Pornos, Pleiten und Pastoren

Die unermüdliche Suche nach den Übeltätern, die für die ­Finanzkrise verantwortlich sind, hat neue Ergebnisse erbracht. Die Pornoindustrie ist schuld, denn sie hat dafür gesorgt, dass die Märkte nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit beobachtet wurden. Über den australischen Banker David Kiely, der sich mehr für das Model Miranda Kerr als für den Dax interessierte und deshalb fast seinen Job verloren hätte, wurde an dieser Stelle (Jungle World, 6/10) bereits berichtet. Schon damals erschien es verdächtig, dass sich umgehend eine Bewegung von Bankern zur Unterstützung Kielys bildete, obwohl Solidarität in diesen Kreisen nicht gerade üblich ist. Dann stellte sich heraus, dass auch führende Angestellte der amerikanischen Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) fleißig Pornos anschauten und herunterluden. Einer von ihnen scheiterte innerhalb eines Monats zwar 16 000 Mal an den Filterprogrammen, umging sie aber oft genug, um sich eine stattliche Sammlung zuzulegen. Der Mann kann also nicht allzuviel Zeit seinem eigentlichen Aufgabenbereich gewidmet haben, falls er denn einen hatte. Die SEC galt zuvor als vergleichsweise seriöse Institution. Ihre Angestellten fanden immerhin noch die Zeit, die Korrup­tionsfälle bei Daimler und Siemens aufzudecken, die den deutschen Staatsanwälten seltsamerweise entgangen waren. Doch die Zahl der SEC-Führungskräfte, die auf Porno-Seiten zugriffen, stieg ausgerechnet in den Jahren 2007 und 2008, als die Finanzkrise sich entfaltete.
Marxisten mögen einwenden, dass Begriffe wie »Überakkumulation« und »tendenzieller Fall der Profitrate« hilfreicher bei der Klärung der Krisenursachen sind. Das ist sicherlich richtig. Viel unterhaltsamer aber ist es, sich mit der Verlaufsform der Krise zu befassen und sich an den unzähligen Peinlichkeiten und Tölpeleien zu erfreuen, von denen wir nun erfahren. Leider nur aus den USA, dort findet sich immer ein streitlustiger Kongressabgeordneter, der eine Untersuchung erzwingt. Uns hingegen wird wohl verborgen bleiben, wie etwa Thilo Sarrazin seinen sogenannten Arbeitstag bei der Bundesbank verbringt. Dabei wäre Aufklärung leicht zu erhalten. Denn der »Porn Pastor« Craig Gross hat jüngst die Software X3watch entwickelt. Sie verpetzt den Nutzer automatisch per E-Mail an einen accountability partner, eine zuvor ausgewählte Person, sobald er eine verdächtige Seite aufsucht. Obwohl das menschliche Sexualleben bekanntlich mit einem angebissenen Apfel begann, verspricht Steve Jobs sogar »freedom from porn«, allerdings nur auf dem iPad, und die Experten von PCWorld (PC steht hier für personal computer) glauben, dass er nicht einmal das durchsetzen kann. Auf den krisenfreien Kapitalismus werden wir also noch eine Weile warten müssen.