Die Band Bandbreite will von der WM profitieren

Urin statt Bier

Neben Herstellern von schwarz-rot-goldenen Joghurts und Hundetrikots will auch die Musikgruppe Die Bandbreite von der Fußball-WM profitieren.

Für Deutschland-Fans gab es am Samstag gleich zwei Gründe zu feiern: Dass die DFB-Auswahl wie erwartet ihr Testspiel gegen Ungarn mit 3:0 ­gewann, sorgte für Begeisterung, der Sieg der Lena Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest (ESC) rief sogar einen nationalen Begeisterungstaumel hervor. Sondersendungen von ARD und Pro Sieben begleiteten das Ereignis. »Wir sind nicht nur Papst, wir sind auch Popweltmeisterin«, jubelte Moderator Matthias Opdenhövel im Ersten. Lena Meyer-Landrut bekundete fol­gerichtig nach ihrer Rückkehr aus Oslo immer wieder ihre Liebe zu Deutschland, während ihre Fans zum Empfang deutsche Fahnen schwenkten. Eine Stimmung wie bei einem WM-Spiel, das mit deutscher Gründlichkeit gefeiert wird.
Dabei ging unter, dass Fans der deutschen Nationalmannschaft während des Testspiels im Puskás Ferenc Stadion in Budapest mit der Reichskriegsfahne posiert hatten, die wichtigere Nachricht des Wochenendes war der Jubel der zehntau­senden Menschen, die auf den Fanmeilen in Hannover und Hamburg gefeiert hatten. Viele waren stilecht mit den üblichen Devotionalien bekleidet: Mit deutscher Fahne und Trikot wurde sowohl der Sieg beim Song Contest als auch der Sieg der deutschen Mannschaft gefeiert.
Der Drang der Fans, in den Nationalfarben in Erscheinung zu treten, wird derzeit mit Produkten aller Art befriedigt. Deutsche Trikots für den Hund verkauft zum Beispiel der Textildiscounter Kik. Überall gibt es Megaphone, Schminke, Musikhörner, Fahnen und alles andere, was die Deutschland-Fans begehren, bis hin zum Joghurtdrink mit leidlich schwarz-rot-goldenen Zutaten (Brombeer, Himbeer, Vanille). Selbst das Toilettenpapier in den Nationalfarben scheint sich gut zu verkaufen.
Ein gutes Geschäft wittern auch die Musikgruppen, die Songs zur Weltmeisterschaft herausgebracht haben. Während früher lediglich die Nationalkicker ihren Ausflug zur WM besangen, hat heute jeder Fernsehsender eine eigene Hymne, dazu kommen die Mitgröhl-Stampf-Produktionen diverser Bands, die hoffen, den Fußball-Party-Markt bedienen zu können.
In diesem Jahr möchte auch eine Gruppe am Weltmeisterschaftsgeschäft partizipieren, die bisher nicht durch übergroße Liebe zum Ball aufgefallen ist. Es handelt sich um die Band Die Bandbreite aus Duisburg, die in der Vergangenheit trotz verschwörungstheoretischer und sexistischer Texte auch auf linken Veranstaltungen auftreten durfte. Marcel »Wojna« Wojnarowicz und DJ Torben Pape versuchen, vom nationalen Hype rund um die Weltmeisterschaft zu profitieren. Hatte die Musikgruppe noch 2006 »Du bist nicht artig und jetzt kommt deine Strafe, du kannst nicht erwarten, dass ich zärtlich mit dir schlafe« gereimt, ist es dieses Jahr Deutschland, dem die Band mit einem Lied samt dazugehörigem Video huldigt.
»Weltmeister (Ja wat denn)« lautet der Titel der »Partykracher-EP«, den Die Bandbreite im vorigen Monat herausgebracht hat. Musikalisch versucht man sich nun an einer Art Ballermann-Techno in Schwarz-Rot-Gold. »›Ja, wat denn, ja, wat denn‹ schreien wir den ewigen Nörglern in guter alter Fan-Manier entgegen«, beschreibt Die Bandbreite ihr Lied.
Das dazugehörige Video ist eine visuelle Orgie in Schwarz, Rot und Gold. Für die Produktion des Videos wurde für zwei Wochenenden ein Fußball-Stadion in Duisburg-Hamborn angemietet, außerdem werden die Cheerleaderinnen der »Silver Shadows« aus Oberhausen zu Hilfe geholt – sie sind immerhin die einzigen Darstellerinnen des Videos, die nicht in Schwarz, Rot und Gold gehüllt sind. Dafür treten etwa 100 Fans sowie die Band in den deutschen Nationalfarben auf. »Ja wat denn, wir sind ’ne Runde weiter. Ja wat denn, wir werden Weltmeister«, grölen die Bandmitglieder über einen Kirmestechnobeat, in dem ansonsten gegen die gegnerischen Fans und die »ewigen Nörgler« angesungen wird, die sich nicht dem nationalen WM-Taumel hingeben wollen.
Im Video dreht man folgerichtig dem niederländischen Fan Urin als Bierersatz an und sagt dem kritischen einheimischen »Vogel, der bloß ’ne Fresse zieht«, den Kampf an. Neben einer ansehnlichen Anzahl von Deutschland-Flaggen ist es eine vereinzelte Fahne der Antifaschistischen Aktion, die im »Weltmeister«-Video hervorsticht. Die Bandbreite wollte auf diese Art und Weise wohl ihren angeblich linken Hintergrund belegen – ein Hintergrund, der nicht nur angesichts des Deutschland-Liedes der Band durchaus angezweifelt werden kann, zumal sie im demonstrativen Zeigen der antifaschistischen Fahne einen bewussten Akt gegen die »traumatagestörten Lebensversager« sieht. Gemeint sind damit Antifaschistinnen und Anti­faschisten, die in den Augen von Die Bandbreite einer »faschistischen Pseudolinksideologie« anhängen. Auch wenn sich einfach zu grölende Hymnen an die deutsche Nation und deren Nationalmannschaft in diesen Weltmeisterschaftszeiten gut verkaufen, wird das Lied, angesichts der Konkurrenz durch andere Bands, wahrscheinlich nicht den kommerziellen Erwartungen gerecht werden. Auf dem Markt der Lieder zur Fußballweltmeisterschaft sind zum Beispiel so bekannte Namen wie die Rockband Sportfreunde Stiller oder die Schlagerstars Die Dorfrocker zu finden, die mit ihrem Lied »Schwarz Rot Gold« bereits in den Charts vertreten sind.
So wird Die Bandbreite wahrscheinlich nicht allzu sehr vom grassierenden nationalistischen Taumel rund um die Weltmeisterschaft profitieren, auch wenn das Lied bereits mehr als 37 000 Mal beim Videoportal Youtube angeklickt wurde. Zurzeit träumen die Bandmitglieder noch davon, es nun »so wie Mickie Krause« zu machen, und davon, »bald bei Raab« zu sitzen. Dann hätte »der Trick« funktioniert: »Du holst Leute mit einem Bollo-Schlager auf deine Seite und offerierst ihnen dann die wirklich guten Sachen«, sagt Die Bandbreite-Frontmann Marcel »Wojna« Wojnarowicz. Das wäre dann die für die Band typische Verschwörungstheorie, der altbekannte Mix aus Antiamerikanismus und Antizionismus, der ebenfalls auf der »Partykracher-EP« zu finden ist.
Doch wahrscheinlich wird nichts aus der an­gestrebten Karriere als Stars der deutschen Popmusik, auch wenn sich die Band in ihrem Spagat zwischen reaktionärer Verschwörungsideologie, vermeintlich linken Standpunkten und Deutschland-Huldigung demonstrativ Mühe gibt, so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Daher wird Die Bandbreite wohl auch weiterhin dort auftreten, wo sie bereits in der Vergangenheit aufgetreten ist: auf Treffen des verschwörungstheoretischen Spektrums und auf linken Festivals, wie dem »Festival des politischen Liedes« in Österreich, das im Juni während der Fußballweltmeisterschaft stattfinden soll. Der Auftritt der Band wird von den Orga­nisatorinnen übrigens als »Ausdruck der linken Vielfalt« verteidigt.
Mit etwas Glück bleibt das kollektive »Ja wat denn«-Gegröhle während der WM dann auf ein linkes Festival beschränkt .