Über Kündigungen für Leiharbeiter bei den Kieler Nachrichten

Belegschaft kieloben

Im Druckzentrum der Kieler Nachrichten wurde Hunderten Leiharbeitern gekündigt. Sie hatten es gewagt, einen Betriebsrat zu gründen.

»Wir fordern, dass die Kieler Nachrichten uns Leiharbeiter zurück in ihre Belegschaft einbinden«, rief Markus Rohwer am 1. Mai bei der Kundgebung der Gewerkschaften in Kiel von der Bühne. Seit März ist er Vorsitzender des Fachbereichs Druck und Medien im Verdi-Ortsverein Kiel/Plön. Gemeinsam mit anderen Produktionshelfern aus dem Druckzentrum der Kieler Nachrichten (KN) kämpft er gegen die Entlassung durch den Subunternehmer Tabel, nachdem sich die Leiharbeiter gegen schlechte Arbeitsbedingungen zu wehren begonnen hatten. Für 385 Personen soll es deswegen ab dem 1. Juli keine Arbeit mehr geben.
Im Druckzentrum der KN stellt Tabel die Weiterverarbeitung zahlreicher Zeitungen sicher, darunter der Kieler Express, die Hamburger Morgenpost, der Blitz Mecklenburg sowie zahlreiche Hamburger Wochenblätter. Bereits vor zehn Jahren hatten die KN diesen Teil ihrer Druckerei in das eigens dafür gegründete Tochterunternehmen ausgelagert. Seitdem werden jene Arbeiten untertariflich ­bezahlt. Der Tariflohn der Druckindus­trie sieht einen Bruttostundenlohn von 12,90 Euro vor, bei Tabel liegt er bei nur 6,14 Euro. Seit Ende 2009 halten die KN keine Anteile mehr an dem Subunternehmen.
Die Arbeitsbedingungen in der Weiterverarbeitung sollen lange Zeit katastrophal gewesen sein. »Allen Frauen in der Halle wurden die Hocker weggenommen, damit sie sich nicht mehr hinsetzen konnten«, erzählt Marcus Peyn von der Belegschaft gegenüber der Jungle World. »Das Trinken wurde auch schon verboten, bis dann mal eine ältere Dame während einer 14-Stunden-Schicht umgekippt ist.« Peyn berichtet auch von verweigerten Entgeltfortzahlungen im Urlaub oder Krankheitsfall, von Staubbelastung ohne Atemschutz, von unzureichenden Sicherheitsbestimmungen und endlosen Arbeitszeiten. »Die Leute haben teilweise bis zu 18 Stunden am Stück gearbeitet und mussten dann nach sechs Stunden schon wieder antanzen«, so Peyn.

Die Beschäftigten wollten das ändern und wählten im Februar einen Betriebsrat. Peyn wurde dessen Vorsitzender. Bereits in den Jahren davor gab es Versuche, einen Betriebsrat zu gründen, diese scheiterten unter anderem an gezielten Kündigungen. Da diese Kündigungen jeweils erfolgten, nachdem man sich vertrauensvoll an den zuständigen Verdi-Fachbereich gewendet hatte, sieht sich dessen damaliger Vorstand, Richard Ernst, der auch Betriebsratsvorsitzender der KN ist, dem schweren Vorwurf ausgesetzt, mit der Geschäftsführung der KN kooperiert und die Aktiven gemeldet zu haben. Handfeste Beweise dafür haben die Tabel-Beschäftigen jedoch nicht, sondern nur »Anhaltspunkte«, wie auch Peyn zugeben muss. Dass Misstrauen gegenüber Ernst war jedoch so groß, dass der langjährige Bereichsvorstand im März durch Markus Rohwer, einen Leiharbeiter, ersetzt wurde, nachdem 150 Tabel-Beschäftigte Verdi beigetreten waren und sich an der Wahl beteiligt hatten.

Tatsache ist, dass es erst Ende 2009 gelang, eine Betriebsratswahl zu organisieren, ohne dass die Aktiven bereits vor der Wahl entlassen wurden. Rüdiger Tabel, der Geschäftsführer der Tabel-Gruppe, beteuerte, die KN hätten ihm, als die Wahl nicht mehr zu verhindern war, signalisiert, dass sein Werkvertrag nicht verlängert werden würde. Der technische Leiter der KN, Sven Fricke, habe ihm gegenüber erklärt, dass der neue Betriebsrat ein »Wettbewerbsnachteil« sei. In offiziellen Erklärungen betonte die Geschäftsführung der KN dagegen, durch eine Preiserhöhung sei der Subunternehmer zu teuer geworden. In der Folge erhielten die Tabel-Beschäftigten ihre betriebsbedingte Kündigung zum 30. Juni, darunter auch – trotz Kündigungsschutzes – die Wahlvorstandsmitglieder und Kandidaten für die Betriebsratswahl.
Die KN haben nun die Weiterverarbeitung ab dem 1. Juli an andere Subunternehmer vergeben. Eines davon, ein Tochterunternehmen des Springer-Verlags, versah seine Stellenausschreibung bei der Bundesagentur für Arbeit gar mit der Information, dass es »keine ehemaligen Tabel-Mitarbeiter« wünsche. Die stehen nun auf der Straße, geben sich aber noch nicht geschlagen und organisieren derzeit Proteste gegen die KN.