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Lektoren haben es schwer. Denn Redakteure überfliegen die Texte locker Satz für Satz, schrauben hier und da mal an der Syntax, kümmern sich selten um orthografische Feinheiten und bezeichnen das ganze als Redigieren. Lektorieren dagegen heißt: jeden verdammten Buchstaben einzeln lesen. Dass sich dabei ab und an leichte Bewusstseinstrübungen einstellen, ist nicht verwunderlich. So kommt es vor, dass das Lektorengehirn beim Lesen Buchstaben verdreht, obgleich sie, dank der Sorgfalt unserer Autoren, bereits korrekt auf dem Papier stehen. »Koalition gegen die Straflosigkeit« steht da etwa, und was liest der Lektor? »Koalition gegen die Schlaflosigkeit«. Schwer zu sagen, ob wir dem Kollegen nun Kaffee oder Baldriantee vorbeibringen sollen, vielleicht handelt es sich auch gar nicht um eine Freud­sche Fehleistung. Wahrscheinlich lesen Sie statt »Dschungel« auch stets »Duschgel« auf der Titelseite unseres Feuilletons und wollen auch nicht, dass wir Ihnen deshalb mangelnde Körperhygiene oder aber einen ausgeprägten Waschzwang unterstellen.
Um aber das Verdrängte, das in derlei Fehlleistungen sichtbar wird, irgendwo »aufzuheben«, gibt es in der »Jungle World« die gut versteckte Rubrik namens »Junk Word«. »Die neue Firma wird von einer Software gesteuert«, stand da etwa in der vorletzten Ausgabe, ein Satz, der in diesen Räumen fiel und uns mal wieder vor Augen hielt, dass auch unsere Ichs nicht immer Herren im eigenen Hause sind. Letzte Ausgabe stand an derselben Stelle der bezeichnende Satz: »Es gibt kein deutsches Wort für solidarisch«. »Junk Word« nennt sich jetzt auch eine Ausstellung, die in der Berliner Galerie Knoth&Krüger zu sehen ist, in der unsere Comic-Zeichner Leo Leowald, Andreas Michalke, 18Metzger und digirev ihre Werke präsentieren, die sich meist »Junk Words« annehmen, die außerhalb unserer Redaktionsräume fallen: »Quengelware«, »Deutschenhass«, »Produktduplette«, um nur ein paar zu nennen. Wie das Ganze aussieht? Großartig. Bei der Vernissage bestaunten wir die Comic-Laternen von Leowald, studierten die Originale der Bigbeatland-Comics, erfreuten uns an den digirev-Strips und bestaunten 18Metzgers Zeichnungen auf Leinwand. Bevor Sie uns also, geneigte Comic-Fans, nun schon wieder gehässige Briefe schreiben wollen, weil wir es diese Woche mal wieder wagen, Ihnen auf der Comic-Seite statt Comics eine ausgezeichnete Abo-Prämie zu präsentieren: Besuchen Sie die Ausstellung »Junk Word« in der Oranienstr. 188 (Öffnungszeiten: Do-Sa 16-20). Dort sehen die Comics noch viel besser aus als auf der Rückseite unseres »Duschgels«.

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Verdammte Wessi-Arroganz. Außerparlamentarisch wollte Bodo Ramelow zwar in Sachsen tätig werden, aber parlamentarisch ist er immer noch in Thüringen zu Hause. Und ja: Das sind zwei verschiedene Bundesländer! »Jungle World« 44/2010