Die Reaktionen auf die Terrorwarnungen 

Einfach aufpassen

Nach den Terrorwarnungen kommen die altbekannten Sicherheitskonzepte.

Was sind das doch für lausige Zeiten. Nicht einmal auf al-Qaida ist Verlass. Zwei Wochen lang wurden auf allen Kanälen die Erstürmung des Hotel Adlon und die Sprengung des Reichstags­gebäudes angekündigt. Sogar der genaue Termin wurde bekanntgegeben: Donnerstag, 25. November 2010. Die Glaskuppel über dem Plenarsaal wurde für den Publikumsverkehr gesperrt, am Mittwoch verlas Bundestagspräsident Norbert Lammert mit bebender Stimme: »Wir werden uns von unserer Arbeit trotz terroristischer Bedrohung nicht abbringen lassen.« Und dann? Dann passierte nichts. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – so lauten die Stellungnahmen des Bundesinnenministeriums. Und Genaues weiß auch diesmal keiner. Genau das ist ja der Trick mit al-Qaida, dass man es nie so recht weiß. Wenn das Reichstagsgebäude explodiert, dann ist das die »Handschrift« von al-Qaida. Wenn es nicht explodiert, dann auch. Dagegen helfen erhöhte Wachsamkeit gegenüber neuen Nachbarn und jene Rezeptur, die uns auch bei jeder anderen tatsächlichen oder mutmaßlichen Bedrohung in den vergangenen Jahrzehnten von den Innenpolitikern verordnet wird: die vollständige Zusammenlegung der Polizei- und Geheimdienste, der Ausbau von Bundespolizeibehörden, ein weiteres Herausdrängen richterlicher und staatsanwaltlicher Kontrolle aus Ermittlungsverfahren, der Ausbau der Datenerfassung sowie der Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Inneren. Für die Bevölkerung ein bisschen Denunziantenstadel, für die Polizeibehörden werden rechtliche Hindernisse beseitigt, und Wolfgang Schäuble bekommt endlich den Bundeswehrseinsatz in Berlin, den er sich seit 20 Jahren wünscht.
Denkbar ist das alles – und mit dieser Regierung auch möglich. Flexible, nachrichtendienstlich gut betreute und zum Töten bereite Sicherheitskräfte sind wichtige Instrumente staatlicher Durchsetzungsfähigkeit im globalen Krieg. Um mithalten zu können, müssen deutsche Behörden noch einiges leisten. Und nach wie vor fehlt das legitimierende Verbrechen, das idealerweise nicht gegen Deutsche, sondern gegen die Deutschen gerichtet sein sollte. Da war der Bundestag schon nicht schlecht gewählt.
Fraglich ist nur, ob al-Qaida mitspielt. Verheerende Anschläge, die sich überwiegend gegen US-Ame­rikaner und Juden richteten, sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Masse der Anschläge anders verläuft. Fast durchweg besteht der Terror aus wenig intelligenten Hit-and-run-Aktionen und einfach durchzuführenden Anschlägen auf Zivilisten. Im Kaukasus, in Afghanistan oder im Irak führt der Krieg der Islamisten die Dialektik technischer Modernisierung vor, die darin besteht, dass selbst ein Kind in der Lage ist, technische Apparaturen zu bedienen, die Leben vernichten. Die Stärke der Islamisten liegt in der Einfachheit des Tötens begründet, darin, dass noch der letzte Dorftrottel aus Afghanistan oder dem Sauerland zum Mujahed werden kann, wenn man ihm nur eine Höllenmaschine in die Hand gibt. Zuletzt konnte man im Verfahren gegen die Sauerlandgruppe studieren, dass es sich bei Terroristen in der Regel nicht um zielgenau tötende, intellektuelle Profis handelt. Eben hier liegt auch das Problem der Behörden: Man müsste schon vor jedes Haus einen Polizisten stellen, wollte man hierzulande jeden Spinner im Auge behalten. Da bleibt man doch lieber beim Bewährten und ruft zur Achtsamkeit auf.