Die »griechische Krankheit« breitet sich aus

Sparen bis der Euro crasht

Die »griechische Krankheit« breitet sich aus, der nächste Kandidat ist Spanien. Schon ist von einer »Euro-Dämmerung« die Rede.

Der griechische Premier Giorgos Papandreou schien zufrieden mit dem Ablauf des von den Gewerkschaften kontrollierten Generalstreiks gegen die Sparprogramme am 20. Mai. »Die Stimme jener, die draußen auf den Straßen waren, war lauter vernehmbar, weil sie nicht von Aufruhr oder Riots überdeckt wurde«, erklärte er nach Medienberichten. Lauter, weil leiser? Wie auch immer: Die Beteiligung an der Athener Demonstration an diesem Tag blieb mit etwa 40 000 Menschen weit zurück hinter den etwa 200 000, die am 5. Mai protestiert hatten, es gab keinen erneuten Versuch, das Parlament zu stürmen, und es kam zu keinen Straßenschlachten mit der Polizei.
Keine Frage, der Schock vom 5. Mai sitzt tief. An diesem Tag waren in der Athener Marfin-Bank, die aus der Demonstration heraus mit Molotow-Cocktails in Brand gesteckt worden war, drei Bankangestellte erstickt. Das antiautoritär-anarchistische Milieu diskutiert seither erbittert über »nihilistische Macho-Militanz«, wie es einige ausdrücken, Razzien im Athener Szene-Stadtteil Exarchia verstärken den Druck auf das Milieu. Illegal operierende Gruppen versuchen derweil, die gespannte gesellschaftliche Situation mit Bombenanschlägen wie kürzlich im Gerichtshof von Thessaloniki und vor dem Athener Korydallos-Gefängnis zu eskalieren. Die kommunistische Partei ließ einige Tage vor dem Generalstreik, am 15. Mai, die Muskeln spielen, indem sie ganz alleine eine Demonstration hauptsächlich gegen den Internationalen Währungsfonds durchführte. Es war mit etwa 70 000 Beteiligten ihre größte seit Jahrzehnten. Kurz, was vor knapp zwei Jahren als globale Finanzkrise begann, hat sich in Griechenland über eine Staatskrise zu einer veritablen gesellschaftlichen Krise ausgewachsen.
Ein ähnliches Szenario bahnt sich in Spanien an. Die sozialdemokratische Regierung hat ihr hartes Sparprogramm unter dem Druck der EU-Finanzminister noch einmal deutlich verschärft, zusätzlich 15 Milliarden Euro sollen 2010 und 2011 gespart werden. Das bedeutet unter anderem durchschnittlich fünf Prozent weniger Gehalt für Beamte ab Juni, eine Entscheidung, die das Kabinett pikanterweise mithilfe eines königlichen Erlasses durchsetzte, um das Parlament zu umgehen. Zudem sollen Renten und Pensionen ab 2011 eingefroren werden. Die beiden großen Gewerkschaftsverbände wollen am 2.Juni einen Streik im öffentlichen Dienst abhalten. Im Handelsblatt hieß es am Montag: »Der Chef der wichtigsten Gewerkschaft des Landes sah das Land gestern einem Generalstreik näher als noch vor einer Woche.«
Das Sparprogramm ist überaus umstritten. »Spanien spart sich in die Rezession«, hieß es bereits am 16. Mai in der Financial Times Deutschland. Am Dienstag zitierte das Handelsblatt den IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn mit den Worten: »Wenn jeder sich sagt ›Wir müssen den Gürtel enger schnallen‹, dann wird man in der Tat das Wachstum in der Euro-Zone abwürgen.« Aber genau darauf läuft die deutsche Politik hinaus – für die anderen Eurostaaten. Kein Wunder, dass der Ton schärfer wird. In einem vernichtenden Kommentar über die deutsche Politik mit dem Titel »Euro-Dämmerung«, der am Dienstag in der FTD erschien, heißt es: »Entweder die deutsche Politik lernt schnell, oder die Tage des Euro sind gezählt.«