Next Gau

Es hätte so ein schöner Untergang des Abendlands werden können: Am Donnerstag voriger Woche war bei »Germany’s next Topmodel« Umstyling-Tag. Was konkret bedeutet, dass die hartnäckig »Mädchen« genannten Frauen neue, in manchen Fällen äußerst eigenartige Frisuren und Haarfarben verpasst bekommen und sehr viel geweint wird, während Moderatorin Heidi Klum mit sadistischen Bemerkungen dafür sorgt, dass der Tränenstrom nicht versiegt.
Diesmal war man sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hatte eine minderjährige, zunehmend verzweifelter werdende Teilnehmerin einen ganzen Tag lang im Glauben gelassen, dass ihr am nächsten Nachmittag eine Glatze geschnitten werde. Eigentlich ein schöner Anlass, lange kulturpessimistische Kommentare über Verantwortung in Unterhaltungsshows zu schreiben, aufs Schärfste die Menschenverachtung in Reality Soaps sowie Quälerei als Showkonzept anzuprangern und natürlich den Verlust abendländischer Werte zu beklagen.
Kamen aber keine, also Kommentare, weil woanders die Welt wirklich einen Moment lang unterzugehen drohte, jedenfalls im übertragenen Sinne. Es folgte die übliche Katastrophe der deutschen Fernsehberichterstattung: Informationen, die in anderen Sendern schon vor Stunden live über den Bildschirm gingen, werden ungerührt als letzte Neuigkeit verkauft, Falschmeldungen, die anderswo schon längst als solche erkannt wurden, mit wichtiger Miene weiterverbreitet. Dazu kommen Übersetzer, die nicht in der Lage sind, auch nur annäherungsweise flüssig zu vermitteln, was da gerade in der ihnen anscheinend auch unbekannten Sprache gesagt wird.
Solange es im deutschen Kabelnetz die BBC gibt, könnte einem das deutsche TV-Elend ja eigentlich vollkommen wurscht sein. Ist es aber nicht, jedenfalls nicht, solange dem Sender nicht die Exklusivrechte am irgendwann stattfindenden Weltuntergang zugesprochen werden.