Kein Wunschkonzert

»Knochenarbeit. Ein Frontbericht aus der Wohlstandsgesellschaft« lautet der Titel des ersten Buches von Frank Hertel, der, so der Klappentext, sein »Geld als Billiglöhner« verdient. Aha, denkt man, es gibt ihn also noch, den schreibenden Arbeiter, das leibhaftige Gegenstück zum digitalen Bohemien, und hier ist seine Geschichte. Aber dann liegt die Sache doch ein bisschen anders, und der Autor entpuppt sich als jemand, der gerade sein Soziologiestudium beendet und nach dem Diplom für ein paar Monate einen Abstecher in eine Fabrik gemacht hat. Das ist jetzt nicht ganz das, was einem versprochen wurde, aber, klar, den abgezockten Eisenbieger, der sich nach Schichtende noch ans Laptop hockt, muss man erst mal finden.
Paletten bewegen für acht Euro fünfzig. Darum geht’s in dem Buch. Es gibt Reflexionen über die eigene privilegierte Stellung, die Lebensgeschichten der Kollegen werden kurz ange­rissen, es geht um innerbetriebliche Hierarchien und um die Erfahrung, für wenig Geld an seine körperlichen Grenzen gehen zu müssen. Über weite Strecken liest sich das Buch als Bericht einer Selbsterfahrung. So weit, so gut. Nur schwer erträglich ist aber die Flut soziologischer Ausführungen zu Jugendwahn, Mediengesellschaft, Glück, Bildung, Lebenserfolg und Deutschland. Und so lautet der erschütternde Schlusssatz des Buches dann auch: »Das Leben ist kein Wunschkonzert, aber trotzdem schön.«

Frank Hertel: Knochenarbeit. Hanser, München 2010, 205 Seiten, 14,90 Euro