für die Einhaltung der Menschenrechte weltweit, insbesondere in Deutschland und Togo.

Wie sieht die Situation in Togo heute aus?

Die soziale Lage in Togo ist katastrophal. Die Wirtschaftskrise hat das Land hart getroffen. Alles ist teurer geworden. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, die Leute haben kein Geld. Aber die Regierung macht gar nichts. Viele junge Leute sind sehr gut ausgebildet, aber sie finden keinen Arbeitsplatz. Denn um einen Job zu bekommen, muss man gute Beziehungen zur Regierung haben. Von dem Geld aus dem Phosphorverkauf sieht die Bevölkerung keinen Cent, denn die Regierung wirtschaftet in die eigene Tasche.

Hat sich seit Ihrer Flucht die Menschenrechtslage in Togo verbessert?

Nein. Die Regierung sagt zwar: Wir sind demokratisch, wir achten die Menschenrechte, aber das stimmt nicht. Bis heute werden Oppositionelle verfolgt und erschossen. Es gibt keine Pressefreiheit. Wir wollen Freiheit für alle Togolesen, Meinungs- und Pressefreiheit. 43 Jahre Diktatur sind zu viel. Und der Wunsch nach Veränderung ist vielerorts zu hören.

Wie verhält sich denn die sogenannte internationale Staatengemeinschaft gegenüber der togolesischen Regierung?

Die EU vertraut Faure Gnassingbé, dem Präsidenten, der übrigens der Sohn des ehemaligen Militärdiktators Gnassingbé Eyadema ist. Seit zwei Jahren zahlt die EU wieder Entwicklungshilfe an Togo. Aus Deutschland sind auch nach den 2005 vom Militär verübten Grausamkeiten politisch verfolgte Togolesen abgeschoben worden. (Bei den Wahlen 2005 war es zu Unruhen mit mehr als 400 Toten gekommen, nachdem das Militär die Wahlurnen beschlagnahmt hatte, Anm. d. Red.) Und Bundeskanzlerin Merkel hat dem Präsidenten Togos Unterstützung beim demokratischen Prozess zugesagt – ein Prozess, der nach Faures Worten »unumkehrbar« ist. Faure Gnassingbé hat beteuert, die diesjährige Wahl werde ohne Blutvergießen ablaufen.

Bei den Wahlen vorige Woche in Togo hat es sieben Präsidentschaftskandidaten gegeben. Konnte sich die Opposition nicht auf weniger Kandidaten einigen?

Das ist eine Strategie der Regierung, um vor der internationalen Staatengemeinschaft den Eindruck zu erwecken, die Wahlen seien demokratisch. Es werden Kandidaten von angeblichen Oppositionsparteien aufgestellt, die gar nicht zur Opposition gehören, weil sie mit der Regierung kooperieren. Unter den sieben Kandidaten gab es eine Frau, Brigitte Kafui Adjamagbo-Johnson. Sie gehört einer angeblichen Oppositionspartei an, der Demokratischen Vereinigung Afrikanischer Völker CPDA. Die CPDA hat aber mit der Regierung kooperiert, deswegen ist es eigentlich keine Oppositionspartei. Von unserer Partei, der UFC, wurde Jean-Pierre Fabre nominiert. Die anderen Oppositionskandidaten kooperieren mit Faure Gnassingbé. Agbéyomé Kodjo, der die Organisation zur Schaffung eines solidarischen Togo (Obuts) vertritt, war Ministerpräsident unter Eyadema.

Jean-Pierre Fabre galt als aussichtsreichster Gegenkandidat Faures. Was verspricht Fabre?

Fabre will eine Verfassungsreform zugunsten ­eines demokratischen und pluralistischen Staates durchführen. Der Aufbau eines Rechtsstaates, makroökonomische Reformen und die Förderung des Wirtschaftswachstums sind weitere Punkte seines Programms. Außerdem will er Togo aus der politischen Isolation führen und stärker mit den Nachbarländern und der internationalen Staatengemeinschaft kooperieren.

Der internationalen Berichterstattung zufolge gab es während der diesjährigen Präsidentschaftswahlen keine gewaltsamen Zwischenfälle. Wie bewerten Sie den Ablauf der Wahlen?

Transparent sind die Wahlen nicht abgelaufen. Internationale Medien wie Radio France International, Radio France, RTL und La Croix sind während der Wahlen nicht ins Land gelassen worden. Von Freunden weiß ich, dass bereits die Wahlregister manipuliert worden sind. Sie hatten sich vorher ins Wahlregister eintragen lassen. Als sie dann zu ihrem Wahllokal gingen, konnten ihre Namen aber nicht im Wahlregister gefunden werden. Man sagte ihnen, sie sollten es bei anderen Wahllokalen versuchen. Das ist eine Taktik der togolesischen Regierung, um die Leute zu demotivieren und zu verhindern, dass sie wählen. Irgendwann haben sie die Nase voll davon, ständig hin und her geschickt zu werden. In Togos Norden, wo die Wählerschaft der Regierungspartei RPT lebt, sind die Wählerlisten aufgebläht worden.

Was geschieht denn mit den Wahlzetteln?

Eigentlich sollten die Ergebnisse nach der Auszählung der Stimmen per Satellit über das von der EU unterstützte System VSAT an die Wahlkommission übermittelt werden. Bei der Übertragung der Ergebnisse traten aber technische Probleme auf. Die Regierung erklärte, sie würde die Wahlergebnisse per Fax und SMS übertragen, wenn das VSAT-System nicht funktionieren sollte. Diese Methoden öffnen Tür und Tor für Fälschungen. Am Terminal in Lomé können dann falsche Faxe erstellt werden, die das Ergebnis zugunsten von Faure manipulieren.

Hätten die Wahlbeobachter das nicht bemerkt?

Doch, schon. In jedem Wahllokal hielten sich auch Wahlbeobachter von uns auf. Außerdem waren 250 Wahlbeobachter der Westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas, 180 von der EU und 40 von der Afrikanischen Union anwesend. Die Ecowas ist aber nicht wirklich ein unabhängiger Wahlbeobachter. 2005 hatte sie die Wahl trotz zahlreicher Manipulationen als geregelt bezeichnet. Bei der jetzigen Wahl haben die Wahlbeobachter der EU mangelnde Transparenz bei der Auszählung und Übermittlung der Stimmen kritisiert.

Nach dem am Samstag verkündeten Wahlergebnis hat der amtierende Präsident Gnassingbé 61 Prozent der Stimmen erhalten, sein Gegenkandidat Jean-Pierre Fabre 34 Prozent. Aber manche Mitglieder der Wahlkommission aus der Oppositionspartei UFC sagen, Gnassingbé habe in Wirklichkeit nur 46 Prozent erhalten und Fabre 48 Prozent. Was passiert jetzt im Togo?

Die Stimmung ist explosiv. Die Bevölkerung ist sehr wütend, einige wollen lieber sterben als zu akzeptieren, dass das diktatorische Regime weiter an der Macht bleibt. Faure hatte sich bereits vor der offiziellen Verkündung des Wahlergebnisses zum Wahlsieger erklärt. Nach der Verkündung durch die Wahlkommission waren die Straßen voll mit Soldaten einer eigens für die Wahlen aufgestellten Spezialeinheit. Dennoch demons­trierten Fabre und seine Anhänger seit Samstagnachmittag dafür, dass Fabre als gewählter Prä­sident anerkannt wird. Sie riefen »Präsident Fabre« und »Freiheit für Togo«. Die Soldaten setzten Tränengasgranaten ein, dabei wurde mehrere Menschen verletzt. Mehrere Oppositionspolitiker wurden bei der Demonstration am Sonntag festgenommen, darunter Fabre selbst, der aber inzwischen wieder freigelassen wurde. Faure Gnassingbé hat noch keine Erklärung abgegeben. Nach Angaben seiner Parteigenossen ist er in den Urlaub gefahren. Das togolesische Volk wird kämpfen, bis der Sieg Fabres anerkannt wird. Ich fordere die Uno auf, die togolesische Bevölkerung vor den Militärs zu schützen.