Stellt die neue linke baskische Unabhängigkeitspartei vor

Sonnenaufgang auf Baskisch

Mit einer neuen Partei, die sich deutlich von der Eta abgrenzt, will die linke bas­kische Unabhängigkeitsbewegung in die Legalität zurückfinden.

Sortu ist ein baskisches Wort, das so viel wie »geboren werden« bedeutet und mittlerweile eines der bekanntesten baskischen Wörter überhaupt sein dürfte. Denn so heißt das neue politische Projekt der baskischen Linksnationalisten. Eine aufgehende Sonne und ein kleiner achtzackiger Stern auf orange-goldenem Grund ist das Logo der neuen Partei, die sich Anfang Februar mit großem Medienrummel der Öffentlichkeit präsentierte. Mit einer Mischung aus Skepsis und Optimismus beschäftigen sich seitdem die spanischen Medien täglich mit der neuen Partei, die ein baldiges Ende der bewaffneten Auseinandersetzung im Baskenland herbeiführen soll.
Für große Aufmerksamkeit sorgt vor allem, dass die neue Partei die baskisch-nationalistischen Guerillaorganisation Eta ablehnt. Nicht nur die Gewalt wird verurteilt, es ist zudem festgelegt worden, dass niemand gleichzeitig Mitglied der neuen Partei und der Eta sein darf. Es ist das erste Mal, dass sich die Izquierda Abertzale (IA), die linke Unabhängigkeitsbewegung, mit solcher Deutlichkeit von der Eta abgrenzt. Und wohl nicht nur aus taktischen Gründen. Viele sehen keinen Sinn mehr in der militanten Politik der Eta, deren jüngste Attentate wie der verzweifelte Versuch wirkten, die eigene Existenz zu rechtfertigen. Vor allem aber will die linke Unabhängigkeitsbewegung einem erneuten Verbot entgegentreten. Es ist bereits die 13. Parteigründung der baskischen Linksnationalisten seit der Einführung der Demokratie in Spanien. Sämtliche bisherigen Parteiprojekte wurden wegen vermeintlicher oder tatsächlicher politischer und organisatorischer Nähe zur Eta in den vergangenen Jahren verboten.
Diesmal hat das spanische Innenministerium ein 80seitiges Dossier an die zuständige Staatsanwaltschaft geschickt, um erneut beim Obersten Gerichtshof ein Verbot zu beantragen. Darin heißt es, die Initiative zur Parteigründung habe »unter direkter Kontrolle« der Eta stattgefunden. Sortu sei, wie schon ihre Vorgängerpartei Batasuna, nur ein Instrument der baskischen Guerilla, um ihre Ziele auf institutionellem Wege zu erreichen, heißt es im Bericht der Guardia Civil. Konkrete Beweise dafür, dass die Sortu im Auftrag der Eta handele, werden nicht genannt, stattdessen finden sich Verweise auf vorangegangene Partei­gründungen, die nahelegen, dies sei schon immer die Taktik der Terroristen gewesen. Zudem sei im Programm viel vom »demokratischen Prozess« die Rede, einem Begriff, der auch in Dokumenten der Eta immer wieder auftauche.

Michael Scheinin, UN-Beobachter für Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus, hatte bereits 2008 in einem Bericht beklagt, dass gewisse Passagen des spanischen Parteiengesetzes so ausgelegt werden könnten, dass »jede politische Partei, die mit friedlichen Mitteln die gleichen politischen Ziele wie terroristische Gruppen verfolgt«, unter den Begriff Terrorismus falle. Auch spanische Gerichte haben oft die Gleichsetzung sämtlicher baskischer kultureller und sozialer Bewegungen mit der Eta im Antiterrorkampf kritisiert. Mariano Rajoy, der Vorsitzende der rechtskonservativen Volkspartei (PP), nannte den Bericht des Innenministeriums hingegen eine »sehr gute Nachricht, zu der wir uns alle gratulieren können«. Das Wichtige sei, zu verhindern, dass »die Terroristen zur Wahl antreten«. Bis Anfang März hat die Staatsanwaltschaft nun Zeit, den Verbotsantrag einzureichen. Dann muss der Oberste Gerichtshof entscheiden, ob die Partei zu den Kommunalwahlen im Mai diesen Jahres zugelassen wird.
In der Zwischenzeit will die IA den politischen und gesellschaftlichen Druck erhöhen. In der fünften »Internationalen Woche der Solidarität« Anfang Februar gab es nach Angaben der Veranstalter über 100 Aktionen in über 20 Ländern (wobei auch die Bretagne, Katalonien und Schottland als Länder gezählt werden). Auch die »baskische Diaspora«, wie die linksnationalistische Tageszeitung Gara baskische Bürger, die im Ausland leben, nennt, beteiligt sich und ruft für Ende Februar zu einer Demonstration in Mailand auf. Am Samstag gingen bereits mehrere tausend Menschen in der baskischen Hauptstadt Bilbao auf die Straße.
Der Zeitpunkt für die Gründung der Sortu ist klug gewählt. Die Eta hatte bereits im September mitgeteilt, sie werde die Waffen vorerst ruhen lassen. Nach der auch von Linksnationalisten geäußerten Kritik, die Erklärung sei unzureichend, verkündete sie nun im Januar eine »dauerhafte und umfassende« Waffenruhe und erklärte sich bereit, den Waffenstillstand von einer internationalen Kommission überprüfen zu lassen. Eine »Internationale Kommunikationsgruppe« um den südafrikanischen Anwalt Brian Currin, der bereits in Nordirland und Südafrika an Friedensverhandlungen beteiligt war, ist vergangene Woche ins Baskenland gereist. Jedoch wolle man sich erst einmal vorrangig für die Legalisierung der Sortu und eine friedliche Konfliktlösung einsetzen und nicht die Waffenruhe überwachen, sagte Currin der Presse.

Das Parteiprogramm der Sortu bietet indes wenig Neues: Unabhängigkeit, Euskaldunización, also die sprachliche Homogenisierung des baskischen Gebietes, und Sozialismus sind die ersten drei Punkte. Die »vollständige Entwicklung« des Baskenlandes könne nur ein eigener Staat sicherstellen, der in souveräner Beziehung zu anderen »Staaten, Völkern und Nationen« stehe. Dem kapitalistischen und patriarchalen System und dem neoliberalen Modell wolle man dabei eine »alternative Vision« entgegen stellen. Die Euskaldunización soll immerhin unter Berücksichtigung der »multikulturellen und multilingualen« Bevölkerung stattfinden. In weiteren Punkten beziehen sich die linken Nationalisten auf den Feminismus, auf antiimperialistische Kämpfe und auf die Solidarität mit den »Völkern«, denen ebenfalls »nationale Rechte« verwehrt werden. In erster Linie gehe es aber, wie stetig betont wird, darum, einen »demokratischen Prozess« in Gang zu setzen, an dessen Ende »die Männer und Frauen ohne Einschränkungen über ihre Zukunft in einem freien Land entscheiden können«.
Angesichts des permanenten Ausnahmezustands im Baskenland, in dem sogar das Zeigen von Fotos inhaftierter Etarras als Unterstützung des Terrorismus gewertet wird und immer wieder Beamte der Guardia Civil wegen Foltervorwürfen vor Gericht stehen, ergibt die Forderung nach demokratischen Normen im politischen Umgang durchaus Sinn. Ehrlicherweise wurde diese Forderung nun zum ersten Mal auch an die Eta gerichtet.
Der Hauptsache der linken Nationalisten, und damit zugleich das Hauptproblem aus emanzipatorischer Perspektive, bleibt jedoch unangetastet. Auch bei der Sortu bleibt das Subjekt der Befreiung Euskal Herria – das Baskenland. Wenn erst einmal das Baskenland »seine« demokratischen Rechte ausübe und »frei« sei, werde die Bevölkerung ebenfalls frei sein, so die Logik der nationalen Befreiungsbewegung. Warum der »gemeinsame Wille« des »baskischen Volkes« per se progressiv sei – bei vergangenen Wahlen kam auch die IA nie über 20 Prozent – und inwiefern die Bewahrung der baskischen Sprache und Kultur zu einer »befreiten Gesellschaft« beitragen kann, diese Fragen stellt auch in der baskischen Linken leider niemand.