Die Verhältnisse zum Bauchtanzen bringen

Berlin Beatet Bestes. Folge 86. Abdel Halim Hafez: »Touba« (1959).

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die für die Moderne verloren geglaubte arabische Welt unsere Hoffnungen beflügeln könnte? Ein Anlass, auch an dieser Stelle eine dazu passende Schallplattengeschichte zu finden. Dass ich bis heute nur drei ägyptische Singles besitze, lässt allerdings schon ahnen, dass Pop aus dem arabischen Raum eher selten in deutschen Läden auftaucht. Musikalisch hatten wir die arabische Welt bisher einfach nicht auf dem Zettel. Aber das gilt für die Musik der gesamten südlichen Hemisphäre, der kulturelle Transfer läuft hier meist immer noch von Norden nach Süden.
Zwar hat sich ein kleiner Kreis von Schallplattensammlern in den vergangenen zehn Jahren darum bemüht, zumindest die Entwicklung des Rock’n’Roll und der westlich beeinflussten Popmusik in Ländern wie Thailand, Äthiopien und Iran auf Dutzenden von Compilations nachzuzeichnen, aber selbst die Schar der Käufer dieser Zusammenstellungen dürfte überschaubar sein. Noch dazu wird von der Sammlerszene ausschließlich »cooles« Material wiederveröffentlicht, das mit den Hörgewohnheiten der westlichen Rock- und Pophörer korrespondiert. Wenn jede asiatische Coverversion von »Satisfaction« bekannt und jede afrikanische Funkplatte aufgestöbert ist, bleibt immer noch die große Masse an lokal populärer und traditionell gefärbter Musik, die uns unbekannt bleibt. So wie ich vermute, dass auch im Rest der Welt nur ein paar Freaks schon mal von Freddy Quinn und Heino gehört haben. Die Namen von Oum Kalthoum, der bekanntesten ägytischen Sängerin, von Omar Korshid, dem Erfinder der arabischen Rock’n’Roll-Bauchtanzmusik, und von Abdel Halim Hafez, dem bekanntesten ägytischen Sänger, sind bei uns nahezu unbekannt. Hafez war es auch, der den Gitarristen Korshid entdeckte und in sein Orchester holte. Später begleitete dieser Oum Kalthoum. Abdel Halim Hafez nahm über 300 Lieder auf, spielte in 16 Filmen mit und trat vor Hunderttausenden Menschen auf. Ein rühriger Wikipedia-Artikel erklärt, dass er nie geheiratet hat und in seiner Jugendzeit auch nur »ein Mal« verliebt war, in ein Mädchen, dessen Eltern dem Paar verboten zu heiraten. Ich vermute mal, dass er sich einfach nicht für Frauen interessiert hat.
»Touba« klingt nicht so schrecklich jammerig, wie arabische Musik gerne klingt. Das begleitende Streichorchester ist zwar weit davon entfernt, Rockmusik zu machen, spielt aber dennoch recht flott. Die Ballade »Ahwak«, die Hafez auf der B-Seite leidenschaftlich und mit samtener Stimme vorträgt, hat Omar Korshid instrumental interpretiert. Seine skurrile, fast psychedelisch anmutende Version verbindet Bauchtanzrhythmen mit dem auch aus der amerikanischen Surfmusik bekannten Gitarrentremolo. Das dazugehörige Youtubevideo (http://www.youtube.com/watch?v=isUceC4T0AU) haben sich mittlerweile 130 000 Menschen angesehen, ich nehme an, ausschließlich Leute in der arabischen Welt. Es gibt eigentlich keinen Grund, warum das so bleiben muss.