Ärzte helfen abzuschieben

Beruf Abschiebearzt

Schon im Mai wurde bekannt, dass zwei Ärzte der Bremer Ausländerbehörde angeboten hatten, »sämtliche medizinische Gutachten« auszustellen, die für Abschiebungen benötigt werden, und die Behörde nahm das Angebot an. Die zuständige Ärztekammer prüft den Fall seit Monaten. Bei der Bremer Ausländerbehörde zog der Fall bereits Konsequenzen nach sich.

Das Schreiben klingt wie ein Werbebrief zweier Handwerker, die betonen, dass sie sauber und pünktlich arbeiten, flexibel sind und optimale Qualität liefern – gutes deutsches Handwerk eben. »Wir verfügen über eine mehrjährige Erfahrung bei Rückführungen in die jeweiligen Heimatländer weltweit«, priesen sich die Ärzte Oliver Engel aus Marpingen (Saarland) und Dr. Tatjana Mockwitz aus Kronberg im Taunus bei der Ausländerbehörde Bremen an. »Wir sind als Team für verschiedene Bundesländer in Deutschland tätig – Referenzen schicken wir Ihnen gerne auf Verlangen zu. Gern würden wir auch Ihrer Behörde weiterhin zur Verfügung stehen.«
Konkret boten die Ärze Atteste und Dienstleistungen an, die die Ausländerbehörde braucht, um medizinische Einwände gegen Abschiebungen abzuweisen. Neben der »medizinischen Begleitung zum jeweiligen Flughafen« finden sich im Leistungskatalog der Ärzte die »Untersuchung auf Gewahrsamsfähigkeit einschließlich Ausstellung entsprechender Bescheinigungen«, »Flugreisetauglichkeitsuntersuchungen«, »medizinische Begleitung von Einzel- und Sammelcharterflügen« und das »Erstellen sämtlicher medizinischer Gutachten«. Hier preisen sich Spezialisten an – Abschiebeärzte. »Da wir uns ausschließlich auf die aufgeführten medizinischen Leistungen spezialisiert haben, können wir unsere Zeit flexibel gestalten und somit auch ggf. sehr kurzfristig Aufträge übernehmen«, schreiben der Suchtmediziner Engel und die Notärztin Mockwitz.

Die Akquise der beiden Ärzte war erfolgreich. Im Auftrag der Bremer Ausländerbehörde wurden sie an Abschiebungen von Flüchtlingen beteiligt, indem sie die Reisefähigkeit von Flüchtlingen feststellten, die von anderen Ärzten zuvor als nicht reisefähig eingestuft worden waren. Wer die bestellten Atteste mit den gewünschten Ergebnissen liefert, wird für seine Dienstleistungen natürlich auch bezahlt. »Für meine ärztlichen Leistungen am 17. 1. und 18. 1. und 19. 1. 10 erlaube ich mir zu berechnen: 2 075,38 Euro. Mit freund­lichen Grüßen, Oliver Engel, Arzt«. Das zuständige Stadtamt Bremen bestätigt mit einem Stempel: »Sachlich und rechnerisch richtig«. Zum Honorar kamen noch über 200 Euro Fahrtkosten hinzu. Extra zwei Ärzte aus dem Saarland und Hessen anreisen zu lassen, schien der Bremer Behörde offenbar nicht zu teuer.
Was sagt die zuständige Ärztekammer des Saarlandes dazu? Immerhin hatte der Deutsche Ärztetag 2008 in Ulm unter dem Motto »Abschiebung ist kein flugmedizinisches Problem – Sicherung ethisch-medizinischer Standards« eine Entschließung formuliert, die die zuständigen Landesärztekammern auffordert, »berufsrechtlich gegen Ärzte vorzugehen, die die einschlägigen Resolutionen der Ärzteschaft und die ethischen Grundsätze ärztlichen Handelns verletzen«. Zudem könnte der Fall strafrechtliche Konsequenzen haben, denn der Paragraf 278 des Strafgesetzbuches stellt »das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse« unter Strafe. Dort heißt es: »Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen, welche ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.« Der Saarländische Flüchtlingsrat, der zusammen mit der Initiative Dritte Welt Saar den Brief und die Rechnungen der Ärzte im Internet öffentlich machte, hat die Ärztekammer bereits Mitte Juni über den Fall informiert. Erst nach mehrmaligem Nachfragen erfuhr der Flüchtlingsrat Anfang September von der Kammer, dass sie die Angelegenheit prüfe. Besonders eilig ist es der Ärztekammer damit offenbar nicht. Immerhin soll in der Zwischenzeit Oliver Engel zum Gespräch in die Ärztekammer zitiert worden sein.

Dabei ging die Abschiebepraxis der Bremer Ausländerbehörde selbst dem Bundespolizeipräsidium in Koblenz zu weit. Die Bundespolizei schrieb an die Bremer Ausländerbehörde: »In dem von Ihnen mitgeschickten ärztlichen Gutachten wurde jeweils festgestellt, dass Herr Fetullah D. nicht reisefähig ist. Zur weiteren Planung einer begleiteten Rückführung benötigen wir ein Gegengutachten durch einen Amtsarzt, welcher die Flugreisefähigkeit bestätigt«. Das Gegengutachten der beiden Honorarärzte schien der Bundespolizei offenbar nicht seriös, aber schließlich kooperierte auch sie mit den beiden Abschiebeärzten. Die »ärztlichen Untersuchungen« fanden bei der Bundespolizei am Flughafen statt. Auf die Schnelle wurde dort mit ihrer Hilfe die amtsärztliche Bescheinigung der Fluguntauglichkeit aufgehoben.
Doch zieht der Fall offenbar Konsequenzen für die beteiligten Beamten der Bremer Ausländerbehörde nach sich. Wie die Taz vergangene Woche berichtete, setzte der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) den verantwortlichen Leiter des als Ausländerbehörde fungierenden Stadtamtes ab. Die Ausländerbehörde hatte nicht nur die Dienste der beiden Abschiebeärzte in Anspruch genommen, sondern sich generell für eine rigorose Abschiebepolitik eingesetzt und dabei auch Anweisungen des dienstvorgesetzten Innensenators ignoriert. Dieser hatte angeordnet, dass er im Falle unterschiedlicher ärztlicher Einschätzungen, selbst die letzte Entscheidung über die Abschiebung treffe. Doch die Behörde hatte ihn übergangen. Gegen den Leiter des für »Duldung und Rückführung« zuständigen Teams der Behörde wurde mittlerweile ein Disziplinarverfahren eingeleitet.