Über das Online-Leben des mutmaßlichen Mörders von Malmö

Die Verschwörung des Peter M.

Noch gehen die schwedischen Behörden vorsichtig mit dem mutmaßlichen Mörder von Malmö um. Nach einem Motiv wird offiziell noch gesucht. Dabei wird bei einem Blick ins Internet klar: Der verhaftete Mann ist deutlich dem Milieu der rechtsextremen und antisemitischen Verschwörungstheoretiker zuzuordnen.

Peter M. schweigt. Trotzdem sind die schwedischen Kriminalpolizisten, die ihn seit seiner Verhaftung am 6. November verhören, sicher, dass er der lang gesuchte »Lasermann 2« ist, also der Täter, der seit mehr als einem Jahr Jagd auf dunkelhäutige Menschen in Malmö machte.
Die Beweislage ist eindeutig: Die Waffe, die bei M. gefunden wurde, ist den Ermittlern zufolge die Pistole, mit der Anfang Oktober 2009 die 20jährige Trez West Persson getötet und mehrere Personen verletzt wurden. Nur in einem Fall konnte nicht nachgewiesen werden, dass die 9mm-Glock verwendet wurde.

In schwedischen Medien wird M. als hochintelligenter Einzelgänger beschrieben, die Belege dafür sind allerdings ziemlich spärlich und stammen wohl eher aus der Selbsteinschätzung des 38jährigen. Er glaubte beispielsweise, seit einer Gehirnoperation, der er sich als Kind unterziehen musste, über einen »Super-IQ« zu verfügen – außerdem ging er davon aus, am Asperger Syndrom zu leiden, einer Form von Autismus, die unter Computer-Geeks seit einigen Jahren als besonders cool gilt. Diagnostiziert wurde »Aspie«, wie die Krankheit gern abgekürzt wird, bei M. allerdings ebenso wenig, wie die von ihm angenommene Höchstbegabung jemals getestet wurde.
Ein Einzelgänger scheint der mutmaßliche Heckenschütze auch nicht gewesen zu sein: Zusammen mit seinem besten Freund war er im Sommer in den USA – in dieser Zeit setzten die Angriffe auf Ausländer in Malmö aus. Die beiden Männer besuchten in den USA unter anderem Waffengeschäfte und Schießstände. Beide interessierten sich für Serienmörder, erklärten Bekannte. Ermittler berichteten, die beiden hätten eine Vorliebe für »extreme Gewaltfilme«. Die als Beleg genannten Filmtitel dürften allerdings in jedem Cineasten-Haushalt zu finden sein, handelt es sich doch um Klassiker wie »Natural Born Killers« oder »American Psycho«.
Ähnlich verhält es sich mit M.’s Motiv, das Polizei und Staatsanwaltschaft offiziell immer noch suchen. Ein Rassist sei er nicht, hieß es bislang. Dabei genügt ein Blick auf den zwar mittlerweile gelöschten, im Google Cache aber immer noch vorhandenen Facebook-Account des mutmaßlichen Mörders: Einige seiner Freunde haben ihre Profilbilder mit Hakenkreuzen verziert, manche wählten Nicknames, mit denen sie sich auf den Nationalsozialismus beziehen, andere waren Mitglieder rechtsradikaler Gruppen.
M. selber gab bei Facebook und Youtube als Aktivität »Glock« an und lieferte in den Kommentarspalten der Videoplattform einen eindeutigen Beweis für seine politischen Überzeugungen und Motive. Unter einem Ausschnitt des Films »I am legend« postete er auf Schwedisch: »Hahaha, ein sexy schwarzer Held, alle Bösen sind weiß (und sehen aus wie Neonazis), der schwarze Wissenschaftler rettet die Welt vor weißem Hass hin zu einer multikulturellen Gesellschaft, der Drehbuchautor ist Jude – pure Propaganda! Fuck the NWO!«
Mit NWO ist die New World Order gemeint, ein unter Verschwörungstheoretikern beliebter Ausdruck für die von ihnen herbeihalluzinierten Bestrebungen einer angeblichen »Machtelite«, das »Volk« zu unterdrücken oder wahlweise auszurotten, wobei diese Elite aus Juden und US-Amerikanern besteht. Die kursierenden Endzeit-Szenarien orientieren sich an den von Antisemiten Anfang des 20. Jahrhunderts in Umlauf gebrachten »Protokollen der Weisen von Zion«, die dadurch nachträglich zu einer authentischen Handlungsanweisung umgedeutet werden sollen. Wie für viele Menschen, die in komplizierten Zeiten nach einfachen Erklärungen suchen, war auch M. ein glühender Anhänger von Verschwörungstheorien.

Täglich besuchte er Seiten wie Infowars.com, PrisonPlanet.com, oder TruthNews, wo Alex Jones alles, was auf der Welt passiert, in seine Verschwörungstheorien einordnet. Jones, der Verbindungen zur rechtsextremen John Birch Society und zur paramilitärischen Gruppe Militia Movement hat und gern die vom Holocaustleugner Willis Carto gegründete Zeitschrift American Free Press zitiert, hat eine weltweite Fangemeinde.
M. ist nicht der erste Anhänger von Alex Jones, der dessen wirre Verschwörungstheorien zum Anlass genommen haben könnte, Jagd auf Menschen zu machen. Im Januar 2002 wurde im Gelände von Bohemian Grove, in Kalifornien, ein maskierter Mann verhaftet. Richard McCaslin war schwer bewaffnet und hatte den Plan, viele Menschen zu töten, wie er selbst zugab. Angestachelt wurde er von den von Jones verbreiteten kruden Theorien über das Gelände, auf dem sich jedes Jahr einige der einflussreichsten Männer der Welt treffen.
In einem Interview mit der schwedischen Tageszeitung Aftonbladet bezeichnete Jonathan Leman, Redakteur der Zeitschrift Expo und ausgewiesener Experte für Verschwörungstheorien, das, was über M.’s Surfverhalten bekannt wurde, als typisch. Rassismus, gepaart mit Verschwörungstheorien, ziehe sich wie ein roter Faden durch das Online-Leben des mutmaßlichen Täters. Der Kommentar, den er bei Youtube hinterließ, zeige, dass er »Multikulturalismus und Einwanderung mit dem Judentum verbindet und sich somit an eine klassische rechtsextreme Gedankenfigur anschließt«. Sich wie M. selbst für besonders intelligent zu halten, passt ebenfalls ins Bild. Solche Menschen dächten, sie hätten »das Licht gesehen und alle anderen seien blind für die Wahrheit«, wer sich bislang als Außenseiter fühlte und »über nur wenig Selbstwertgefühl verfügt, wird plötzlich zum alles verstehenden Genie«.
M. selber schweigt jedoch weiterhin. Mittlerweile wurden die Ermittlungen auf die USA ausgedehnt. Im Dezember 2007 war er in Boca Raton, als eine junge Frau und ihr Kind ermordet wurden. Die Frau war eine Einwandererin.