Barack Obama und die Atomindustrie

Mehr Reaktoren, weniger Bomben

US-Präsident Barack Obama bemüht sich um nukleare Abrüstung, will aber die zivile Atomindustrie ausbauen.

Über ein tiefseetaugliches U-Boot mit Greifarmen verfügt al-Qaida nicht. Andernfalls wäre es den Jihadisten vielleicht möglich, sich eine Atombombe zu beschaffen. Denn die meisten der etwa 50 Nuklearwaffen, die während des Kalten Kriegs verloren gingen, liegen auf dem Meeresgrund.
Wenn Präsident Barack Obama einen terroris­tischen Nuklearanschlag als »größte Bedrohung« für die USA bezeichnet, denkt er wohl bodenständiger. Terroristen könnten sich durch Bestechung oder Raub Material aus der zivilen Atomindustrie beschaffen. Die Unternehmen scheuen teure Sicherheitsmaßnahmen, und je stärker die Atomindustrie wächst, desto größer wird die Chance für Terroristen, nukleares Material zu ergattern. Wachsen aber soll sie, in dieser Frage ist sich Obama einig mit den meisten Teilnehmern der Konferenz über die Kontrolle nuklearen Materials, zu der er nach Washington eingeladen hatte.
Nur ein Verzicht auf die zivile Atomindustrie ist ein zuverlässiger Schutz vor nuklearem Terrorismus und der Weiterverbreitung von Atomwaffen. Das belegt noch einmal das Beispiel des Iran, dessen Regime sehr geschickt die Verpflichtung der »internationalen Gemeinschaft« nutzt, die zivile Nutzung der Atomenergie zu gestatten, ja sogar zu fördern. Doch Obama, der auch den Bau von Atomkraftwerken in den USA fördern will, hält am Mythos der Trennung zwischen ziviler und militärischer Nutzung der Atomkraft fest.
Dies ist ein wichtiger Grund dafür, dass seine Bemühungen um nukleare Sicherheit und Abrüstung wohl erfolglos bleiben werden. Der zweite Grund ist die Entstehung der multipolaren Welt. Aus der Sicht aufgeklärter US-Militärstrategen hat die Atombombe ausgedient. Im modernen Krieg kommt es auf Präzision und Mobilität an, nicht auf größtmögliche Zerstörungskraft. Das in der vorigen Woche mit dem russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew geschlossene Abkommen beschränkt nun die Zahl der ständig einsatzfähigen Atombomben auf 1 550 für jede Seite.
Die Strategen aufstrebender Regionalmächte denken anders. Für sie ist die Atombombe die Waffe der Wahl, sei es zur Abschreckung oder zur Erweiterung ihres Machtbereichs. Das iranische Atomwaffenprogramm ist entscheidend, weil sein Erfolg zu einem nuklearen Wettrüsten in der Region führen würde. Gestoppt wurden militärische Atomprogramme aber bislang nie durch Sank­tionen, sondern nur durch einen regime change wie in Südafrika. Wichtiger als die Beratungen in den Kongresssälen Washingtons ist daher, was auf den Straßen Teherans geschieht.