Über den militärischen Einsatz von Robotern

Schieß doch, Robo!

Militär und Polizei sind beim Robotereinsatz ganz vorne mit dabei. Längst wird scharf geschossen. In Zukunft sollen die Systeme gar autonom und in Schwärmen operieren.

Auf einem Übungsgelände der Bundeswehr bei Hammelburg tummelten sich kürzlich sogenannte unbemannte Landsysteme zum »Elrob«-Wettkampf, dem »European land-robot trial«. Die jährlich stattfindenden europäischen Roboter-Geländespiele wechseln sich in ihrer zivilen und militärischen Ausrichtung ab, dieses Jahr gingen bei der Leistungsschau wieder Roboter für militärische Zwecke an den Start. Die Geräte von Universitäten und aus der Industrie hatten dabei Aufgaben in simulierten Geländetypen zu absolvieren. Weil es für die Roboter kein Problem mehr ist, Hindernisse wie Treppen, Röhren, Sand und Pfützen zu überwinden, interessierte vor allem, ob die Maschinen Hürden selbständig bewältigen und sich verschiedenen Situationen anpassen können oder ob es doch noch Menschen braucht, die sie steuern.
Genau genommen sind die in Hammelburg gezeigten Maschinen nur »Halbautomaten«. Gerade im militärischen Bereich werden wichtige Funktionen der Roboter immer noch per Fernsteuerung von Menschen ausgeübt. Frank Schneider, dem Leiter des »Elrob«-Geländespiels, zufolge ist nicht daran gedacht, Geräte zu entwickeln, die auf eigene Initiative schießen. Ob sich das Militär auch längerfristig an die Aussage des Chefs des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie hält, ist allerdings fraglich.
Spätestens, seit der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung vor drei Jahren seinen Kampfroboter SGR-A1 vorstellte, wird nicht nur in der Welt der Militärrobotik über die ethische Zulässigkeit tötender Roboter diskutiert. Die Robotikforschung gründet sich unter anderem auf den Biochemiker und Science-Fiction-Autor Isaac Asimov, der 1942 die »Grundregeln des Roboterdienstes« formuliert hat. Deren erstes Gesetz fordert, dass ein Roboter kein menschliches Wesen verletzen dürfe und sogar dafür sorgen müsse, dass Menschen kein Schaden zugefügt wird. Der SGR-A1 von Samsung denkt da anders. Eine Software soll die Unterscheidung zwischen Menschen und anderen Objekten ermöglichen. Im Falle eines humanen Gegenübers wird die ins Fadenkreuz genommene Person mittels Sprachinterface gewarnt. Gehorcht die Person den Anweisungen der Maschine nicht, feuert sie – mit bis zu 1 000 Schuss pro Minute. Angeblich wird das Gerät zum Schutz südkoreanischer Militärbasen im Irak eingesetzt.
Vor kurzem gestand das südkoreanische Verteidigungsministerium ein, bereits seit längerem zwei Roboter an der Grenze zu Nordkorea stationiert zu haben. Die Systeme verfügen demnach unter anderem über Granatwerfer. Angeblich wird der Feuerbefehl aber von einem menschlichen Soldaten übernommen. Ein Firmensprecher von Samsung lobt den Einsatz der Killer-Automaten, da sie »keinen Raum lassen für alles, was an menschliche Faulheit erinnert«. Wenn technisch alles glatt läuft, sind die Roboter noch fügsamer als gut gedrillte Soldaten.

Ungeklärt ist nach wie vor, wer für etwaige irrtümliche Tötungen von Kampfrobotern verantwortlich ist: Herstellerfirmen, Programmierer, das Militär, das die Roboter einsetzt, oder der jeweilige Soldat, der mit der Führung der Operation beauftragt ist? Dessen ungeachtet wird das automatisierte Töten zielstrebig weiter entwickelt. Nach der Markteinführung des Samsung-Kampfroboters hatte Singapur umgehend einen Wettbewerb für die Entwicklung serienreifer Geräte für die »urbane Kriegsführung« ausgeschrieben. Auch China hält mit: Dessen »Vanguard No. 1« kann angeblich zur Spionage, zur Bombenentschärfung und zum Kämpfen eingesetzt werden. Der geländetaugliche Automat soll sich zudem in großen Menschenmassen bewegen können.
Während sich die automatisierte Kriegsführung auf dem Land noch mit technischen und ethischen Problemen plagt, schafft das Militär im Luftraum bereits Fakten. Beinahe täglich melden Agenturen den Tod von Menschen, die etwa in Pakistan von Drohnen beschossen wurden. Die »unbemannten Luftfahrzeuge« werden dafür mit kleinen »Hellfire«-Raketen ausgestattet. Die Soldaten, die die Drohnen steuern, sitzen entweder in mobilen Leitstellen im Umkreis der Operation oder in Militärbasen in den USA. Die Entwicklung der Drohnen schreitet rasant voran. Die Nutzlast erhöht sich stetig, die Drohnen können immer länger in der Luft bleiben. Vor kurzem haben die USA die einmillionste Drohnen-Flugstunde gemeldet, bald sollen ganze Fliegerstaffeln durch Flugroboterverbände ersetzt werden.

Etliche Regierungen nutzen ihre militärischen Drohnen auch für Belange der inneren Sicherheit, etwa zur Kontrolle von Menschenmassen bei Großereignissen, zur Verfolgung von Verdächtigen oder zur Abwehr von Migranten. In der Schweiz halfen Drohnen bereits, Migranten an der »Grünen Grenze« aufzugreifen. Auch die Polizei ist begeistert von der Möglichkeit, abweichendes Verhalten aus der Luft zu überwachen und zu verfolgen. Meist greifen die Verfolgungsbehörden dabei auf sogenannte Mikrodrohnen zurück, rund einen halben Meter große »Quadrokopter« mit vier kleinen Rotoren, die bis zu 20 Minuten in der Luft bleiben und Videos aus niedriger Höhe liefern. In Großbritannien wurde bereits über eine Festnahme berichtet, die mit Hilfe einer Mikrodrohne zustande kam. Vermeintliche Autoknacker waren im dichten Nebel von einer Wärmebildkamera verfolgt worden, das Gerät »patrouillierte« über ihren Köpfen, bis Polizisten eintrafen. Zahlreiche europäische Polizeibehören experimentieren seit Jahren mit dem Einsatz fliegender Kameras, etwa in Paris, Mailand oder Amsterdam. Deutsche Landeskriminalämter und die Bundespolizei vergleichen in Langzeitstudien Mikrodrohnen deutscher Hersteller.
Um die Stärke und Unabhängigkeit der europäischen Robotikindustrie zu garantieren, hatte die Europäische Kommission die Förderung der europäischen Robotikforschung zwischen 2007 und 2010 auf fast 400 Millionen Euro verdoppelt. Zukünftig sollen Mikrodrohnen selbständig in Gebäude fliegen können, autonom in Schwärmen operieren und durch besseres Energiemanagement länger in der Luft bleiben. Etliche Vorhaben widmen sich der Miniaturisierung der Apparate und der Entwicklung von Antrieben, die den Flügelschlag von Insekten nachahmen. Die insektengroßen Drohnen tragen dabei jetzt schon kleine Kameras. Deutsche Bundesministerien betreiben zudem mehrere Forschungsprogramme zu möglichen neuen Einsatzgebieten, darunter zum »Schutz kritischer Infrastrukturen« oder zur »Gefahrenprognose und -abwehr«.
Im Projekt »Air Shield« wurde kürzlich in Dortmund angeblich erstmals »Schwarmverhalten im freien Feld« gezeigt. Die Entwickler freuen sich über eine »fruchtbare Zusammenarbeit der Disziplinen der Robotik, Informations- und Kommunikationstechnik, Verteilte Künstliche Intelligenz und Geoinformatik«. Das EU-Forschungsprogramm Indect will eine Plattform entwickeln, mit der »Polizeibeamte der Zukunft« mit Quadrokoptern auf Streife gehen könnten. Demnach würde die Drohne verdächtiges Verhalten (etwa »Herumlungern«, Sprayen, Rennen) nicht nur klassifizieren und Polizisten alarmieren, sondern Verdächtige verfolgen, bis Beamte eintreffen.
Noch tragen die getesteten Polizeidrohnen keine Waffen. Allerdings scheint es Entwicklern wie Anwendern schon langweilig zu werden, die Drohnen nur zur Überwachung einzusetzen. Tatsächlich könnten auch Polizeidrohnen bald mit Waffen ausgerüstet werden – wenn auch nicht gleich mit Hellfire-Raketen. Die deutsche Firma Air Robot meldet, ihr Vierflügler könne mit Laserpointern und Nebelgranaten bestückt werden. Französische Hersteller arbeiten angeblich an der Entwicklung fliegender Elektroschocker oder Flashball-Pistolen, die auch Tränengas verschießen können. Die britische Polizei, deren »Bobbies« noch immer keine Schusswaffen tragen, wünscht sich Stroboskop­leuchten oder Soundkanonen aus der Luft. Immerhin.