Der DGB und Teile der sozialen Bewegungen planen Proteste

Lauer Sommer, heißer Herbst

Der DGB ruft zu einem »heißen Herbst« auf. Große Teile der sozialen Bewegungen haben sich dem angeschlossen. Aber an den geplanten Protesten fallen vor allem zwei Dinge auf: Die Fokussierung auf die Banken und die Trägheit der Gewerkschaften.

Vier Jahre ist es her, dass der DGB-Vorsitzende Michael Sommer einen »heißen Herbst« versprach. Damals organisierte der DGB Proteste gegen die Renten- und Gesundheitsreform sowie gegen die Ausweitung des Niedriglohnsektors. Zwar brachte der Gewerkschaftsbund immerhin 250 000 Menschen auf die Straße, doch mehr als lärmende Trillerpfeifen und Sonntagsreden bei Bratwurst und Bier hatte dieser »heiße Herbst« nicht zu bieten. Im Juli dieses Jahres nahm Sommer die Losung wieder in den Mund, nach der Sommerpause will der Gewerkschaftsbund zum Protest gegen das sogenannte Sparpaket und die Gesundheitsreform aufrufen. Sommer versichert: »Das wird schon kräftig werden. Wir werden dahin gehen, wo es wehtut.«
Die Bemühungen des DGB wirken etwas ernsthafter als im Jahr 2006. Insbesondere Verdi und der IG Metall scheint daran gelegen zu sein, dass ihre »Herbstaktion« diesmal mehr Erfolg hat. So ließ etwa die Dienstleistungsgewerkschaft mitteilen, dass sie »den Protest in die Betriebe und Verwaltungen tragen« möchte. Deshalb sei man bemüht, vorab möglichst viele Informationsveranstaltungen, Betriebsversammlungen und lokale Aktionen zu organisieren. Von Ende Oktober bis Mitte November sollen dann die eigentlichen Aktionswochen stattfinden, bei denen in verschiedenen Städten gegen die Verabschiedung des geplanten Haushalts demonstriert werden soll.

Anlässlich des Treffens der europäischen Finanzminister am 29. September ruft der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) bereits zu einem Aktionstag gegen die europaweiten Sparmaßnahmen auf. »Die Rechnung muss von den Banken bezahlt werden und nicht von den Arbeitnehmern«, heißt es in dem Aufruf. Während in Spanien und Griechenland Generalstreiks geplant werden, sieht der DGB nur einen Ausflug zur Demonstration nach Brüssel vor. Da so der Auftakt zu den Herbstaktionen in Deutschland sehr verhalten auszufallen droht, ruft nun Attac zu einem »Bankenaktionstag«, an dem man das Urteil des Bankentribunals (siehe Jungle World 15/10) »in Szene setzen« möchte. Max Bank vom Attac-Koordinierungskreis bestätigte der Jungle World, dass Attac den Protest gegen die Banken im Kontext der europäischen Gewerkschaftsproteste organisierte, »als sich abzeichnete, dass in Deutschland nur wenig passieren wird«. Mit der Fokussierung auf die Banken wolle man die Umverteilungsmaßnahmen wie das »Bankenrettungspaket« nochmals skandalisieren, sagt Max Bank.
Neben Attac wollen sich weitere Organisationen an den von den Gewerkschaften geplanten Protesten beteiligen. Verschiedene lokale Anti-krisenbündnisse, wie etwa der Berliner Zusammenschluss »Wir zahlen nicht für eure Krise!«, wollen ebenfalls ab dem 29. September auf die Straße gehen. Für den 10. Oktober rufen dann verschiedene Erwerbslosengruppen zu einer Demonstration nach Oldenburg auf, auf der die Situation der Hartz-IV-Empfänger im Mittelpunkt stehen soll. Das Bündnis »Bundesweite Montagsdemo« wiederum plant eine Demonstration in Berlin am 16. Oktober, während auch die Anti-atombewegung ihre Proteste gegen die Laufzeitverlängerung mittlerweile in den Kontext des »heißen Herbstes« stellt.

Für Aufsehen hat indessen ein Aufruf der Aktionsgruppe Georg Büchner gesorgt, die für den 18. Oktober nach Frankfurt einlädt. Ziel der Aktionsgruppe ist es, an diesem Tag die Banken des deutschen Finanzzentrums zu blockieren – offenbar will die Gruppe den Protest von Attac noch etwas zuspitzen. Werner Rätz, der Mitglied der Aktionsgruppe und Mitglied im Attac-Koordinierungskreis ist, versicherte der Jungle World: »Das sind zwei Initiativen, die unabhängig voneinander entstanden sind, auch wenn dabei Akteure in beiden Zusammenhängen aktiv sind.« Sehr wohl gäbe es aber »einen politischen Zusammenhang, sowohl in der Sache als auch in der Form«, sagt er.
Attac war zwar an den Vorbereitungstreffen beteiligt, taucht jedoch nicht als offizieller Unterstützer auf. Die Organisation könne nicht zu Regelüberschreitungen aufrufen, erklärte dazu Max Bank, »allein schon wegen rechtlicher Probleme, denen wir als gemeinnützige Organisation unterliegen«. Auch Rätz meint, »solche Aktivitäten« seien bei Attac »durchaus nicht Konsens«, auch wenn den Mitgliedern »freigestellt« sei, »sich individuell an solchen Aktionen zu beteiligen«. Ähnlich verhält es sich etwa bei den verschiedenen Gliederungen der Linkspartei, die zur ordentlich angemeldeten Kundgebung an diesem Tag aufrufen, nicht aber explizit zu den Bank-Blockaden.
In Frankfurt selbst stieß die Aktion auch auf inhaltliche Kritik. Die Aktionsgruppe Georg Büchner spricht auf ihrer Webseite von »heftigen Vorwürfen und Widersprüchen« aus den Reihen des Sozialrevolutionären Bündnisses, an dem verschiedene Antifa-Gruppen, die FAU Frankfurt und die Gruppe Ökolinks beteiligt sind. Dörthe Stein von der FAU Frankfurt sagte der Jungle World, man wolle keinen »zu kurz greifenden Aktionismus« mittragen, der Forderungen nach mehr staatlicher Kontrolle Vorschub leiste. Die Tatsache, dass die Aktionsgruppe von ihrem ursprünglichen Slogan abgerückt ist, der die Banken als »Verursacher« der Krise brandmarkte, ändere nichts daran, dass die Konzentration auf die Banken eine »falsche Symbolik« transportiere, die den »grundlegenden Charakter der Krise« verkenne. »Natürlich ist es wichtig, Widerstand gegen die Abwälzung der Krise auf die Bevölkerung zu organisieren«, sagt Stein, »doch dafür sind längerfristige Bemühungen nötig, die direkt bei den sozialen Bedingungen ansetzen, zum Beispiel, indem der von DGB und Arbeitgebern organisierte Betriebsfrieden gebrochen wird.«

Die Aktionsgruppe Georg Büchner sieht die Blockaden dagegen als Teil solcher Sozialproteste und hofft darauf, dass sie Nachahmer findet. Dass die Proteste aber wirklich genug Dynamik entwickeln, um »Druck auf einer ganz realen Ebene« zu erzeugen, wie Rätz es formuliert, scheint nicht eben wahrscheinlich. Zu viel hängt vom DGB ab, der zweifellos unter den Protestierenden über die meiste Macht verfügt. Doch anders als in den romanischen EU-Ländern wirkt der Gewerkschaftsapparat hierzulande zu angepasst, als dass er seine Mitglieder auch zu politischen Protesten animieren könnte.
Zudem ist das Verhältnis des DGB zu den sozialen Bewegungen nicht das beste. Häufig schreckt der Gewerkschaftsbund davor zurück, mit unabhängigen Organisationen zusammenzuarbeiten, und wo er sich doch auf sie einlässt, neigt die Bürokratie schnell dazu, die Bewegung zu vereinnahmen. Bei der letzten Kooperation zwischen DGB und Gruppen der sozialen Bewegungen bei der Stuttgarter Krisendemonstration im Juni erntete der DGB scharfe Kritik – auch aus den Reihen der Gewerkschaftslinken. Der Gewerkschaftsbund habe die Krisendemonstration dominiert, das Bühnenprogramm und das Demonstrationsbild beherrscht und gar einen Polizeieinsatz gegen wütende Demonstranten zu verantworten, sagen die Kritiker. Vor allem aber ist frappierend, dass ein hochprofessionalisierter Gewerkschaftsapparat knapp vier Monate benötigt, um seine Mitglieder zu nennenswerten Protesten zu bewegen. Wenn die Gewerkschaftsproteste stattfinden, ist das sogenannte Sparpaket so gut wie verabschiedet.