Die Revolte in Bahrain

Die Insel ist reif

Die arabische Revolte erreicht die Golfmonarchien. Das bahrainische Regime befahl einen Angriff auf die Protestbewegung, will nun aber verhandeln.

König Hamad bin Isa al-Khalifa glaubte, ausreichend vorgesorgt zu haben. Er hatte verkünden lassen, dass jeder Familie in Bahrain 1 000 Dinar, umgerechnet fast 2 000 Euro, ausgezahlt werden sollen. Offizieller Anlass der Großzügigkeit war der zehnte Jahrestag des Referendums über die National Action Charter, der am 14. und 15. Februar 2001 angeblich mehr als 98 Prozent der Bahrainis zustimmten.
Ein im falschen Moment gezahltes Schmiergeld kann das Gegenteil des Erwünschten bewirken. Dass der König ihnen den Wunsch nach Freiheit abkaufen wollte und damit auch zeigte, dass er sich vor Protesten fürchtet, dürfte viele Bahrainis in dem Entschluss bestärkt haben, auf die Straße zu gehen. Die Oppositionellen wollten den 14. Februar auf ihre Art feiern, sie riefen zu Protesten an diesem Tag auf. »Wenn wir nicht selbst unsere Rechte fordern, wird sie uns niemand geben«, stellt die Bahraini Youth for Freedom fest. Während das Königshaus die National Action Charter, deren Verabschiedung eine Reaktion auf Revolten in den neunziger Jahren war, als wichtiges Reformwerk betrachtet, verurteilt diese Jugendbewegung in ihrem Manifest Unterdrückung, Korruption und Zensur.

Ausdrücklich werden die Revolutionen in Tunesien und Ägypten als Vorbild benannt. Der Platz der Befreiung Bahrains sollte der Perlenplatz in der Hauptstadt Manama werden, den die Protestierenden bis zur Erfüllung ihrer Forderungen besetzen wollten. Doch am Donnerstag voriger Woche rückte noch vor Sonnenaufgang die Polizei an, bei der Räumung des Protestcamps wurden vier Menschen getötet. Zu weiteren Auseinandersetzungen kam es während der Trauerfeiern für die Getöteten, zwei Protestierende wurden ­erschossen. Das Regime ließ Panzer auffahren und aus Luftabwehrgeschützen über die Köpfe der Demonstranten feuern.
Doch auch in Bahrain steigerten die Angriffe und Drohungen nur die Entschlossenheit. Am Samstag wurde der Perlenplatz erneut besetzt. Zunächst schien es, als wollte die Polizei angreifen, doch überraschend zog sie sich zurück. Seitdem ist der Platz besetzt, viele Demonstranten übernachten dort. Im Auftrag des Königs soll Kronprinz Sheikh Salman bin Hamad al-Khalifah nun mit der Opposition verhandeln. Er entschuldigte sich für die Angriffe der Polizei und möchte, dass alle Bahrainis einander »die Hand reichen«.
Noch ist unklar, ob die Opposition dazu bereit ist. Die Parolen schwanken zwischen »Tod für al-Khalifa« und der Forderung nach Einführung einer konstitutionellen Monarchie. Da König Hamad gerade noch rechtzeitig zur Vernunft gekommen zu sein scheint, kann er seinen Thron vielleicht behalten, allerdings wohl nur, wenn er sich in Zukunft damit begnügt, Kindergärten einzuweihen. Denn die Erstellung einer neuen Verfassung ist die wichtigste Forderung der Opposi­tion, die Bahraini Youth for Freedom beruft sich auf die »universalen menschlichen Werte der Gleichheit und der Gerechtigkeit«.
Mit dem Aufstand in Bahrain ist die arabische Revolte auch in den Golfmonarchien angekommen. Anderswo auf der Welt werden nur noch wenig bedeutende Staaten wie Bhutan und Swaziland von absolutistischen oder autokratischen Königen regiert. Doch an den Ufern des Persischen Golfs gibt es nicht nur die höchste Monarchiedichte der Welt, Staaten wie Saudi-Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate sind auch wichtige Ölproduzenten.
Deshalb galten ihre archaischen Herrschaftssysteme bislang als stabil, die Ölrente ermöglichte es den Autokraten, ihren Untertanen allerlei Wohltaten zukommen zu lassen. Für besonders harte Arbeiten und allerlei Dienstleistungen wurden Migranten angeworben, deren Zahl in Bahrain dem Zensus des vergangenen Jahres zufolge erstmals höher war als die der Staatsbürger. Unfrei, aber wohlhabend und umsorgt von asiatischen Hausangestellten, zudem viel zu konservativ für eine Revolution – so dachte man bis vor kurzem über die Bewohner der Golfmonarchien.

Doch nur der Scheich ist wirklich reich. In Saudi-Arabien, dem einzigen Land der Welt, das nach seinen Besitzern, dem Clan der Sauds benannt ist, gibt es nicht einmal eine Trennung zwischen dem Vermögen des Königshauses und dem Staatsbudget. In Bahrain unterhält der Monarch ein korruptes Klientelsystem, das die Mehrheit der Bevölkerung ausschließt. Es gibt auch arme Bahrainis, die offizielle Erwerblosenquote beträgt knapp vier Prozent, und das Regime hat sogar eine Arbeitslosenunterstützung bewilligt.
König Hamad gehört zu den liberaleren Monarchen am Persischen Golf. Doch die meisten Minister sind Angehörige der Königsfamilie, die sich auch das letzte Wort über alle Gesetze vorbehält. Es wird gewählt, Parteien werden geduldet, doch setzte das Regime jeglichen oppositionellen Aktivitäten enge Grenzen. Ein wichtiges Herrschafts­instrument ist die konfessionelle Diskrimierung. Angehörige der schiitischen Bevölkerungsmehrheit werden systematisch von allen Machtpositionen ferngehalten, um die Reihen von Polizei und Militär mit zuverlässigem Personal zu füllen, wurden Sunniten aus anderen Staaten eingebürgert.
Um einen schiitischen oder gar proiranischen Aufstand handelt es sich jedoch nicht. »Es gibt keinen Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten«, betont die Bahraini Youth for Freedom, diese Parole wurde bei den Protesten oft wiederholt. Wie in den anderen arabischen Revolten sind in Bahrain die Islamisten von der Demokratiebewegung verdrängt worden. Auch Migranten haben sich an der Revolte beteiligt, nach Angaben von Augenzeugen haben auch einige Saudis die Gelegenheit genutzt, ungehindert zu demonstrieren.
Über den King Fahd Causeway ist der Inselstaat Bahrain mit Saudi-Arabien verbunden, für die Saudis in ihrem mit strengem Puritanismus regierten Reich war bereits Manama mit seinen Bars und Nachtclubs »Sin City«. Nun können sie dort sehen, dass auch ein König in Bedrängnis geraten kann. Saudische Dissidenten haben angekündigt, dass sie am 11. März in der Hauptstadt Riad protestieren wollen.