Schwimmen gehen

Bastien Vivès. Blass. Brillenträger. Ein Schlacks. Und ein genialer Comic-Nerd. Man kann sich genau vorstellen, wie er vom Arzt zu hören kriegt, dass er sich nicht immer nur über den Zeichentisch beugen soll und mehr Bewegung braucht. Was für seinen Rücken tun muss. Am besten schwimmen gehen. So beginnt der autobiografische Comic »Der Geschmack von Chlor« und taucht nach wenigen Bildern in den türkisblauen Kosmos des Hallenbads ein, mit seinen klaren geometrischen Linien, den weiten Räumen und schwerelosen Körpern im Wasserbecken. Erzählt wird aus der Perspektive des ungelenken Schwimmers. Er kriegt Wasser in die Nase, sieht viel faltige Haut im Duschraum und begegnet im Becken immer wieder der Frau im schwarzen Arena-Badeanzug. Bald kennt man sich, plaudert am Beckenrand miteinander, sie zeigt ihm, wie Rückenkraulen richtig funktioniert, und am Ende ist der Orthopäde mit dem Rücken seines Patienten sehr zufrieden.
»Der Geschmack von Chlor« ist ein kleines Meisterwerk, die Zeichnungen, die sich ganz auf die Bewegungen der Körper konzentrieren, haben etwas Unwiderstehliches und setzen zugleich dem guten alten Hallenbad ein Denkmal. Das Bad im Comic ist keine Wellness-Oase mit schummrigem Licht, künstlichen Palmen und hohen Eintrittspreisen, sondern eins von der demokratischen Sorte. Ein städtisches Hallenbad, groß und hell, für Alt und Jung, Dick und Dünn. Man möchte sofort sein Schwimmzeug packen, ins nächste Hallenbad stürzen und was für seinen Rücken tun.

Bastien Vivès: Der Geschmack von Chlor. Reprodukt, Berlin 2010, 135 Seiten, 18 Euro