Über den Wahlsieg der Rechtsliberalen und Rechtspopulisten in den Niederlanden

Bühne frei für rechte All Stars

Nach dem Wahlsieg der Rechtsliberalen und der Rechtspopulisten wird in den Niederlanden über eine Koalition zwischen beiden Parteien diskutiert. Rechnerisch ist sie möglich, inhaltlich ist sie unrealistisch. Alternativen gibt es jedoch kaum.

Am Tag nach der Wahl, bei der die Partij voor de Vrijheid (PVV) zur drittstärksten Kraft in den Niederlanden geworden ist, machte deren Vorsitzender Geert Wilders einen wichtigen Schritt: Er degradierte eines der wesentlichen Themen seines Wahlkampfs zu einem Programmpunkt unter anderen. Im Wahlkampf hatte Wilders verkündet, eine Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahren sei mit seiner Partei nicht zu machen. Jede Koalition, die dies vorhabe, müsse daher ohne die PVV auskommen. Strategisch hatte sich die Partei damit in einer einsamen Ecke des Parteienspektrums platziert, denn der einzige Regierungspartner wären in diesem Fall die Sozialisten gewesen. Alle anderen Parteien stimmen in verschiedenen Ausprägungen einer Erhöhung zu.

Dass die PVV an der Regierung beteiligt wird, ist selbst nach den guten Wahlergebnissen noch immer unwahrscheinlich. Dennoch kann Wilders’ Kurswechsel als Versuch gedeutet werden, sich als regierungsfähig zu profilieren. Wilders relativierte seinen Sinneswandel indessen und erklärte ihn zum »akzeptablen Kompromiss«, weil dadurch eine Regierung unter Beteiligung der Sozialdemokraten verhindert werden könne. Dies brachte ihm von der Konkurrenz auch den Vorwurf des Wählerbetrugs ein.
Die rechtsliberale VVD gewann die Wahl mit 20,4 Prozent knapp vor den Sozialdemokraten der PvdA, die auf 19,6 Prozent kamen. Drittstärkste Partei wurde mit 15,5 Prozent die PVV, die wider Erwarten massiv Stimmen gewann. Die Christ­demokraten verloren fast die Hälfte ihrer Mandate. Die Niederlande befinden sich wieder einmal in einer seltsamen Phase, in der zunächst die Königin am Zug ist. Entsprechend einem strengen Protokoll konsultiert sie Parlaments- und Fraktionsvorsitzende, berät mit ihnen über das Wahlergebnis und diskutiert Koalitionsmodelle. Danach ernennt sie meist einen respektablen Altpolitiker zum offiziellen »Informator«, der in der Folge die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auslotet. Besteht über diese Konstellation ein Kompromiss, übernimmt in der Regel der Spitzenkandidat der größten Partei als »Formator« die Leitung der Gespräche.
Dass dieser Prozess Zeit in Anspruch nimmt, ist nicht ungewöhnlich. Das niederländische Parlament kennt keine Fünf-Prozent-Hürde. Daher sind dort traditionell viele Parteien vertreten, was wiederum die Mehrheitsbildung wesentlich erschwert. So schwierig wie dieses Jahr aber war sie selten: Noch nie rechnete sich ein Wahlsieg in derartig wenige Sitze um. 31 hat die VVD, 30 die Sozialdemokraten. 75 der 150 Abgeordneten der Tweede Kamer werden für eine Koalition benötigt.
Allerdings gibt es dafür rechnerisch nur wenige Optionen. Die erste wäre eine Regierung der drei Volksparteien: Christ-, Sozialdemokraten und VVD. Dass die Christdemokraten nach ihrem Dauerstreit in der letzten Koalition erneut zusammen regieren wollen, ist allerdings kaum zu erwarten. Als zweite Möglichkeit gilt eine Neuauflage der Koalition aus VVD, PvdA und den linksliberalen Democraten66, die bereits zwischen 1994 und 2002 regierten. Mehrheitsfähig ist diese aber nur unter Einbeziehung der ebenfalls linksliberalen Ökopartei GroenLinks. Der Vorsitzende der VVD, Mark Rutte, distanzierte sich jedoch vor der Wahl wegen unterschiedlicher ökonomischer Standpunkte von einer Regierung mit der PvdA. Zudem sähe sich die VVD, die in Immigrations- und ­Sicherheitsfragen deutlich rechts steht, innerhalb dieser Koalition einer linken Mehrheit gegenüber.

Just an dieser Stelle kommt die Partei von Wilders ins Spiel. Eine Rechtsregierung mit VVD, PVV und Christdemokraten (CDA) hätte mit 76 Sitzen zwar eine knappe Mehrheit. Allerdings haben die Christdemokraten, wie alle anderen Parteien mit Ausnahme der VVD, in aller Deutlichkeit eine gemeinsame Regierung mit der PVV ausgeschlossen. Die Lage für die Christdemokraten ist nach der Wahl allerdings so desolat, dass eine solche Option wieder attraktiv erscheinen könnte. Kenner des christdemokratischen Milieus warnen indes vor einem solchen Schritt, der den CDA bei vielen Stammwählern auf Jahre hinweg diskreditieren werde.
Die Wahlsieger hielten sich zunächst mit Kommentaren zu Wilders’ Meinungsumschwung zurück. Der mögliche künftige Kabinettschef Mark Rutte wollte »nicht auf jede Nachricht reagieren«. Ein langjähriger VVD-Abgeordneter, der ehemalige Parlamentsvorsitzende Frans Weisglas, forderte Rutte indes auf, sich deutlich von Wilders zu distanzieren: »Liberale verurteilen keine Frau, weil sie ein Kopftuch trägt.« Weisglas reagierte damit auf eine Umfrage am Tag nach der Wahl, wonach 57 Prozent der teilnehmenden VVD-Wähler eine Rechtskoalition befürworten.
Weisglas repräsentiert den gemäßigten Teil der VVD. Traditionell bestehen bei den Rechtsliberalen große Unterschiede zwischen verschiedenen Flügeln. Auch der strahlende Wahlsieger Mark Rutte, der mit Mitte 40 noch immer wie eine Mischung aus Konfirmant und Jungmanager wirkt, galt parteiintern lange als zu weich, nachdem er den Kampf um die Parteileitung knapp gegen Rita Verdonk gewonnen hatte, die als knallharte Immigrationsministerin eine Ikone des rechten Flügels der Partei war.
Als Geert Wilders in der Wahlnacht in einem Restaurant auf dem Pier von Den Haag den jubelnden Anhängern der PVV zusprach, bedankte er sich bei »anderthalb Millionen Menschen, die für unsere Agenda von Hoffnung und Optimismus gestimmt haben: mehr Sicherheit, weniger Kriminalität, weniger Immigration und weniger Islam«. Mit Ausnahme des expliziten Fokus auf den Islam finden sich all diese Punkte auch im Programm der VVD. Die Gewissensentscheidung der Christdemokraten könnte also noch von Belang sein.