Über die Rettung von Karstadt

Das Kaufhaus mit Mietsorgen

Die Sanierung der Kaufhauskette Karstadt scheint mit dem Zuschlag an Nicolas Berggruen geregelt, die Verhandlungen über die Mietpreise laufen jedoch weiter.

Am Dienstag voriger Woche wurde die Rettung der Karstadt-Warenhauskette verkündet. Der Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg strahlte. Vor zehn Monaten hatte er noch ein recht düsteres Bild der Lage des Arcandor-Konzerns gezeichnet: »Wir haben mit der Lupe nach der Substanz in diesem Unternehmen gesucht, aber wir haben nichts Nennenswertes gefunden.«
Neuer Eigentümer der Kette soll Nicolas Berggruen werden, ein deutsch-amerikanischer Finanzinvestor eher kreativen Zuschnitts, über dessen Herkunft und Mentalität in den vergangenen Tagen häufig berichtet wurde. Ein Dandy soll er sein, ein Getriebener, ein Mäzen auf der Suche nach einer sozialen Aufgabe.

Nach eigenem Bekunden plant Berggruen, die Kaufhauskette möglichst vollständig zu erhalten und die Arbeitsplätze zu sichern. Zum Sanierungskonzept soll eine Dezentralisierung gehören, um den Filialleitern größere Entscheidungsspielräume zu eröffnen. Die Wünsche der regionalen Kundschaft sollen stärker berücksichtigt, das Sortiment soll dementsprechend gestaltet werden. Berggruen hat angekündigt, aus eigenen Mitteln 240 Millionen Euro zu investieren, um die Karstadt-Filialen attraktiver zu machen. Auch glamouröser sollen die Häuser werden.
Ob eine solche Strategie trägt, ist jedoch fraglich. Zum einen ist das klassische Warenhaus eigentlich ein Auslaufmodell, ShoppingCenter und Spartenkaufhäuser haben ihm in vielen Bereichen den Rang abgelaufen. Verstärkt wird dieser Abwärtstrend auch durch Internetshops. Zwar machte der Umsatz im Internet-Versandhandel im vergangenen Jahr nur knapp vier Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatz aus, doch die Zuwachsraten sind enorm.
Ein Problem ist das nicht nur für die angeschlagene Karstadt-Kette, auch ihr Konkurrent Kaufhof hat mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen. Angesichts dieser strukturellen Krise propagiert der Saarbrücker Wirtschaftswissenschaftler Jo­achim Zentes medienwirksam die Fusion von Kaufhof und Karstadt zu einer »Deutschen Warenhaus AG«. Er geht davon aus, dass es nur noch für einen Warenhauskonzern in Deutschland Überlebenschancen gibt. Zentes stützt seine Argumentation vor allem auf eigene Untersuchungen, denen zufolge die innerstädtischen Warenhäuser bis 2015 etwa 40 bis 50 Prozent an Marktanteil einbüßen werden.

Eine solche Fusion scheint nun aber in weite Ferne gerückt zu sein. Der Versuch des Metro-Konzerns, die Kaufhof-Filialen auf diesem Weg profitabel loszuwerden, ist damit ebenfalls erst einmal aufgeschoben. Um eine Fusion zu ermöglichen, hatte gegen Berggruen auch das Immobi­lienkonsortium Highstreet mitgeboten und letztlich den Kürzeren gezogen. Ohne die Option auf eine Warenhaus AG könnte sich nun die von Metro zuletzt forcierte Trennung von Kaufhof verzögern. Potentielle Käufer, wie Blackstone oder Permira, dürften ihre Offerten noch einmal neu bewerten, vermutet Jürgen Elfers, Analyst der Commerzbank.
Berggruens recht allgemein gehaltenen Beschäftigungszusagen und die häufig kolportierte Behauptung, er habe vor allem deshalb den Zuschlag bekommen, weil er als einziger potentieller Käufer keine Opfer von den Angestellten verlangt habe, lassen ihn gegenüber seinen eher undurchsichtigen Mitbietern, dem Highstreet-Konsortium und der Private Equity-Firma Triton, sympathisch aussehen. Dennoch dürften den Beschäftigten langfristig neue Opfer abverlangt werden. Es ist davon auszugehen, dass die tariflichen Standards weiter gesenkt werden. Der Druck, die Profitrate zu erhöhen, ist zu groß und die Ge­legenheit zu günstig, denn die Angst um die Arbeitsplätze könnte die Betriebsräte gefügig machen. Deutlich wird das am Beispiel des Kaufhof-Konzerns, wo im April die Konzernleitung dem Gesamtbetriebsrat ein »Bündnis für Beschäftigungssicherung« anbot, das unter anderem eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 42 Stunden beinhaltet – ohne Lohnausgleich. Trotz eines leichten Rückgangs der Umsätze gelang es Kaufhof auch im vergangenen Geschäftsjahr, steigende Profite zu erwirtschaften. Die Geschäftsleitung versucht jedoch, die Situation bei der Konkurrenz auszunutzen und argumentiert, Karstadt habe durch den Sanierungstarifvertrag und Steuernachlässe Kostenvorteile, die Kaufhof ebenso benötige.

Unabhängig von solchen möglichen Folgen für die Beschäftigten schwebt allerdings immer noch die Drohung der Zerschlagung über der Kette. Im Zuge der Begeisterung über den neuen Investor könnte die Rettung von Karstadt ein wenig voreilig verkündet worden sein. Das Zustandekommen des Kaufvertrags mit Berggruen ist an die Bedingung einer Einigung mit dem Immobilienkonsortium Highstreets gebunden – eben jenem Konsortium, gegen das sich Berggruen erst vorige Woche beim Übernahmepoker durchgesetzt hatte. Im Jahr 2007 hatte der damalige Arcandor-Chef, Thomas Middelhoff, 86 von insgesamt 120 Karstadt-Immobilien an Highstreet verkauft, und zwar zu verdächtig ungünstigen Konditionen für Karstadt. Im vergangenen Jahr führte dieser Deal zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.
Nach den geltenden Verträgen muss Karstadt in diesem Jahr 268 Millionen Euro Miete für die Häuser zahlen, die sich im Besitz von Highstreet befinden. Der Vermieter ist bereit, diese Summe für 2010 auf 210 Millionen zu reduzieren, Berggruen fordert jedoch weitere Mietsenkungen. Hinter Highstreet steht die US-amerikanische Investmentbank Goldman Sachs, die mit 51 Prozent an dem Konsortium beteiligt ist; weitere Partner sind die Deutsche Bank und die italienischen Unternehmen Borletti, Generali und Pirelli. Das Konsortium ist sich seiner Schlüsselrolle bei der Karstadt-Sanierung selbstverständlich bewusst und tritt entsprechend auf.

Dass die Mieten für Karstadt zur Existenzfrage werden, verdeutlicht auch die Haltung des ­Essener Amtsgerichts. Am Donnerstag voriger Woche vertagte es seine Entscheidung über den Insolvenzplan auf den 16. Juli, mit der Begründung, man wolle die Gespräche Berggruens mit dem Karstadt-Vermieterkonsortium abwarten. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung knüpft Highstreet mögliche Zugeständnisse an die Bedingung, dass »Berggruen bei den Mitarbeitern zumindest flexiblere und längere Arbeitszeiten durchsetzt«. Den Vermietern sei unklar, was Berggruen genau wolle, verbreitete Highstreet noch in der vergangenen Woche. »Highstreet ist bereit zu weiteren Mietsenkungen von 230 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren, zusätzlich zu dem bereits im Insolvenzplan zugesagten Sanierungsbeitrag von 160 Millionen Euro über drei Jahre«, hatte ein Sprecher des Konsortiums am 8. Juni gesagt, dieses Angebot jedoch zugleich mit einer Drohung verbunden: »Wenn das für alle Bieter geltende Angebot zu Mietsenkungen nicht angenommen wird, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Liquidation von Karstadt erheblich.«