Umstrittene französische Militäraktion in der Südsahara

Operation gelungen, Geisel tot

Französische Truppen haben sich an einer Militäraktion gegen Jihadisten in der Südsahara beteiligt. Dort operiert eine Gruppe, die sich al-Qaida angeschlossen hat.

»Frankreich ist im Krieg mit al-Qaida«, sagte Premierminister Francois Fillon. Deshalb habe man das mauretanische Militär Ende Juli bei einer Operation gegen die Jihadisten unterstützt. Ob die Intervention als Erfolg gelten kann, ist jedoch fraglich. Denn die Geisel, die von den bewaffneten Islamisten gefangen gehalten wurde, ist nach Angaben der Entführer tot.
Am Montag vergangener Woche wurde bekannt, dass der 78jährige humanitäre Helfer Michel Germaneau, der seit April von einer bewaffnete Islamistengruppe in der Sahara als Geisel festgehalten wurde, ermordet worden ist. Das jedenfalls ist die Version, die von den Entführern über das Internet verbreitet wurde. Sie nennen sich seit drei Jahren »al-Qaida im Land des islamischen Maghreb« (Aqmi) und haben bereits in einigen Landstrichen Nordwestafrikas Terrorakte verübt.
Am Abend desselben Tages bestätigte das französische Verteidigungsministerium die Information. Man habe die Quelle als »authentisch« identifizieren können. Das Ministerium hatte ­allerdings zuvor mehrfach erklärt, es verfüge über keine zuverlässigen Informationen über den Verbleib der Geisel und wisse nicht, ob Germaneau noch am Leben sei.

Michel Germaneau war im April im Norden der Republik Niger verschleppt worden. Seine Entführergruppe hielt sich später in einer Wüstenregion im Norden von Mali auf. Wegen der Herzkrankheit Germaneaus kamen Zweifel auf, ob er die lange Gefangenschaft in der glühenden Hitze überleben könne. Die französische Regierung erklärte Ende Juli, man sei »ernsthaft besorgt«, weil die Entführer auch eine medizinische Versorgung durch neutrale Unterhändler abgelehnt und auf Versuche der Kontaktaufnahme nicht reagiert hätten.
Dem widersprach jedoch die Aqmi am Wochenende. Sie gab im Internet bekannt, es habe über die Geisel, die noch am Leben gewesen sei, »Verhandlungen zwischen uns und Paris« gegeben. Erst nachdem Frankreich am vorvergangenen Samstag mit Mauretanien eine Militäroperation auf mauretanischem Staatsgebiet sowie im Norden von Mali begonnen habe, sei die »Hinrichtung« der Geisel angeordnet worden. Das Außenministerium von Mali behauptet, der Gefangene sei unter den Augen des Aqmi-Gruppenführers Abu Zeid enthauptet worden.
Die Aqmi hatte am 12. Juli die Freilassung unter anderem in Mauretanien inhaftierter Mitglieder binnen 14 Tagen gefordert, andernfalls werde Germaneau getötet. Der Angriff erfolgte kurz vor dem Ablauf des Ultimatums. Dass die französisch-mauretanische Militäroperation der Befreiung Germaneaus gedient habe, wurde jedoch erst im Nachhinein behauptet. Die mauretanische Regierung hatte Kenntnisse über bevorstehende Angriffe auf staatliche Einrichtungen in Maureta­nien erhalten und diesen zuvorkommen wollen. Beide Regierungen hatten zunächst von einer Strafoperation gegen Aqmi gesprochen. Die Jihadisten verloren bei dem Angriff auf ein Wüstenlager sechs ihrer Mitglieder, anderen gelang die Flucht. Doch beim Vordringen der Truppen, deren französisches Kontingent vermutlich zum Service Action des Auslandsgeheimdiensts DGSE ­gehörte, wurde in dem Camp von der Geisel keine Spur entdeckt.
Heftige Kritik an der Operation übten nicht nur französische Linke, sondern auch die Regierungen Algeriens und Malis. Bei dem Angriff sei bewusst die Ermordung der Geisel riskiert worden. Zudem rügt die französische Opposition, dass Präsident Nicolas Sarkozy, der wegen Korruptionsvorwürfen in innenpolitischen Schwierigkeiten steckt, von Skandalen habe ablenken wollen.
Bei einem Besuch in den Hauptstädten Nigers, Malis und Mauretaniens bekam der französische Außenminister Bernard Kouchner vorige Woche Kritik zu hören. Die Regierung Malis beklagte sich über den »Mangel an Koordination«, und die Missachtung der Souveränität des Landes bei der Militäroperation, von der sie erst spät und unvollständig informiert worden sei. Kouchner stellte daraufhin verstärkte Verteidigungsbemühungen Frankreichs in der Sahelzone und im Süden der Sahara in Aussicht.
Das bezeichnete die algerische Tageszeitung Le Quotidien d’Oran als »prächtiges Geschenk für die Propaganda der Jihadisten« . Sie funktioniert seit Jahren nach der Logik einer Konfrontation zwischen ›dem Westen‹ und ›dem Islam‹. Der signifikante Rückgang des Terrorismus in Algerien wurde ab 2003 durch den Krieg im Irak, der neues Rekrutierungspotential bot, verlangsamt. Die ­Jihadisten blieben innenpolitisch erfolglos, ihnen käme eine Konfrontation gerade mit der früheren Kolonialmacht Frankreich äußerst gelegen.
Auch die algerische Regierung ist über die neuen Vorstöße Frankreichs ausgesprochen ungehalten. Die Kader der Aqmi stammen aus Algerien, können der Regierung aber kaum noch gefährlich werden. Mitte der neunziger Jahre gab es 27 000 bewaffnete Islamisten, doch die Jihadisten unterlagen im Bürgerkrieg. Derzeit schätzt etwa das US-Außenministerium die Anzahl der Aqmi-Kämpfer auf 300. Der eher sporadisch auftretende Terrorismus wird gerne für außenpolitische Zwecke genutzt.
Offiziell kooperieren Algerien, Mauretanien, Mali and Niger im Kampf gegen die Aqmi, die sich in den kaum besiedelten und unzugänglichen Wüstengebieten ein Herrschaftsgebiet als Basis für Operationen sichern will. Doch die Regierungen der südlichen Nachbarstaaten misstrauen der Regionalmacht Algerien, der vorgeworfen wird, die Operationen gegen die Jihadisten monopolisieren zu wollen. Tatsächlich ist Al­gerien bemüht, von seiner Rolle im Kampf gegen al-Qaida zu profitieren. In der vorigen Woche lobte die US-Regierung das Land wieder als »Partner Nummer Eins gegen den Terrorismus«. Eine stärkere Beteiligung Frankreichs könnte die Position Algeriens schwächen, während die französische Regierung, die um Einfluss in der Region ringt, einen Machtzuwachs der USA befürchtet.