Nachruf auf Dennis Hopper

Burn, Hollywood, Burn

Zum Tod von Dennis Hopper.

In all den Nachrufen, die das Schaffen Dennis Hoppers nochmals würdigten, wurde so gut wie nie dieser seltsame Film »White Star« aus dem Jahr 1983 erwähnt. Das mag daran liegen, dass den Film kaum jemand kennt, dass er nicht einmal richtig gut ist und dass sein Regisseur Roland Klick eines der am besten gehüteten Geheimnisse der deutschen Filmgeschichte ist. Aber immerhin ist »White Star« ein echtes Hopper-Vehikel. Der Mann aus Hollywood übernahm die Hauptrolle in diesem Berlin-Film über einen abgehalfterten Manager, der um jeden Preis seinen Schützling zu einem Star machen möchte. Hopper spielte einen Kokainsüchtigen, also sich selbst, in einem Film, der Fragment bleiben musste, weil sich die Dreharbeiten mit dem derangierten Schauspieler irgendwann zu schwierig gestalteten. Man sieht in »White Star« die Wirkung der Drogen und Wirklichkeit mit Fiktion verschmelzen, das macht diesen Film so bemerkenswert.
»White Star« ist bloß eine weitere irre Randnotitz aus dem Leben eines Verfemten, eines Genies, eines Zerstörers Hollywoods, der das amerikanische Kino und seine Funktionsweise gleichzeitig neu erfand. Hopper war früh ganz oben, um dann tiefer zu sinken als die meisten Hollywood-Größen. Selbst im grotesken Scheitern lag immer eine außergewöhnliche Kraft.
Hopper scheiterte gerne, und immer wieder. Und aus Trotz gleich noch einmal. Berühmtestes Beispiel ist seine Regiearbeit »The Last Movie« aus dem Jahr 1971. Ein Film über das Filmemachen, ein postmodernes Meisterwerk, dessen Dreharbeiten ähnlich deaströs waren wie die von »Apocalypse Now«, an denen Hopper – logisch – auch beteiligt war. In »The Last Movie« geht es um das Scheitern einer amerikanischen Filmcrew bei den Dreharbeiten in einem peruanischen Kaff. Wie der Crew im Film erging es auch dem Filmteam von Hopper. Man kam einfach nicht zu Potte. Hinzu kam, dass die Produktionsfirma das Ergebnis für unverkäuflich hielt und dem Film erst keine Chance für den Filmmarkt gab, was ihn zu einem der berühmtesten Desaster der Hollywood-Geschichte machte. Freilich auch zu einem Kultfilm.
Es ist bemerkenswert, dass man in Hollywood so schnell kein Vertrauen mehr zu Hopper hatte. Denn auch »Easy Rider«, der Debütfilm des Regisseurs Hopper, war der zuständigen Produktionsfirma zu bizarr, um daran zu glauben, dass er ein Publikum finden könnte. Ein paar Outlaws mit langen Haaren, die ohne Jobs mit ihren Harleys durch Amerika fuhren und Drogen nahmen, wem konnte man so etwas zumuten? Bekanntlich wurde »Easy Rider« dennoch die Mutter aller Kultfilme, das Werk, das das amerikanische Kino erneuerte und der berühmten Studie von Peter Biskind über das »New Hollywood«-Kino, »Easy Riders, Raging Bulls«, zu einer Hälfte ihres Namens verhalf. Ein riesiger Erfolg, lächerlich geringe Produktionskosten, unglaubliches Einspielergebnis. Und das mit Rebellenposen, Hippiemusik und Anti-Vietnamkrieg-Parolen. Nach »Easy Rider« kamen dann Martin Scorsese, George Lucas, Steven Spielberg und all die anderen jungen Wilden in Hollywood zum Zug.
Früh kam Dennis Hopper rein ins Hollywood-System und blieb doch immer ein Außenseiter. Er war befreundet mit der Ikone jugendlicher Rebellen in den Fünfzigern, mit James Dean, und spielte bereits in » … denn sie wissen nicht, was sie tun« und »Giganten« mit. Später wurde Hopper zum Glaubensbruder von Roger Corman, auch so einem enfant terrible, der mit Sex und Gewalt die amerikanischen Moralvorstellungen herausforderte und einer der ersten Independent-Mogule des amerikanischen Kinos wurde. Mit Corman drehte Hopper noch vor »Easy Rider« und ebenfalls mit Peter Fonda »The Trip«. Schon hier gab es alles, was dann auch in »Easy Rider« wieder zu sehen war: LSD-Rausch-Sequenzen und Rocker auf Motorrädern.
In den Siebzigern hatte das neu eingerichtete Hollywood keinen Bedarf mehr an demjenigen, der den neuen Geist gebracht hatte. Hopper galt als exzentrisch und eigenbrötlerisch. Die neuen Regie-Stars wie Steven Spielberg oder Martin Scorsese waren da umgänglicher. Dazu kamen die Drogen. Hopper war nicht nur Alkoholiker, er nahm alles, was er kriegen konnte. Der Regisseur Wim Wenders, der dankbar war, dass ein ehemaliger Star wie Hopper mit ihm drehen wollte, berichtete, wie er einmal Hopper vom Flughafen abholte und ihm ein zerrütteter Penner entgegenkam, voller Wunden und ungewaschen, so dass er ihn erst einmal im Krankenhaus abgeben musste. Hopper selbst berichtete, dass er in seiner schlimmsten Phase am Tag 25 Biere trinken musste.
Dennoch hat er es irgendwie hinbekommen, auch noch 1980 einen so wunderbaren Film wie »Out of the Blue« zu drehen, der es schafft, den Sex Pistols und Elvis gleichzeitig ein Denkmal zu setzen.
Später folgte dann ein Mini-Comeback auf das andere: Hoppers unvergessliche Rolle als Psycho in David Lynchs »Blue Velvet«, der künstlerische und kommerzielle Erfolg seiner Regie­arbeit »Colors – Farben der Gewalt«, einer der bester Gangfilme aller Zeiten. Und noch später der Ruhm als Fotograf.
Ein weiteres Wunder aus dem Leben Dennis Hoppers: Wie er es geschafft hat, mit den Jahren und trotz all der Drogen immer besser auszu­sehen. Am Ende seines Lebens war aus dem Wüterich ein würdiger Gentleman geworden, der sich auch in schlechten Filmen für kleine Nebenrollen engagieren ließ. Dennis Hopper schaffte es, selbst »Super Mario Bros.« zum Ereignis zu machen.