Dies ist ein Notfall

Wenn man von einer jugendlich zurechtgemachten Blondine lautstark aufgefordert wird »Mach mir den Löwen!«, gibt es drei Möglichkeiten. Man wendet sich achselzuckend ab, um sie halt einfach ihrem Elend zu überlassen, oder ruft einen Rettungswagen, sofern man glaubt, dass die Frau heilbar ist. Oder man macht den Mund so weit wie möglich auf und beißt sie irgendwohin, wo es ihr richtig weh tut.
Soweit die Theorie. In der Praxis gibt es noch eine weitere Möglichkeit, jedenfalls dann, wenn man eine Kandidatin der Doku-Soap »Germany’s next Topmodel« ist. Und von Heidi Klum gleichermaßen energisch wie penetrant genötigt wird, Löwenschreie von sich zu geben, aus erzieherischen Gründen, wie das deutsche Frolleinwunder behauptet. Wegzulaufen, die Rettung zu alarmieren oder Madame Klum zu beißen, kam der verschüchterten Mannequin-Aspirantin nicht in den Sinn, statt dessen quälte sie sich einige leidlich laute katzenartige Töne ab, so lange, bis Heidi zufrieden war.
Vorstellungen wie diese sind es, die das Format mittlerweile so unerträglich machen. Und das nicht nur, weil es sich herumgesprochen hat, dass Tierstimmen-Imitator und Model zwei vollkommen unterschiedliche Berufe sind, sondern auch, weil es nun langsam genug ist mit den Leute-quäl-Shows.
Ansonsten ist bei den Topmodels alles so wie immer: Frauen werden darin ausgebildet, auf Highheels zu laufen, ohne umzufallen, und möglichst vorteilhaft Kleider zu tragen. Am Ende wird eine von ihnen gewinnen, und hin und wieder in Werbespots zu sehen sein, dann ist das Jahr auch schon vorbei und das nächste Topmodel wird gesucht. Und der nicht siegreiche Rest kann irgendwas anderes machen, Löwen imitieren, zum Beispiel. Oder lernen, wie man schnell und unauffällig die Notruf-Nummer wählt.